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Ausgabe:

November/2004

Spalte:

1176 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Koch, Klaus

Titel/Untertitel:

Die aramäische Rezeption der hebräischen Bibel. Studien zur Targumik und Apokalyptik. Gesammelte Aufsätze, Bd. 4.

Verlag:

Hrsg. v. M. Rösel, M. Krause u. U. Gleßmer. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2003. VIII, 246 S. 8. Kart. Euro 39,90. ISBN 3-7887-1893-5.

Rezensent:

Beate Ego

Der Band, der die Reihe der thematisch bestimmten Aufsatzsammlungen Klaus Kochs fortsetzt, versammelt elf Studien des Autors, die sich mit der Auslegung der hebräischen Bibel in der Targumliteratur beschäftigen. Zwei der Beiträge sind bislang unveröffentlicht, die anderen Arbeiten entstanden vorwiegend in den 90er Jahren. Der Band enthält aber auch grundlegende Arbeiten des Vf.s aus den 60er und 70er Jahren. In verschiedenen Nachträgen wird darüber hinaus auf zwischenzeitlich erschienene Literatur verwiesen oder Stellung zu neueren Arbeiten zu dem entsprechenden Thema bezogen.

Programmatisch vorangestellt werden zwei neu erarbeitete, bislang unveröffentlichte Studien. Dabei kann der erste Beitrag "Das Neue Testament und seine aramäische Bibel" (1-20) als allgemeine Einleitung zur Beschäftigung mit den aramäischen Targumim gelten, da hier sowohl eine knappe Charakterisierung der Quellen erfolgt als auch signifikante Parallelen zwischen theologischen Vorstellungen im Targum und im Neuen Testament aufgezeichnet werden. Der Vf. plädiert für ein frühes Entstehungsalter der Targumim bzw. targumischer Traditionen, so dass diese für eine traditionsgeschichtliche Erhellung neutestamentlicher Vorstellungen herangezogen werden können. Die folgende, bislang ebenfalls unveröffentlichte Arbeit "Die Gesetze des gestirnten Himmels als Manifestationen der Herrschaft Gottes über Raum und Zeit. Die Rezeption der Schöpfungsüberlieferung mittels internationaler Weisheit im astronomischen Henochbuch" (21-42) fällt, wie der Titel bereits deutlich macht, aus dem thematischen Rahmen. Freilich wirft der Artikel über die interessanten Ausführungen zur Henochliteratur hinaus ein wichtiges Licht auf die Bedeutung, die dem Aramäischen generell in frühjüdischer Zeit zukam.

Speziell die eschatologisch zentrierte Auslegung biblischer Stoffe steht im Zentrum der folgenden Beiträge: "Das Lamm Gottes, das Ägypten vernichtet. Ein Fragment aus Jannes und Jambres und sein geschichtlicher Hintergrund" (43-64; erstmals erschienen 1966); "Die drei Gerechtigkeiten. Die Umformung einer hebräischen Idee im aramäischen Denken nach dem Jesaja-Targum" (65-90; erstmals erschienen 1976); "Messias und Sündenvergebung in Jes 53 - Targum. Ein Beitrag zu der Praxis der aramäischen Bibelübersetzung" (91-121; erstmals erschienen 1972); "Offenbaren wird sich das Reich Gottes. Die Malkuta Jahwäs im Profeten-Targum" (122-131; erstmals erschienen 1978/9); "Das apokalyptische Lied der Profetin Hanna. 1Sam 2,1-10 im Targum" (132-157; erstmals erschienen 1993); "Das Hohe Lied unter kanonischer Perspektive. Beobachtungen zur Rezeptionsgeschichte anhand von Targum und Midrasch" (158-173; erstmals erschienen 1994). An ganz unterschiedlichen Textbeispielen vermag der Vf. zu zeigen, wie ein "zusammenhängendes eschatologisches Netz" über die Prophetenbücher (224), aber auch andere, nicht-eschatologische Schriften der hebräischen Bibel ausgebreitet wurde. Im letzten Teil des Bandes sind dann drei jüngere Studien zusammengestellt, die das Programm einer rezeptionsgeschichtlichen Exegese darlegen: "Neutestamentliche Profetenauslegung in vorchristlicher Zeit? Der Habakuk-Peschär aus Qumran" (174-188; erstmals erschienen 2000); "Der doppelte Ausgang des Alten Testaments in Judentum und Christentum" (189-220, erstmals erschienen 1991); "Rezeptionsgeschichte als notwendige Voraussetzung einer biblischen Theologie - oder: Protestantische Verlegenheit angesichts der Geschichtlichkeit des Kanons" (220- 235; erstmals erschienen 1991). Ein Stellenregister erschließt die einzelnen Beiträge.

Die Publikation der Beiträge ist zum einen deshalb zu begrüßen, weil damit nicht nur den z. T. manchmal etwas entlegen publizierten Einzelarbeiten zu mehr Bedeutung verholfen wird, sondern weil hier auch gleich drei wichtige Signale gesetzt werden: Gerade die Zusammenstellung des Materials macht deutlich, dass die zu Recht häufig konstatierte Apokalyptikfeindlichkeit des Judentums der rabbinischen Zeit nicht zu verab- solutieren ist. Neben dem apokalyptikfeindlichen rabbinischen Denken steht die Targumik als eine eigene Geistesströmung, die "der Apokalyptik vergleichbar als ein Sonderzweig jüdischen Geistes, der nicht von rabbinischer Schuldiskussion bestimmt war und wohl nicht auf rabbinische Schulweisheit abzielte", betrachtet werden kann (19). Des Weiteren ist auf die forschungsgeschichtliche Relevanz dieser Publikation zu verweisen, da die Einzelstudien die theologische Bedeutung der Targumforschung, die generell in Deutschland immer noch ein Schattendasein führt, deutlich werden lassen. Schließlich leistet der Band auch einen wichtigen Beitrag für die Hermeneutik des Alten Testaments insgesamt. Eine Biblische Theologie, die - der historisch-kritischen Auslegung verpflichtet - traditionsgeschichtliche Linien vom Alten zum Neuen Testament verfolgen will, wird ihrem Anliegen nur gerecht, wenn sie diese im Gesamtfeld der Auslegung der hebräischen Bibel - und damit auch der Targumliteratur - betrachtet. Weitere Arbeiten müssten versuchen, die Relation zwischen dem rabbinischen Denken im engeren Sinne und der geistesgeschichtlichen Strömung der Targumik sowohl in theologischer als auch in historischer und soziologischer Hinsicht noch deutlicher herauszuarbeiten. Klaus Kochs Arbeiten haben Grundlegendes dafür geleistet und inspirieren zu neuen Fragestellungen und Untersuchungen.