Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

November/2004

Spalte:

1204–1211

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

1) Cassiodor 2) Laktanz 3) Hieronymus

Titel/Untertitel:

1) Institutiones divinarum et saecularium litterarum. Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften.

2) De morte persecutorum. Die Todesarten der Verfolger.

3) Commentarius in Ionam Prophetam. Kommentar zu dem Propheten Jona.

Verlag:

1) Übers. u. eingel. v. W. Bürsgens. Freiburg-Basel-Wien-Barcelona-Rom-New York: Herder 2003. 526 S. 8 = Fontes Christiani 39,1-2. Teilbd. 1: S. 1-289. Kart. Euro 27,00. ISBN 3-451-27271-7. Teilbd. 2: S. 290-562. Kart. Euro 27,00. ISBN 3-451-27273-3.

2) Übers. u. eingel. v. A. Städele. Turnhout: Brepols 2003. 270 S. 8 = Fontes Christiani, 43. Kart. Euro 30,75. ISBN 2-503-52108.

3) Übers. u. eingel. v. S. Risse. Turnhout: Brepols 2003. 250 S. 8 = Fontes Christiani, 60. Euro 30,75. ISBN 2-503-51442-1.

Rezensent:

Gert Haendler

Die letzte Sammelrezension über die Reihe "Fontes Christiani" in ThLZ 128 (2003), 676-687, hatte bereits über den Verlagswechsel von Herder (Freiburg) zu Brepols (Turnhout) informiert. Inzwischen ist dieser Wechsel abgeschlossen. Ein spezieller Kenner äußerte sich auf Anfrage dazu brieflich: Es waren "schlicht und einfach finanzielle Probleme, nicht etwa Differenzen mit dem Herder-Verlag". Im Jahre 2003 ist eine letzte Schrift als Bd. 39,1-2 noch in dem Freiburger Traditionsverlag erschienen, so dass damit dort insgesamt 36 Titel in 67 Bänden in der ersten und zweiten Reihe herausgekommen sind. Das ist eine höchst beachtliche Bilanz für die 14 Jahre von 1990-2003. Als passender Abschluss dazu erschienen Cassiodors Institutiones, die um 590 am Ende der Antike noch einmal den damaligen Stand des Wissens im lateinischen Abendland zusammenfassend darstellen.

Inzwischen hat sich der neue Verlag Brepols gemeldet. Ein Almanach in der Aufmachung, wie sie früher in Freiburg erarbeitet worden war, kam nun im belgischen Turnhout heraus. Das Heft beginnt mit demselben Augustinzitat, das auch schon 1990 dem ersten Almanach des Herderverlags vorangestellt worden war: "So groß ist die Tiefe der christlichen Schriften, daß ich, selbst wenn ich versuchte, sie und nichts anderes zu studieren, von Kindheit an bis ins hinfällige Alter, immer noch Fortschritte machen würde im Entdecken ihrer Schätze". Es folgen drei Geleitworte von Joseph Kardinal Ratzinger, von Wolfgang Huber, dem evangelischen Bischof von Berlin-Brandenburg, sowie von Karl Kardinal Lehmann. Danach nehmen die Herausgeber das Wort.

Der Editionsplan nennt 38 Titel mit etwa 90 Bänden. Die Zahl der geplanten Bände steht noch nicht endgültig fest, weil man bei einigen Titeln nicht genau weiß, in wie vielen Bänden sie erscheinen sollen. Für die Reihenfolge des Erscheinens werden keine Termine genannt. Umso wichtiger ist es, dass die jeweiligen Bearbeiter der geplanten Bände namentlich genannt werden, so dass sich für sie ein hohes Maß an Verpflichtung zur termingemäßen Ablieferung der übernommenen Aufgaben ergibt. Insgesamt kann man nur hoffen, dass sich diese fast überreich erscheinende Fülle von Schriften auch tatsächlich zum Druck führen lassen wird.

