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Ausgabe:

November/2004

Spalte:

1202–1204

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

2) Geerlings, Wilhelm

Titel/Untertitel:

1) Augustinus: De Magistro - Der Lehrer. Zweisprachige Ausgabe. Unter Mitarbeit v. P. Schulthess u. R. Rohrbach eingeleitet, kommentiert u. hrsg. v. Th. Fuhrer.

2) Augustinus - Leben und Werk. Eine bibliographische Einführung.

Verlag:

1) Paderborn-München- Wien-Zürich: Schöningh 2002. 223 S. gr.8 = Augustinus Opera - Werke, 11. Geb. Euro 28,80. ISBN 3-506-71021-4.

2) Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2002. 212 S. gr.8. Geb. Euro 29,00. ISBN 3-506-71020-6.

Rezensent:

Christoph Burger

Augustin hat Fragen gestellt und Antworten gegeben, die Denker vieler Jahrhunderte beschäftigt haben. Da heutzutage die Curricula auch der altsprachlichen Gymnasien den Schulfächern, die die Fragen und Antworten der Gegenwart zu behandeln beanspruchen, mehr Raum zugestehen als früher, bleibt selbst in diesen Schulen relativ wenig Zeit für das Erlernen der griechischen und der lateinischen Sprache. Wenn dann das gesamte überlieferte Werk Augustins in einer lateinisch-deutschen Ausgabe zugänglich gemacht werden soll, sind die Erwartungen hoch gespannt. Kann doch jeder, der die deutsche Sprache beherrscht, die Übersetzungen lesen und immer dann, wenn es ihm oder ihr darauf ankommt, den lateinischen Wortlaut vergleichen. Nicht nur die meistdiskutierten Werke, sondern alle Schriften sollen zugänglich gemacht werden. Wer den Umfang der Ausgabe errechnet, kommt auf 132 Teilbände und auf einen Gesamtpreis (ohne Inflationskorrektur) von mindestens 3366 Euro. Es ist sehr dankenswert, dass der Verlag Ferdinand Schöningh dieses verlegerische Risiko auf sich genommen hat und die Bände so solide und zugleich preiswert anbietet.

Die bibliographische Einführung von Wilhelm Geerlings beginnt mit einem wenig untergliederten Inhaltsverzeichnis (5). Wer beispielsweise Angaben zu einer Schrift sucht, die unter "H. Religionsphilosophische und dogmatische Literatur" rubriziert worden ist, muss die Seiten 169-184 durchsehen. Eine gewisse Hilfe beim Suchen bietet die "Systematische Werkübersicht" (9-13), doch findet der Leser hier nur die Reihenfolge der Schriften, nicht aber Seitenzahlen.

Im Vorwort der Herausgeber (7 f.) liest man, die Ausgabe solle "dem [sic!] wissenschaftlichen Ansprüchen genügen ..." (7). Die Werkbibliographie ermögliche "den Zugriff auf das augustinische Werk Augustins" (7). Natürlich könne "hierbei" [sic!] nicht die fortlaufende Bibliographie raisonnée der Revue des Études Augustiniennes ersetzt werden (8). Der Rezensent fragt sich, ob das Vorwort zu einem Band, der vom elektronisch vermittelten Werbetext als der "zentrale Schlüssel zur internationalen Augustinus-Forschung" angepriesen wird, in solcher Eile entstanden ist, dass keine(r) es mehr durchgelesen hat.

Das Verzeichnis der Abkürzungen der Werke Augustins (14- 16) übernimmt diejenigen aus dem ersten Band des Augustinus-Lexikons, das der bibliographischen Abkürzungen (17-22) die aus der zweiten Auflage des Standardwerks von S. M. Schwertner. Stichproben ergaben, dass es unvollständig ist. Es folgen Verzeichnisse der Abkürzungen von Verlagsorten, biblischen Büchern und sonstigen häufig verwendeten Begriffen (23-25).

Unter der nicht eben sehr aussagestarken Überschrift Augustinus folgen sodann die Kapitel "I. Leben" (27-33) und "II. Werk" (35-212). Die Skizze der Biographie ist durch Belege vor allem aus Augustins Confessiones und aus Possidius' Vita gut unterbaut. Gewisse Voraussetzungen muss der Leser freilich mitbringen, denn zwei kurze lateinische Zitate im Text bleiben unübersetzt, und welche Lehren Neuplatoniker, Manichäer, Donatisten und Pelagianer vertreten, wird nicht angedeutet.

Im Kapitel Werk hat der Vf. jede Schrift Augustins einer Kategorie zugeordnet. In einer Kopfleiste wird stets die Abkürzung wiederholt, eine Datierung vorgeschlagen und in den Fällen, in denen Augustinus sich gegen Ende seines Lebens in seiner selbstkritischen Rückschau in den Retractationes dazu geäußert hat, die Fundstelle genannt.

Die Kurztexte zu jeder Schrift Augustins sind so knapp gehalten, dass sie kaum geeignet sind, einen ersten Eindruck zu vermitteln. Zudem hat der Vf. sie in manchen Fällen nicht sorgfältig formuliert: Die Bücher 1-10 von De civitate Dei hat er beispielsweise als "destruktiven ersten Teil" charakterisiert (66), das Enchiridion de fide, spe et caritate als knappe Zusammenfassung des "Vulgär-Katholizismus" (182). Zumindest ungewohnt ist der Gebrauch des Verbs "sich annehmen" in Verbindung mit "spöttisch-polemisch" (194).

