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Ausgabe:

Dezember/2004

Spalte:

1291–1293

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Suh, Myung Soo

Titel/Untertitel:

The Tabernacle in the Narrative History of Israel from the Exodus to the Conquest.

Verlag:

New York-Washington/Baltimore-Bern-Frankfurt a. M.-Berlin-Brussels-Vienna-Oxford: Lang 2003. XVIII, 182 S. gr.8 = Studies in Biblical Literature, 50. Geb. Euro 64,20. ISBN 0-8204-6152-0.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Die bei D. Clines gearbeitete Sheffielder Dissertation versucht eine neue Interpretation der Heiligtums- (und Lade-)Traditionen vom Exodus bis zur Landnahme (Ex-Jos) zu gewinnen. Grundlegend ist das Verständnis, dass es sich in der vorliegenden Endfassung um eine durchlaufende Erzählung handelt.

In der Einleitung (1-22) interessieren vor allem die methodologischen Vorbemerkungen (2-7). S. sympathisiert, wie er erklärt, mit dem aktuellen Wechsel von einer diachronen zu einer synchronen exegetischen Sicht, hält aber auch die diachrone nach wie vor für wichtig (4). Der geht S. allerdings nicht wirklich nach, sondern begnügt sich mit dem Hinweis, dass es Derartiges gebe (7). Tatsächlich ist dies überwiegend eine synchrone ("kanonische") Arbeit. Das hat weitreichende Folgen für Arbeitsweise und Ergebnis.

Die Grundthese besteht in dem Versuch, die "Plünderung" der Ägypter, von der die drei kurzen Passagen Ex 3,21-22; 11, 2-3 und 12,35-36 sprechen, mit der Errichtung des Heiligtums (Ex 25-31; 35-40) in Beziehung zu setzen. Von der "Ausleihe" von Schmuck und Wertsachen bei ägyptischen Nachbarinnen ohne Rückgabe sei die Rede, weil sie später für das Heiligtum verwendet wurden. Damit verbunden ist die These, in der "strategischen Rezension" von Ex 1-15 werde der Exodus als militärischer Sieg interpretiert (27-34). Entsprechend werde die Aneignung der Wertsachen als Plünderung nach dem Sieg verstanden. Das Verb sal (Ex 3,22; 11,2; 12,35) müsse entsprechend als "to ask for something with no suggestion of return" wiedergegeben werden (34) und usl pi. im Zusammenhang als "plündern" (mit Hinweis auf 2Chron 20,2: 34). Da die Gegenstände für den Wüstenmarsch unnütz waren, konnten sie nur für die Ausschmückung des Heiligtums vorgesehen sein (35 f.).

Obwohl auch die Wüstenwanderungsepisoden kurz angesprochen werden (43-51), geht der Blick doch sofort auf den Zielpunkt Ex 14,31 mit dem anschließenden Siegeslied in Ex 15 (44). Wichtig sind S. vor allem die Amalekiterschlacht (Ex 17,8-16) und der Besuch Jethros (Ex 18), wobei V. 21 auf die Einsetzung von Heerführern gedeutet wird (51). M. Noth, auf den sich S. u. a. beruft (65, Anm. 37), wie auch Bartlett (Zitat, 51) haben aber nur gemeint, das sei die ursprüngliche Funktion gewesen. Auch bei der Sinaitheophanie unterstreicht S. militärische Züge: sexuelle Enthaltsamkeit davor (Ex 19,15), vor allem aber Blitz und Trompetenschall bei der Theophanie selbst (19,16). Letzterer wird jedoch von Noth und J. Jeremias (Theophanie, 19772, 104 - leider bei S. nicht berücksichtigt) als Aufruf zur Kultversammlung gedeutet, während der Blitz zum Gewitter gehört. S. versteht sie nach syrisch-palästinischen mythologischen Motiven militärisch. Auch der Geleitengel nach Ex 23,20 (vgl. 14,19) ist als Vertreter Jahwes ein militärischer Führer. In einem so konstruierten militärischen Zusammenhang ist auch das Heiligtum ein militärisches Hauptquartier wie die Arche ein Kriegssymbol (56-60), mit Ramses' II. Kriegslager als Prototyp (60). Außerdem gehört zum Heiligtum ein Schatzhaus, in dem die Kriegsbeute aufbewahrt wird (60- 62). Ex 32-34 ist zwischen Ex 25-31 und 35 eingeschoben, weil die Israeliten das für das Heiligtum bestimmte Gold missbräuchlich für die Herstellung des Kalbes verwandt haben (71-97). Es ist sinnvoll, über den Gesamtzusammenhang nachzudenken, aber dies ist nicht mehr als eine Vermutung.

S. sucht das Buch Lev in einen großen Zusammenhang zu stellen (98-120). Während Lev die Heiligung jedes Lebensaspekts sichern soll ("a priestly kingdom and a holy nation") mit der Hauptabsicht, die Autorität Aarons als kultische Führerschaft zu stärken (100), will Num, gerahmt von den Zensuslisten Num 1 und 26, die militärische Hierarchie aufbauen, wobei die Ältesten (rasjm) die Heerführer sind. Moses' Führerrolle wird dabei mehrfach in Frage gestellt (Num 12; 14,1-10; 16,1- 17,15; 20, 1-13).

S. verfolgt die Erzählung auch über den Pentateuch hinaus bis zur Landnahme (121-135). Er findet Anspielungen zwischen dem Verstecken der Spione durch Rahab (wtspnw; Jos 2,4) und dem Verbergen des Mosekindes durch seine Mutter (wspnhw; Ex 2,2) und - einleuchtender - zwischen dem Durchgang durch den Jordan (Jos 3-5,1) und dem durch das Rote Meer (122). Gilgal ist Basislager für militärische Operationen; die Beschneidung (Jos 5,2-9) Übergang zu einer neuen Generation. Jos 6 enthält eine kultische und eine militärische Funktion. Jos 7 ist ein Disaster wegen Achans Raub an der Jahwe heiligen Beute.

Die Arbeit bietet eine übergreifende synchrone These, ruht hinsichtlich des behaupteten durchlaufend militärischen Aspekts aber auf schwachen Grundlagen. Insbesondere ist die Erkenntnis, dass der Ausgangstext Ex 3,21 f. ein den Zusammenhang unterbrechender Einschub ist (4,1 entgegnet auf 3,20b) und entsprechend auch die Folgetexte 11,2-3 und 12,35-36, nicht einfach wegzuwischen. Vgl. dazu W. H. Schmidt, Exodus (BK II,1, 1988, 181; BK II,2, Lfg. 2, 1999, 457 - beide von S. nicht berücksichtigt). S. blickt zu einseitig auf das Werk des "implied author" (7 u. ö.), worunter er offenbar einen einzelnen Endverfasser von Ex-Jos versteht. Doch wie, wenn die "militärischen" Einschübe gegenüber dem beabsichtigten Duktus sekundär sind? Der Einschluss des Buches Josua dürfte ebenfalls auf Widerspruch stoßen. Auch sonst gibt es Irrtümer wie ein zu enges Kultverständnis, wenn das "Zelt der Begegnung" als "nicht-kultisch" bezeichnet wird (12), abgesehen von zahlreichen Schreibfehlern.