Die einzelnen geplanten Schriften werden im Almanach kurz beschrieben (6-25). Es folgt ein Übersichtsplan für die neu geplanten Bände (26-28) sowie ein Rückblick auf die schon erschienen Bände der Fontes Christiani (32-36). Darüber hinaus existiert auch ein noch weitergehender Editionsplan mit insgesamt 99 Titeln und annähernd 130 Bänden, deren Bearbeiter auch bereits genannt werden. Schon im Jahre 2002 waren im Verlag Brepols zwei Titel in drei Bänden erschienen, über die in ThLZ 128 (2002), 683-687, berichtet worden ist: Tertullians Schrift gegen die Häretiker (FC 42) und der Briefwechsel zwischen Augustin und Hieronymus (FC 41,1-2).

1) Cassiodor: "Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften": In der Einleitung stellt Wolfgang Bürsgens zunächst den Autor Cassiodor vor. Über seine Bedeutung als Politiker geben vor allem seine 12 Bücher "Variae" Auskunft. Sie sind "in den Monaten des Zusammenbruchs (539/40) redigiert" worden (11). In der Mitte des 6. Jh.s brach das Ostgotenreich in Italien unter dem Ansturm der Byzantiner zusammen. Der Senator Magnus Aurelius Cassiodorus stammte aus einer reich begüterten süditalienischen Adelsfamilie. Seit 503 hatte er- wie auch schon sein Vater - den ostgotischen Herrschern gedient und war am Hofe von Ravenna zum Kanzleichef aufgestiegen, so dass nun auch ein erheblicher Zwang zur "Selbstrechtfertigung" bestand. Die Variae vertreten das Ideal der Toleranz und Völkerverständigung. Später sind die Variae zum formalen Musterbuch der Briefschreibkunst für das Mittelalter geworden: Thomas von Capua (13. Jh.) hat in seiner "Ars dictandi" Cassiodor neben Cicero als Vorbild genannt.

Einen Schatten auf das Bild Cassiodors werfen der Prozess und die Hinrichtung des Boethius 524; eine Äußerung von Cassiodor zu Gunsten des Boethius ist jedenfalls nicht überliefert. Zudem hat Cassiodor auch nach dem Tode des Gotenkönigs Theoderich 526 unter den sich bekämpfenden Nachfolgern Amalaswintha, Theodahat und Witiges seine Karriere bis 540 fortgesetzt, was "ihm oft als Prinzipenlosigkeit ausgelegt" worden ist (12). Dagegen hebt Bürsgens jedoch andere Eigenschaften hervor, nämlich "seine tiefe Religiosität und zwei für seine Zeit ungewöhnliche Eigenschaften der Amtsführung: Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit (manus clausa et aperta justitia)". Cassiodor war wohl auch wegen dieser Eigenschaften "für Jahrhunderte der letzte Nichtkleriker beziehungsweise Nichtmilitär in einer politischen Schlüsselstellung" (12).

Noch in Ravenna war Cassiodors Psalmenkommentar entstanden. Nach 550 zog sich Cassiodor auf seine Besitzungen in Süditalien zurück. Dort gründete er das Kloster Vivarium. Cassiodor berief zwei Äbte, er selbst übernahm "die Rolle eines geistlichen Direktors, der die Studien seiner Mönche begleitet und fördert und, wie es scheint, an Gebet und Lesung der Gemeinschaft teilnimmt" (20). Das Kloster Vivarium steht offenbar ganz im Zeichen einer spätantik-christlichen Aufgeklärtheit, die "aus klassischer Bildung kommend der wundergläubigen Hagiographie ihrer Zeit skeptisch bis ablehnend gegenüber steht. Cassiodors Schweigen zu hagiographischen Themen legt die Vermutung nahe, dass er ähnlich wie Hilarius und Eutherius und andere gebildete Repräsentanten des gebildeten Christentums mit einem übersteigerten Heiligenkult nichts anzufangen weiß und, im Gegenteil, mit der wissenschaftlich-nüchternen Programmatik der Institutiones de facto zum Mitbegründer einer monastischen Gegenkultur wurde" (21).