Unter der Überschrift Editionen sind auch Übersetzungen einer Schrift und Kommentare zu ihr aufgeführt. Aussagen über die Brauchbarkeit der verfügbaren Editionen werden nicht gemacht. Die Bibliographien zu jeder Schrift sind nicht in der Reihenfolge des Erscheinens angeordnet, sondern alphabetisch nach den Nachnamen der Verfasser. Der Vf. verzeichnet dankenswerterweise deutsche, englische, französische, italienische, spanische und niederländische Beiträge. Nach welchem Prinzip er ausgewählt hat, wird nicht unmittelbar deutlich, man vergleiche etwa die Fülle von verzeichneten Arbeiten allein von M.-F. Berrouard zu den Predigten über das Johannesevangelium (160-165) mit den nur zwei Literaturangaben zu Augustins Briefen (209) oder mit der halben Seite zur Schrift De spiritu et littera, die im Gespräch zwischen römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Theologen Jahrhunderte lang eine so wichtige Rolle gespielt hat. Stichproben ergaben, dass die Zahl der Fehler in Werktiteln in fremden Sprachen rundheraus zu hoch liegt. Diesem Band scheint eine sorgfältige Endkorrektur vorenthalten worden zu sein.

Die Schrift De magistro - Der Lehrer ist als erster Textband erschienen. An diesem als elften innerhalb der gesamten Reihe geplanten Band untersucht der Rezensent also mit Spannung, welche Stärken und Schwächen der Leser vermutlich auch in künftigen Bänden der zweisprachigen Ausgabe erwarten darf. Lateinischer Text und Übersetzung nehmen die Seiten 111-195 ein. Die Einleitung zum lateinischen Text von 42 Druckseiten beansprucht 102 Seiten. Ohne damit etwas über die Qualität des Gebotenen sagen zu wollen, kann man kritisch fragen, ob das nicht des Guten zu viel ist. Beansprucht doch eine Einleitung im Unterschied zu einem selbständig erscheinenden Artikel oder Buch in gewisser Weise, den Stand der Forschung zu dem edierten Text zum Zeitpunkt des Erscheinens wiederzugeben. Gerade deswegen kann man fordern, dass sie sich in Umfang und Anspruch zurückhält.

Die Hauptherausgeberin des Bandes, die Latinistin Therese Fuhrer, eröffnet die Einleitung mit "I. De Magistro als literarischer Dialog" (7-12; es fällt auf, dass Magistro bald groß, bald klein geschrieben wird). Sie skizziert hierin Typen des antiken Lehrdialogs. Ebenso gründlich und lesenswert, aber für eine Einleitung doch wohl zu ausführlich, ist "II. Augustinus' frühes Bildungskonzept" (13-25).

Der Mitherausgeber Peter Schulthess trägt als Philosoph "III. Sprechen, Erkennen und Lehren/Lernen in De Magistro" bei (26-82). Auch er greift (zu) weit aus, wenn er Augustins Schrift in den Rahmen spätantiker Semiotik und Sprachphilosophie stellt (26-38). Freilich kann er auf diese Weise verdeutlichen, worin Augustin originell ist und worin nicht. Manche Formulierungen sind für den breiten Leserkeis, für den eine solche Ausgabe bestimmt ist, zu schwierig. Ein Beispiel: "der epistemisch-logische Begriff des inferentiell-indizierenden Zeichens" (38). Schulthess steuert auch "IV. Zur Nachwirkung" (83-90) und "V. Ein Ausblick. 1. Die Bedeutung von De Magistro für die moderne Philosophie" (91-97) bei. Theologen mag der folgende Satz zu denken geben: "Es ist ein Zeichen dieses Zusammenhanges [zwischen wahrer Erkenntnis und der Voraussetzung eines wahrhaftigen Gottes], daß nach der Elimination Gottes aus der Erkenntnistheorie für den Menschen im 20. Jahrhundert nur noch hypothetisches Wissen, nicht mehr wahres, möglich scheint." (94) Dem zweiten Mitherausgeber, dem Sprachwissenschaftler Rudolf Rohrbach, ist der gut formulierte, verständliche Beitrag "V. 2. De Magistro und die moderne Linguistik" zu verdanken (97-105). Präzise und knapp gibt schließlich die Hauptherausgeberin Hinweise "VI. Zu Text und Übersetzung" (106-110).

Stichproben ergaben, dass die Übersetzung dem anspruchsvollen Original gerecht wird und zugleich gut lesbar ist. Fußnoten erleichtern das Verstehen.

Der Anhang besteht aus einem Verzeichnis der Abkürzungen, einer Bibliographie und Registern der Bibelstellen, Stellen (= Quellen), Personen (u. a. Hippo Regius!), Sachen (u. a. Thagaste!) sowie lateinischer und griechischer Stichwörter. Den Band beschließt die oben bereits erwähnte systematische Werkübersicht, die im Unterschied zu derjenigen im ersten Band die Bände durchzählt und Teilbände ankündigt, aber die Übersetzungen der lateinischen Werktitel weglässt. Der Band mit der bibliographischen Einführung ist auch hier nicht erwähnt, und auch hier wird der Band, der Possidius' Vita Augustini enthalten soll, als Null gezählt.

Die Ausgabe von De magistro verheißt viel für die kommenden Bände. Textgestaltung und Übersetzung sind vorbildlich. Die Einleitung könnte kürzer sein. Eine kritische Durchsicht hätte auch diesem Band nicht schaden können.