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Ausgabe:

Oktober/2004

Spalte:

1107–1109

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grünwaldt, Klaus [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Konfession: Evangelisch-lutherisch. Die lutherischen Bekenntnisschriften für Laien erklärt.

Verlag:

Rheinbach: CMZ-Verlag; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2004. 187 S. m. Abb. 8. Kart. Euro 9,90. ISBN 3-87062-066-8 (CMZ-Verlag); 3-579-06405-3 (Gütersloher Verlagshaus).

Rezensent:

Annette Weidhas

"Die Betonung der eigenen Konfession ist nichts rückwärts Gewandtes, sondern die Beheimatung in einer weltweiten Familie- also etwas, was trägt und worauf man durchaus stolz sein kann." (13) Unter dieser Maßgabe des Herausgebers Klaus Grünwaldt, Referent für theologische Grundsatzfragen bei der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), will das Buch anhand der Hauptartikel des christlichen Glaubens zeigen, welche Antworten speziell das lutherische Bekenntnis auf Fragen des kirchlichen Alltags bereithält. Es richtet sich dabei vor allem an Kirchvorsteher und -vorsteherinnen sowie an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter.

Der Band beginnt nach einem Geleitwort von Bischof Hans Christian Knuth sowie dem Vorwort des Herausgebers mit einem Teil "A. Grundlagen", in dem Klaus Grünwaldt Bibel und Bekenntnis aufeinander bezieht und Athina Lexutt eine kurze historische Einführung zu den lutherischen Bekenntnisschriften gibt. Darauf folgen der Hauptteil "B. Theologie", der aus acht Beiträgen zu zentralen theologischen Topoi besteht, und Teil "C. Kirchliche Praxis" mit drei Aufsätzen: Der Beitrag von Elke Axmacher ist mit "Bekenntnis und Kirchenlied" überschrieben. Neben allgemeinen Erläuterungen zu diesem für die lutherische Tradition wichtigen Thema finden sich Detailbeobachtungen zu einzelnen bekannten Liedern. Kerstin Clasen schreibt über das "Weiterwirken der lutherischen Theologie in der Malerei" und Michael Meyer-Blanck widmet sich der "Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften im Gottesdienst". Sein Ansatz ist: "Kirchesein heißt Gottesdienst feiern", und das Prinzip des lutherischen Gottesdienstes ist die Tatsache, dass das Wort die Kirche macht, nicht etwa umgekehrt. Demzufolge ist auch die Einheit der Kirche "nicht abhängig von der Ordnung, sondern von der richtigen Predigt und Feier der Sakramente" (159). In dem nur sechs Seiten umfassenden Teil "D. Anwendung", erzählt Susanne Breit-Keßler, warum sie gern Lutheranerin ist. Das Buch endet mit einem Anhang, der aus einem Autorenverzeichnis und vier Registern - zu Bekenntnisschriften, Bibelstellen, Namen und Sachen - besteht.

Die Gliederungsteile sind quantitativ betrachtet sehr ungleichgewichtig. Das muss nicht unbedingt als Schaden angesehen werden, inhaltlich wäre es jedoch durchaus möglich gewesen, den Beitrag von Meyer-Blanck in den Grundlagenteil zu nehmen, gerade wenn man den reformatorischen Ansatz ernst nimmt, dass die Kirche und damit auch die Theologie aus dem Gottesdienst kommt. Die Seiten von Breit-Keßler wären unter C. ebenso gut aufgehoben gewesen, zumal der Unterschied zwischen Praxis und Anwendung nicht sofort zu Tage tritt. So hätte man einen ausgeglicheneren dreiteiligen Band erhalten, dessen erster und dritter Teil jeweils wieder aus drei Beiträgen bestanden hätte.