Eine Regel hat es in Vivarium wohl kaum gegeben, Bürsgens nennt einen Minimalkonsens: "Gehorsam, Armut, Keuschheit, Ortsbeständigkeit, gemeinsame Arbeit, die Meß- und Gebetsoffizien sowie das Studium der heiligen Bücher mit Deutungshilfen durch die Vätertexte. Hinzu tritt als Obliegenheit der Gemeinschaft die Sorge um Kranke, Reisende und Pilger" (22). Für den kleinen Kreis von nur 20 bis 25 Mönchen bedurfte es keiner weiteren Regeln, aber die Institutiones dürfen wohl auch als eine "monastische Hausordnung" gelten (23). Man hat die Institutiones sogar als "Werbeprospekt" für eine bildungshungrige und - wie Bürsgens hinzufügt - "zahlungskräftige Oberschicht" gedeutet (28). Als ein Ergebnis stellt Bürsgens heraus, "daß sich Cassiodor in seinem Kloster mit einer Bildungselite, eben jenen pauci doctique beziehungsweise doctissimi homines, zum Zweck wissenschaftlich-literarischer Tätigkeit umgibt" (29).

Das Kloster verfiel rasch, nach einer letzten Erwähnung 598 bei Papst Gregor I. "verliert sich die Spur des Klosters" (30). Die Überlieferungsgeschichte der Klosterbibliothek bleibt jedoch "ein wissenschaftliches Desiderat" (31). Hier sei ein besonderes Verdienst der Edition genannt: Der Abdruck der Arbeit von A. Franz über das Bücherverzeichnis des Klosters (1872) auf den Seiten II, 488-500. Dadurch erhält man einen Eindruck von der Fülle biblischer, patristischer und heidnischer Bücher, die in Vivarium gesammelt worden waren, auch wenn manche Einzelheit nicht ganz sicher ist.

Es geht Cassiodor um die Anwendung der antiken Stilmittel bei der Auslegung der Bibel. Im Sinne der Apologeten, insbesondere der alexandrinischen Schule, vertritt auch Cassiodor "die Auffassung von der jüdisch-christlichen Kultur als der Wurzel des gebildeten Heidentums" (41). Zitate aus Cassiodors Psalmenkommentar zeigen bereits seine Bedeutung: Sein Verdienst "ist es, in der Psalmenauslegung in einer bisher nicht dagewesenen Systematik und Konsequenz das begriffliche Instrumentarium der zeitbeherrschenden Wissenschaft, der Rhetorik, anzuwenden" (43). Natürlich hat für diese Zielsetzung Hieronymus größte Bedeutung (44-46). Die Bedeutung Cassiodors für die Bewahrung antik-christlicher Kultur ist größer als die des Benedikt von Nursia (46-48).

Im Vorwort umreißt Cassiodor sein Programm: "Als ich erkannte, daß man die weltlichen Wissenschaften mit Inbrunst studiert - was viele Menschen glauben macht, sie könnten durch solches Studium die Weltklugheit erlangen -, hat mich das, wie ich bekenne, zutiefst geschmerzt; denn während die weltlichen Lehrmeister dank einer anerkanntermaßen glänzenden Tradition hohes Ansehen genießen, fehlt es an öffentlichen Lehrern für die Heilige Schrift". Cassiodor erinnert an zwei christliche Schulen, "von denen die eine vor langer Zeit nahe Alexandria existiert haben soll, während die andere dem Vernehmen nach noch heute in der syrischen Stadt Nisibis von Hebräern mit Eifer betrieben wird" (93). Eine solche christliche Schule war in Italien geplant, sie war jedoch wegen der kriegerischen Lage unmöglich, umso mehr fühlt sich Cassiodor gedrängt, seine Institutiones schriftlich niederzulegen. Der Nutzen der Studien ist klar: "Durch sie läßt sich nämlich erlernen, wie man den Ursprung des Seelenheils und der weltlichen Bildung darlege" (Praefatio, 95).

