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Ausgabe:

Dezember/2004

Spalte:

1288 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gzella, Holger

Titel/Untertitel:

Cosmic Battle and Political Conflict. Studies in Verbal Syntax and Contextual Interpretation of Daniel 8.

Verlag:

Rom: Editrice Pontificio Istituto Biblico 2003. XIV, 187 S. gr.8 = Biblica et orientalia, 47. Kart. Euro 12,00. ISBN 88-7653-350-8.

Rezensent:

Klaus Koch

Holger Gzella liefert im Hauptteil (1-124) zunächst eine sorgfältige Textkritik und untersucht dann den Aufbau mit genauer Analyse der Syntax, bei der drei Ebenen des Tempusgebrauchs wichtig sind: Partizip und qatal zeigen eine mainline action an, die durch wayyiktol narrativ entfaltet wird, während weqatal eine evaluation of the resulting new situation anzeigt (125). Das literarisch einheitliche Kapitel ist eine very carefully drafted composition (157).

Auf 30 Seiten (126-155) folgen inhaltlich ausgerichtete Erwägungen, zuerst ein A Metaphorical Reading überschriebener Abschnitt, allerdings mit dem Hinweis, dass die Figuren der Vision nicht als mere metaphor anzusehen sind (126), dann eine Commentary Section. Der Visionsbericht von einem vernichtenden Angriff eines gehörnten Ziegenbocks auf einen zweigehörnten Widder und vom Aufsprossen eines kleinen himmelstürmenden Horns beim ersten (V. 3-12) wird deutlich abgehoben (nach einem Zwischenstück V. 13-18) von einer Interpretation, die auf die Auseinandersetzung zwischen Persien und Jonien und auf ein letztes Horn (Antiochus IV.) abzielt. Dieser letzte Abschnitt bedeutet nach G. aber erklärende Identifikation; was als Schauung vorangestellt war, hat Eigenbedeutung, betrifft einen im Augenblick der Vision stattfindenden Kampf im übernatürlichen Bereich, ist nicht nur Symbol, Allegorie. Was dann auf Erden geschildert wird, ist eine spezielle Applikation auf ein künftiges Geschehen (65 f.140). "The little horn is not a symbol whose referent is Antiochus IV Epiphanes, as is often assumed, but an evil force in the supranatural world which manifests itself in the human realm in the guise of the Hellenistic ruler" (153 f.).

Das setzt freilich voraus, dass die verbreitete astrogeographische Deutung der beiden Tiere nicht zutrifft. Sie gelten nicht als die zodiakalen Repräsentanten für Persien und Jonien (oder Syrien), sondern, wie der Sprachgebrauch des Alten Testaments nahe legt, als dämonische Mächte mit weit größerem Machtbereich. Das aber sind zwei fragwürdige Argumente. Denn im Alten Testament kann zwar der Widder ('ayyîl) für menschliche Herrscher stehen, nicht aber für Dämonen. Hinsichtlich Ziegen der "haarigen" Rasse (eîr) verhält es sich zwar anders (Lev 16); dieses Lexem wird hier jedoch nicht benutzt, sondern das neutrale apîr. Was die in der Spätantike verbreitete Gleichsetzung des Widders als Erstem im Tierkreis mit dem Iran (vgl. Apg 2,9-11) betrifft, so hatte Cumont diese Rangstellung aus der Zeit persischer Vorherrschaft erklärt; wer das ablehnt, müsste erklären, warum ausgerechnet eine so harmlose Tiergattung zum Symbol für eine gefährliche Weltmacht geworden war.

So überzeugt das abschließende Ergebnis nicht unbedingt - central concern sei hier wie im ganzen Buch how one should understand conflict between wordly and divine power (156). Das Gegeneinander von Tieren/Großmächten wird in Vision wie Deutung neutral erzählt, erst das nachträglich aufkommende kleine Horn wird als gottfeindliche Macht dargestellt.

Belangreich sind aber die Bedenken G.s gegen die gängige Deutung der Visionsfiguren als mere metaphor. Zwingt das jedoch dazu, bei der Exegese des apokalyptischen Texts überweltliche und weltliche Gestalten auseinander zu reißen? Soll nicht eher eine Tiefenschau zur Sprache kommen, die den metahistorischen, quasi tierischen Charakter gegenwärtiger Weltmächte deutlich werden lässt?