Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/1998

Spalte:

614 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Gatz, Erwin [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die katholische Kirche. Bd. V: Caritas und soziale Dienste.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1997. 528 S. gr.8. Lw. DM 98,-. ISBN 3-451-26217-7.

Rezensent:

Hubert Kirchner

Rechtzeitig zum 100. Jahrestag der Gründung des Deutschen Caritasverbandes (am 9. November 1997) und gedacht auch als ein Beitrag zu diesem Jubiläum liegt der 5. Band der seit 1991 erscheinenden Reihe vor. Das unterstreicht seine Aktualität. Doch wenn anders Caritas nur als eine "kirchliche Grundfunktion" zu begreifen ist, wie von vornherein betont wird, ist sie natürlich unabhängig von derlei Daten als eine ständige Aufgabe und Herausforderung zu sehen und zu würdigen. Und so war denn einerseits ihr Platz in der Reihe von Anfang an vorgesehen und andererseits um des Datums willen auch nicht die inhaltliche Gestaltung etwa in Richtung auf einen direkten Jubiläumsband zu verändern. Deshalb bleiben auch die zu behandelnden Themen auf die Geschichte beschränkt, ungeachtet dessen, daß seit Jahren aus unterschiedlichen Gründen, inneren und äußeren, "intensiv über das Proprium der Caritas und ... über ein künftiges Leitbild des Caritasverbandes diskutiert" wird (6). Keine Festschrift also, sondern "erstmals seit Jahrzehnten wieder eine Gesamtdarstellung zur Geschichte der Caritas in den deutschsprachigen Ländern" (Klappentext).

Nach einem einführenden Kapitel "Caritas als kirchliche Grundfunktion. Gründzüge der Entwicklung bis zur Aufklärung" (21-35), das die nötigen Anschlüsse herstellt, wird der zu behandelnde Stoff in fünf Teile gegliedert, drei zeitlich orientierte Abschnitte (Teil 1: Kirche und Armenpflege bis zum Endes des 19. Jahrhunderts, 37-110; Teil 3: Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg, 171-252; Teil 4: Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg, 253-428) und zwei thematisch bestimmte Teile (Teil 2: Die Differenzierung der kirchlichen Armenpflege, 111-169; Teil 5: Neuere Entwicklungstendenzen, 429-507: Ein ausführliches Sach- und ein Namensregister (509-524) beschließen den Band. Eine Allgemeine Bibliographie rangiert schon am Anfang (15-19).

Auf diese Weise wird ein großer Bogen geschlagen von den "Neuanfängen einer eigenständigen kirchlichen Armenpflege" bis zu dem breiten Spektrum der modernen Dienste. Und es wird das ganze weite Feld abgesteckt, das die Caritas heute abzudecken sich bemüht. Gebührende Würdigung erfahren die Träger der verschiedenen Aktivitäten, die Vereine, im besonderen die Ordensgemeinschaften und dann die große Bündelung der Kräfte in den sich formierenden Verbänden in den entsprechenden Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, Luxemburg, in einem eigenen Kapitel fällt auch ein Blick auf die Caritas in der ehemaligen DDR) und ihr Einsatz nach innen und außen und in der Caritas internationalis in eine internationale Zusammenarbeit eingebunden (Kap. 25). Regelmäßige Blicke auf die staatliche Sozialgesetzgebung verdeutlichen die jeweiligen Rahmenbedingungen. Eine knappe Einführung in die Caritas-Wissenschaft fehlt ebensowenig (Kap. 26) wie eigene Abschnitte über die Finanzen (Kap. 29) und über die Statistik, die durch reiches Zahlenmaterial in fast allen Zusammenhängen noch ergänzt wird. Und immer wieder werden die Grenzen der eigenen Konfession überschritten mit Hinweisen auf die entsprechenden Entwicklungen auf evangelischer Seite, auf gegenseitige Befruchtungen bis hin zur direkten ökumenischen Zusammenarbeit (z. B. in der Bahnhofsmission). - Daß damit nicht nur eine Erfolgsgeschichte geschrieben werden kann, versteht sich von selbst. An Problemen mangelte es zu keiner Zeit und nirgendwo und auch nicht nur durch Einwirkungen von außen, z. B. das nationalsozalistische Regime. Eklatant ist das Abbrechen des Anteils der Ordensangehörigen an der Zahl der hauptamtlich in der Caritas tätigen Mitarbeiter (in der BRD von 1960-1994 ein Rückgang von 60 % auf 4 %!). Die "Erosion des katholischen Wertmilieus" (439) stellt gerade auch für die Caritas eine immense Herausforderung dar (Kap. 28: Caritas angesichts fortschreitender Säkularisierung). Und so weitet sich dann doch der Blick über das Feld der Geschichte hinaus bis hin zu "Optionen verbandlicher Caritas im Spannungsfeld von Kirche, Staat und Gesellschaft" (448-455) und damit zu "Überlegungen zur Zukunft" (6), die eigentlich schon begonnen hat.

Verantwortlich für die Bewältigung der Stoffülle sind insgesamt 16 Autoren, an ihrer Spitze wiederum der Herausgeber der ganzen Reihe, Erwin Gatz, mit 8 Beiträgen. Sie bürgen dafür, daß die schon zum Standard der Reihe zu zählende Qualität auch diesmal gehalten wird, inhaltlich wie auch äußerlich. Zu unterstreichen (weil heute nicht mehr selbstverständlich) ist wiederum die gute Lesbarkeit, woran auch das Schriftbild seinen Anteil hat.

Druckfehler sind selten, störend allerdings eine Reihe uneinsichtiger Sperrungen ganzer Zeilen. Einige Rätsel geben die Statistiken auf: S. 109 f. scheint (mindestens) eine Tabelle ganz ausgefallen zu sein. Mit den jetzt isoliert stehenden Angaben über die Verteilung der männlichen und weiblichen Genossenschaften (109) ist ein Vergleich, zu dem S. 110 aufgefordert wird, nicht möglich. Und S. 505 ff. differieren die Angaben für das Jahr 1970, die in zwei Übersichten erscheinen. z. T. nicht unerheblich, ohne daß eine Klärung erfolgt; im Text (500) begegnen sogar noch einmal andere Zahlen.