Die Sprachkundigen sollen "bei den griechischen Sprachauslegern nachforschen, was dort in heilsamer Weise abgehandelt ist. Solcherart soll in der Schule Christi das Lauwarme und Unbedachte ausgerottet und mit heißem Herzen die lebendige Erkenntnis gesucht werden" (99). Cassiodor geht in I,15,11 sogar noch weiter zurück auf die "Kodizes, die der heilige Hieronymus persönlich aus dem Hebräischen übertragen und in seiner Ausgabe der Septuaginta verbessert hat" (205). Es gibt Leute, die die hebräische Heilige Schrift zu Rate ziehen können, man soll sie gewähren lassen. Primär aber will Cassiodor den lateinischen Auslegern folgen, "wir schreiben ja schließlich für Italer und möchten daher gerne auch die römischen Schriftausleger mühelos zugänglich machen" (101).

Die Einleitung zum Band gibt einen Überblick "Zum Stand der Wissenschaften bei Abfassung der Institutiones" (Kap. II, 31- 48) sowie eine Kurzfassung des Inhalts der Institutiones (Kap. III, 48-88). Hier wird nicht nur über Cassiodor berichtet. Die reichen Informationen über die "freien Künste" und ihre Verbindung mit christlichen Traditionen am Ende des 6. Jh.s könnten für eine breitere Leserschaft von großem Interesse sein. Das Vorwort von Bürsgens schließt an die gute Tradition früherer Bände der Reihe FC an.

Das Kapitel IV "Erläuterungen zum Text" ist freilich viel kürzer als in anderen Bänden der Reihe FC: "Der Text ist der Ausgabe von R. A. B. Mynor entnommen" (89). Die Bibliographie teilt mit, dass Mynors Text 1937 in der Reihe SCBO (Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis) in Oxford erschien und in einer 3. Aufl. 1963 vorliegt (Bd. II, 519). Als einzige ältere Edition wird Migne, PL 70 genannt. Die Siglen der Textzeugen werden für die beiden Bände getrennt aufgeführt (89 f.). Die sonst übliche Geschichte der Textüberlieferung und älterer Editionen fehlt.

Auch zur deutschen Übersetzung gibt es keinen Hinweis. Offenbar hat sie Wolfgang Bürsgens neu erarbeitet, eine ältere Übersetzung ist nicht bekannt (weder in der Bibliothek der Kirchenväter noch in der Reihe Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit). Diese Übersetzung ist ausgezeichnet gelungen: Der deutsche Text liest sich leicht, der Rückbezug auf den lateinischen Text ist dennoch stets ohne große Mühe herzustellen. Man kann dem Übersetzer, der sich zu dieser Seite seines Werkes gar nicht äußert, nur gratulieren. Beide Bände bieten reichen Gewinn für die Gestalt des Cassiodor, für die Zeit des späteren 6. Jh.s und für die Geschichte der Wissenschaften überhaupt.

2) Laktanz: Die Todesarten der Verfolger: In einer anderen Lage befindet sich Alfons Städele mit seiner Aufgabe, die Schrift des Laktanz "De mortibus persecutorum - Die Todesarten der Verfolger" zu edieren. Dieses Dokument führt hinein in die Anfänge des Umbruchs der Jahre nach 300, also die später oft beschriebene und kritisch so genannte Konstantinische Wende. "Eine der wenigen und deshalb umso wertvolleren literarischen Quellen ist die Schrift De mortibus persecutorum des L. Caelius Firmianus (qui et) Lactantius, der die Ereignisse in den Machtzentralen Nikomedia und Trier zum Teil als Augenzeuge erlebte". Freilich ist die Schrift "an Problemen überreich" (8). Im Jahre 1678 fand man in einer französischen Benediktinerabtei "ein 16 Folien umfassendes, durch die Zeit und ungünstige Lagerbedingungen stark mitgenommenes Manuskript eines bis dahin unbekannten Werkes" (8). Dieses Manuskript dürfte eine Abschrift aus dem 11. Jh. sein, die zwei Kopisten in einem westgotischen Skriptorium erstellt hatten. Das entdeckte Manuskript wurde schon 1679 von Etienne Baluze veröffentlicht, der in diesem Fund die von Hieronymus genannte Schrift des Laktanz De persecutione erkannte. Es gab darum Streit, aber "heute hat sich die Überzeugung, das Werk sei von Laktanz, allgemein durchgesetzt" (10).