Das Schwergewicht des Buches liegt klar auf Teil "B. Theologie": Ernstpeter Maurer bemüht sich um das Verständnis des dreieinigen Gottes, der uns in Jesus Christus als "Zusammenfassung des göttlichen Handelns in eine Gestalt, in ein Gesicht" entgegentritt und doch sowohl in seiner Einheit als auch in seiner Dreiheit Geheimnis bleibt. Gunda Schneider-Flume erläutert die spannungsvolle Beziehung von Sünde als anthropologischer Verfasstheit und Vergebung als Neuschöpfung, wie sie sich gerade im Symbol des Kreuzes zeigt, das durch die Liebe Gottes vom Ort der Lebenswidrigkeit zum Ort der Hoffnung wird. Der Bezug auf die Neuschöpfung wirkt ein wenig unvermittelt, was wohl daran liegt, dass das Thema Schöpfung im Buch nicht eigens thematisiert wird. Matthias Petzoldt arbeitet im Anschluss das Proprium des Christentums heraus: Der Mensch Jesus von Nazareth wird als der Christus, der Messias, der Retter der Welt, geglaubt. Nach einer Replik auf die Zwei-Naturen-Lehre kommt das reformatorische solus Christus in den Blick und abgeschlossen wird der Beitrag mit dem "Christusbekenntnis im Dialog der Religionen". Friederike Nüssel geht auf die Rechtfertigung als Schlüsselbegriff evangelischer Theologie ein und erläutert das Verhältnis von Rechtfertigung - im Sinne der Glaubensgerechtigkeit - und guten Werken. Dabei kommt das Problem der Willensfreiheit in den Blick. Erst durch die Zusage der Rechtfertigung erlangt der Mensch die Evangelische Freiheit, unter der seine Werke nicht mehr der Selbstrechtfertigung dienen, sondern ganz dem Liebesgebot Gottes entsprechen. Notger Slenczka widmet sich dem Thema Kirche, der Dialektik von sichtbarer und unsichtbarer Kirche und dem Priestertum aller Gläubigen, um von daher kommend zu fragen, warum es noch ein spezielles Amt geben muss. In der Antwort, die bei der Notwendigkeit der verantworteten Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung einsetzt, verweist er auf die Öffentlichkeitsfunktion von Kirche und auf ihren Missionsauftrag. Dorothea Wendebourg geht dann näher auf die - durch Christus eingesetzten - Sakramente ein, in denen sich die unauflösbare Verbindung von "äußerem und innerem Handeln Gottes" zeigt. Die äußeren Zeichen Wort und Sakrament kommen zum Ziel nur durch das Glauben schaffende Wirken des Heiligen Geistes. Ausgehend von Art. 16 des Augsburger Bekenntnisses mit seinen Aussagen zur Obrigkeit bezieht Wilfried Härle die lutherische Zwei-Reiche- bzw. Zwei-Regimenten-Lehre auf das moderne Verhältnis von Kirche und Staat. Dabei weicht er auch nicht der Frage nach dem Verständnis der Lehre vom gerechten Krieg aus und kommt letztlich zu dem Schluss, dass neben dem Einsatz von Gewalt durch Polizei und Strafvollzug auch diese äußerste Möglichkeit "in den Gesamthorizont der Regierweisen Gottes" gehört und Christen dazu aufgerufen sind, "der von Gott geschaffenen Welt die Treue zu halten", indem sie "verantwortlich und tatkräftig für sie eintreten und sich so der geistlichen und weltlichen Regierweise Gottes zur Verfügung stellen" (116). Am Ende des Hauptteils behandelt Johannes von Lüpke die letzten Dinge, speziell das nicht einfach zu harmonisierende Gegenüber von Gnade und Gericht, dem das Gegenüber von Gesetz und Evangelium entspricht. Auch er nimmt das Diktum der Rechtfertigung auf und sagt, dass das "Tor zum ewigen Leben" sich allein im Glauben öffnet, "der sich auf Gottes Zusage verlässt und sich ihm ganz anvertraut" (125). Abgeschlossen wird der Beitrag ganz in diesem Sinne mit Gedanken zum Vaterunser als "Schule der christlichen Hoffnung". Sonderbar dabei ist nur, dass das Wort Auferstehung nicht vorkommt.

Die theologischen Kapitel beginnen alle mit einer in Kursivdruck gesetzten (fiktiven) Geschichte aus dem kirchlichen Alltag bzw. einer anschaulichen Einführung. Die Bezugnahmen darauf im Verlauf der jeweiligen Beiträge sind unterschiedlich stark und unterschiedlich stringent. Doch insgesamt erscheint dieser Aufbau als sinnvoll. Überhaupt ist das Bemühen um Anschaulichkeit, zu der vor allem eine verständliche Sprache gehört, deutlich spürbar, auch wenn es nicht mit jedem Satz gelingt, "unter Vermeidung der vertrauten Theologensprache ... präzise Auskunft zu geben" (15). Die Beiträge von Nüssel und Härle werden dem vielleicht am besten gerecht, aber das mag Ansichtssache sein. In jedem Fall könnten alle Texte einer interessierten Gemeindegruppe als Diskussionsvorlage dienen, wie es dem Herausgeber vorschwebt. Nach Meinung der Rezensentin, die selbst Kirchvorsteherin ist, bedürfte es dazu allerdings einer kompetenten Gesprächsleitung. Ob man die Mitarbeiterschaft bis hin zum Küster und der Sekretärin (14) erreicht, lässt sich schwer sagen. Vielleicht hätte man die Beiträge im Vorhinein daraufhin testen sollen. Uneingeschränkt empfehlen kann man das Buch allen Studienanfängern der Theologie und Religionspädagogik. Ihnen müssten nach der Lektüre die zentralen Anliegen evangelischer und speziell lutherischer Theologie deutlich geworden sein.

Handwerklich gesehen ist der Band sehr ordentlich aufgemacht. Ob man jedoch durchgängig mattgestrichenes Bilderdruckpapier hätte verwenden müssen, das nur für den Beitrag von Clasen mit seinen farbigen Abbildungen wichtig ist, kann gefragt werden - es gibt dem Band eine Schwere, die das Gewicht der Beiträge eigentlich nicht nötig hat. Satz- und Tippfehler sind erfreulich selten, nur anfangs ist etwas durcheinander geraten. Manch ein Kirchvorsteher dürfte verwirrt reagieren, wenn er liest: "... die 66 Bücher des Alten und die 27 Bücher des Neuen Testaments ..." (20).