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Ausgabe:

November/2004

Spalte:

1172 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gantke, Wolfgang, Hoheisel, Karl, u. Wilhelm-Peter Schneemelcher [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religionswissenschaft im historischen Kontext. Beiträge zum 100. Geburtstag von Gustav Mensching.

Verlag:

Marburg: Diagonal-Verlag 2003. 245 S. 8 = Religionswissenschaftliche Reihe, 21. Kart. Euro 25,00. ISBN 3-927165-85-9.

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Der Band bietet ein gelungenes Beispiel dafür, wie zu einem 100. Geburtstag das Lebenswerk eines Wissenschaftlers so gewürdigt werden kann, dass sowohl der Kontext seiner Zeit als auch die andere Sicht der Gegenwart angemessen gewürdigt sind. Aus einer Ringvorlesung an der Universität Bonn ist eine Art Kompendium entstanden, in dem Ertrag und Anstöße Menschings für die Gegenwart facettenreich beleuchtet sind.

Die Eröffnung bildet ein Beitrag des Sohnes Günther Mensching über die Prägung seines Vaters durch philosophische Lehrer. Mehrere Kapitel befassen sich mit Menschings Methoden (Oliver Krüger zur Religionssoziologie), seinem Religionsbegriff (Heinz-Jürgen Loth) und seiner Religionstypologie (Karl Hoheisel), wobei insbesondere der Gegensatz von Volksreligion und Universalreligion intensiv untersucht wird (Ulrich Vollmer) und die stärkste Kritik an Menschings Darstellung der "Stammesreligionen" zu richten ist, für die Rüdiger Schott vorführt, dass Mensching anhand der zu seiner Zeit bereits publizierten Ergebnisse von Feldforschungen differenzierter hätte urteilen müssen.

Peter Parusel zeichnet einfühlsam den Weg Menschings durch die Zeit des Nationalsozialismus nach: den Zugzwang, auf einer befristeten Stelle im Ausland (Riga) zu sitzen; die Vorbelastung in den Augen der Nazis durch die kritische Auseinandersetzung mit Wilhelm Hauer; den Kompromiss, für die Möglichkeit der Rückkehr in die Partei einzutreten, und den Versuch, seine evangelische Kirche gegen Angriffe zu verteidigen - mit Argumenten freilich, die auf den Zeitgeist eingingen.

Wilhelm-Peter Schneemelcher beschreibt die Prägung des ordinierten evangelischen Pfarrers Mensching durch die liberale Theologie um Adolf von Harnack, sein lebenslanges Festhalten an dieser Position (u. a. als Mitbegründer des Deutschen Bundes für Freies Christentum 1948) und die Konfliktlage zur herrschenden dialektischen Theologie, die sich daraus ergab. Als Pendant dazu zeichnet Hans Waldenfels die Beziehungen zwischen Mensching und der katholischen Theologie nach, für die ein belastender Faktor war, dass Mensching 1937 aus dem Nachlass seines verstorbenen Lehrers Rudolf Otto ein anonymes Manuskript kritischer Katholiken herausgegeben hatte.

Abgerundet wird die Beschäftigung mit Mensching aus heutiger Sicht durch zwei Beiträge zu Toleranz und Wahrheit (Wolfgang Gantke) bzw. Mensching als Wegbereiter für das interreligiöse Gespräch (Haruko K. Okano).