Eine Geschichte der Drucke und Übersetzungen gibt es nicht. Die Bibliographie teilt aber mit, dass diese Schrift von Laktanz in mehreren Editionsreihen geboten wird: Grundlegend von Brandt und Laubmann 1897 im Wiener CSEL 27,2, dann in den Sources Chrétiennes 39, 1954, in der Storia del cristianesimo, 1962, sowie in der Reihe Oxford Early Christian Texts, 1984. Städele bringt mehrere Beispiele für umstrittene Lesarten (79-87). Aber es bedarf für seine Entscheidung keiner Begründung. Er teilt nur kurz mit: "Dem Text liegt die Ausgabe Brandts und Laubmanns, Prag-Wien-Leipzig 1897, zugrunde" (87). Auch zu seiner Übersetzung sagt er nichts: Aus der Bibliographie geht aber hervor, dass es Übersetzungen in die französische, italienische, englische und spanische Sprache gibt sowie auch mehrere deutsche Übersetzungen. Die Übersetzung von Städele liest sich leicht, der lateinische Paralelltext ist auch dank der zahlreichen Ziffern stets bequem auffindbar.

Die Einleitung beginnt mit dem Autor und seinem Werk: Laktanz war einer der besten Redner seiner Zeit. Kaiser Diokletian berief ihn in seine Residenzstadt Nikomedia, wo die Verfolgungen der Christen ihren Ausgangspunkt hatten. Im Detail bleibt das persönliche Schicksal des Laktanz in jenem Jahrzehnt, 303 bis 312, undeutlich. Jedenfalls trat er zum Christentum über und wurde später Erzieher des Crispus, des Sohnes von Kaiser Konstantin. Hieronymus berichtet in seiner Schrift De viris illustribus vom literarischen Werk des Laktanz, es sei so umfangreich geworden, weil Laktanz als Sprachlehrer nicht genügend Schüler gehabt hätte, "deshalb habe er sich auf das Bücherschreiben verlegt" (10). Überliefert sind die Schriften De opificio Dei, die apologetischen 7 Bücher Divinae Institutiones sowie eine Epitome dieses Werkes. In der Schrift De ira Dei setzt sich Laktanz mit stoischem und epikuräischem Gedankengut auseinander. Andere Schriften sind verloren oder die Urheberschaft des Laktanz ist umstritten.

Kap. II der Einleitung "Der zeitgeschichtliche Hintergrund" geht auf die Reformen des Römischen Reiches durch Kaiser Diokletian ein. Städele nennt die zahlreichen Kaiser und Nebenkaiser sowie deren ständige Kämpfe untereinander. In diesem Zusammenhang stieg Konstantin als Sohn eines westlichen Teilherrschers auf. Im Jahr 306 wurde er nach dem Tode seines Vaters in England zum Augustus ausgerufen. Er weitete seine Macht aus u. a. durch die Schlacht an der Milvischen Brücke vor Rom 312. Er war seit 324 "bis zu seinem Tode am 22. Mai 337 Alleinherrscher des Römischen Reiches" (18).

Kap. III schildert die Christenverfolgungen im Römischen Reich. Städele vermeidet triumphalistische Töne und steht der Ansicht des Laktanz skeptisch gegenüber, derzufolge die Apostelfürsten Petrus und Paulus unter Nero den Märtyrertod erlitten hätten (19). Aus christlichen Prozessakten und Märtyrerberichten kann man keine Klarheit gewinnen, da jene Autoren nicht "geschichtliche Ereignisse für die Nachwelt" festhalten, sondern vielmehr zeigen wollten, "daß Bekenner und Märtyrer trotz schlimmster Qualen und Versuchungen standhaft über alle Anfechtungen des Teufels triumphiert hatten" (22).

In der Verurteilung des Kaisers Nero stimmen christliche und heidnische Schriftsteller überein, doch bleibt unsicher, ob Nero "überhaupt gegen die Christen als solche vorgegangen ist" (21). Zur Verfolgung unter Kaiser Decius stellt Städele fest, es sei eine "Zeit höchster wirtschaftlicher und sozialer Not" gewesen (25). Diokletian werden glänzende Erfolge gegen äußere wie innere Feinde bescheinigt (26). Die Entwicklung kulminierte in einem Gesetz Diokletians gegen die Christen vom 24.2.303 (27). Endpunkt ist der Restitutionserlass des Licinius für die Christen vom 13. Juni 313, der als "Toleranzedikt von Mailand" in die Geschichte eingegangen ist (28 f.).

Kap. IV bringt eine Übersicht über das Werk, die im Fettdruck die wichtigsten Fakten hervorhebt (29 f.). Kap. V "Tendenz und literarische Gattung" nennt Beweggründe des Laktanz für sein Werk: Die Erinnerung an die von ihm erlebte Epoche soll nicht verloren gehen, "er beschreibt, was wirklich geschah" (31). Laktanz berichtet aus eigener Erfahrung und bringt auch Originaldokumente. "Dazu kommt, daß der Verfasser nicht nur Zeitgeschichte schreibt, sondern als zumindest mittelbar Betroffener die Politik der Tetrarchen verurteilt" (31). Laktanz muss aber auch "angesichts der schrecklichen Schicksale seiner Mitbrüder immer wieder mit Zweifeln an Gottes Allmacht, Güte und Gerechtigkeit konfrontiert worden sein" (32). Hilfe fand er u. a. im 2. Makkabäerbuch: Der Gottesverächter Antiochus IV. Epiphanes geht zuletzt elend zu Grunde. In der Einleitung schreibt Laktanz: "Die Gott verhöhnten, liegen jetzt am Boden, die den heiligen Tempel niederrissen, sind in einem noch größeren Sturz zu Fall gekommen" (1,5, S. 91). Er zeigt, "daß die Gegner Gottes stets den gebührenden Lohn für ihr Verbrechen erhalten" (5,1, S. 101). Dazu stellt Städele fest: "Dieses Vorgehen entsprach den Prinzipien der römischen Historiographen" (33). Auch sie wollten nicht nur Fakten überliefern, viel wichtiger waren für sie Leitgedanken. In diesem Sinne zeigt Laktanz, "daß man Mühsal und Gefahren all die Jahre nicht umsonst auf sich genommen hatte, weil Gott tatsächlich schon auf Erden für sein Volk, die Gerechten, sorgt" (34).

Ein Anhang bringt einen Überblick über die Tetrarchen (230-38), eine Landkarte, Abkürzungen sowie Quellen und eine Bibliographie (245-60). In ihr fehlen freilich wichtige evangelische Stimmen zum Thema "Konstantinische Wende" wie die von Kurt Aland, Hans von Campenhausen, Hans Lietzmann, Adolf Martin Ritter und Friedhelm Winkelmann. Insgesamt ist der Band jedoch wohl ausgewogen: Die Distanz des Herausgebers Städele gegenüber der Darstellung des Laktanz ist spürbar. Aber er weist einen Weg durch das Dickicht der verschiedenen Meinungen zu jener Epoche und lässt als Übersetzer den direkt betroffenen Zeitgenossen Laktanz wirkungsvoll zu Worte kommen, so dass er auch heute noch Leser direkt ansprechen kann.

3) Hieronymus: Kommentar zu dem Propheten Jona: Die dritte hier anzuzeigende Edition ist der Jona-Kommentar des Hieronymus. Über den Text wird nur kurz mitgeteilt: "Der lateinische Text des Jonakommentars, der in dieser Ausgabe wiedergegeben wird, ist der Text der kritischen Ausgabe von Duval in Sources Chrétiennes 323. Es wurde nur an wenigen Stellen die Schreibweise vereinheitlicht; ferner wurden typographische Änderungen vorgenommen und ein Druckfehler verbessert" (85). Die in früheren Bänden der Reihe FC üblichen Berichte über Manuskripte und deren Überlieferung, über den Erstdruck und eventuelle spätere Drucke fehlen. Erst in der Bibliographie werden noch eine ältere Ausgabe in den Sources Chrétiennes, 1956, sowie Editionen im Corpus Christianorum 1969 und in den Collana di testi patristici, 1992, genannt (228).

Mehrere Übersetzungen liegen vor: 1956 durch P. Antin in die französische, 1991 durch T. M. Hedegus in die englische und 1992 durch N. Pavia in die italienische Sprache. Mit seiner Übersetzung in die deutsche Sprache begibt sich der Herausgeber Siegfried Risse also auf Neuland. Er lehnt sich möglichst eng an den lateinischen Text an. Dadurch werden die deutschen Sätze mitunter ziemlich lang und verschachtelt, aber der Vorteil dieser Methode leuchtet ein: Der Zusammenhang mit der jeweiligen lateinischen Stelle wird auf diese Weise leicht erkennbar - und darauf kommt es gerade in diesem Bande mit seinem komplizierten Inhalt besonders an.

Die Einleitung beginnt mit einem Überblick über das Leben des Hieronymus: Den Stationen Rom - Trier - Aquileja folgen die Jahre in der Wüste von Chalkis in der Nähe von Antiochien 375-377. Hier hat er seine Kenntnisse der griechischen Sprache vervollständigt, hier hat er angefangen, "bei einem konvertierten Juden Hebräisch zu lernen. Die Kenntnis dieser Sprachen ist für sein Lebenswerk von größter Bedeutung" (13). Bei einem erneuten Aufenthalt in Rom wirkte er als Sekretär des Bischofs Damasus 381-384. Nach dessen Tode wurde er "gedrängt, die Stadt zu verlassen" (14).

Hieronymus ging erneut in den Osten und ließ sich - finanziell gut abgesichert - 386 in Betlehem nieder. Hier betrat er Neuland: Er übersetzte "von etwa 391 bis 404/05 die Bücher der hebräischen Bibel nach der veritas Hebraica, das heißt aus der Grundsprache und nicht nach der griechischen Übersetzung" (16). Bei diesem Unternehmen kam 396 das Buch Jona an die Reihe. Im Vorwort hat Hieronymus dargelegt, dass diese Arbeit keineswegs kontinuierlich erfolgen konnte: Schon etwa drei Jahre vorher hatte er begonnen, das Zwölfprophetenbuch zu erklären. Nachdem er fünf der zwölf kleinen Propheten übersetzt hatte, "drängten sich andere Arbeiten dazwischen" (16). Erst nach ungefähr drei Jahren kam er an die Propheten Jona und Obadja, erst in seinen letzten Lebensjahren hat er die vier großen Propheten übersetzt. "Den letzten Kommentar - zu Jeremia - hat er nicht mehr vollenden können" (18).

Die Textausgabe bietet primär seine lateinische Übersetzung nach der hebräischen Vorlage, es folgt eine lateinische Übersetzung der griechischen Übersetzung Septuaginta. Die Abweichungen sind nur gering und manchmal steht zum Septuagintatext nur "Similiter". Die deutsche Übersetzung betrifft beide Fassungen. Es liegt auf der Hand, wie wichtig daher eine möglichst wörtliche Übersetzung ist. Der Kommentar des Hieronymus geht meist auf beide Vorlagen ein.

Freilich brachte der Rückgriff auf die hebräische Urfassung auch Probleme mit sich. Augustin berichtet in einem Brief an Hieronymus 403 von einem Tumult in der nordafrikanischen Gemeinde Oea, dem heutigen Tripolis. Der Bischof der Gemeinde ließ wegen einer ungewohnt neuen Übersetzung einer Stelle im Jonabuch schließlich bei einem Juden anfragen (Ep. 71,5, FC 41/1, S. 165). Die Stelle wurde von Augustin nicht genannt, aber Hieronymus nimmt an, dass es um die Pflanze in Jona 4,6 gegangen war, unter der Jona Schatten gefunden hatte. Die Gemeinde war die Übersetzung Kürbis gewohnt, er hatte neu übersetzt: Efeu.

Risse stellt heraus, dass Hieronymus möglichst Wort für Wort übersetzt hat. Einige wenige Abweichungen werden aufgelistet (27). "Gegenüber der LXX hat Hieronymus an vielen Stellen den Sinn des hebräischen Textes genauer wiedergegeben" (27). Hieronymus äußert sich aber auch eindrucksvoll darüber, dass ihm das Erlernen der hebräischen Sprache schwer gefallen ist. In einem Brief (125,12) heißt es: "Was für eine Anstrengung dies kostete, welche Schwierigkeiten zu überwinden waren, wie oft ich verzweifelte, wie oft ich die Sache drangab und voller Lernbegierde wieder aufnahm, weiß nur ich, der ich es durchgemacht habe, und jene, die mit mir zusammenlebten. Und heute danke ich Gott, daß ich aus dieser bitteren Buchstabensaat so herrliche Früchte einheimsen kann" (35).

Risse gibt ziemlich unterschiedliche Wertungen wieder, die über die Hebräischkenntnisse des Hieronymus ausgesprochen worden sind. So meinte P. Nautin, "daß er diese Sprache kaum kannte" (35). Dagegen hielt ihn E. Burstein für fähig, Hebräisch zu lesen und zu verstehen. D. Brown meinte sogar, die Hebräischkenntnis des Hieronymus sei höher einzuschätzen als die des Origenes. Eva Schulz-Flügel verwies darauf, dass Hieronymus nicht allein stand. Er konnte sich auf ältere Übersetzer wie Aquila, Symmachus und Theodotion stützen und hatte zudem auch seine jüdischen Freunde in der Nähe. So meint denn auch Risse, "daß Hieronymus über eine ausreichende Kenntnis des Hebräischen verfügte" (37). Dabei verweist er noch auf den erschwerenden Umstand, dass es Hieronymus damals "mit einem reinen Konsonantentext zu tun hatte. Die Vokale wurden erst später hinzugefügt" (37).

Das längste Kapitel IV der Einleitung ist überschrieben: Die Auslegung des Jonabuches (37-83). Hieronymus hat offensichtlich Auslegungen des Origenes gekannt (42 f.). Er nennt auch jüdische Auslegungen, die er auf dem Umweg über Origenes erhalten haben könnte (44). Sein wichtigstes Anliegen ist die christozentrische Auslegung auch des Alten Testaments (49). Schon im Vorwort bekennt Hieronymus offen, er wisse wohl, "daß es Mühe kosten wird - sogar sehr große -, das ganze Prophetenbuch auf den Erlöser zu beziehen" (93). Hieronymus hat aber an einigen Stellen "die Grenze sogar überschritten" (63). Neben Ausagen des Hieronymus, die "zeitlos gültig und ansprechend" erscheinen (84 f.), gibt es auch problematische, zu denen besonders die Urteile über die Juden gehören (71-76).