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Ausgabe:

Oktober/2004

Spalte:

1092 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Seeberg, Stefanie

Titel/Untertitel:

Die Illustrationen im Admonter Nonnenbrevier von 1180. Marienkrönung und Nonnenfrömmigkeit - Die Rolle der Brevierillustration in der Entwicklung von Bildthemen im 12. Jahrhundert.

Verlag:

Wiesbaden: Reichert 2002. XII, 233 S. u. 37 Taf. m. zahlr. Abb. gr.8 = Imagines Medii Aevi, 8. Lw. Euro 78,00. ISBN 3-89500-206-2.

Rezensent:

Anette Löffler

Das Thema der vorliegenden Dissertation von Stefanie Seeberg entwickelte sich aus ihrer Magisterarbeit über Marienkrönungen in der Wandmalerei des 13. Jh.s in Westfalen und am Niederrhein. Magisterarbeit und Dissertation wurden von der Münchner Kunsthistorikerin Ursula Nilger betreut, die sich seit Jahrzehnten mit der Bildkunst des hohen Mittelalters und seiner Buchmalerei beschäftigt.

Der Inhalt gliedert sich nach der Einleitung in vier thematische Hauptkapitel, welche sich mit dem benediktinischen Reformkloster Admont im 12. Jh. (Kap. 2), dem Brevier (Kap. 3) und dessen Illustrationen (Kap. 4) auseinander setzen. Das Kapitel 5 widmet sich der stilistischen Untersuchung. Nach einer abschließenden Zusammenfassung folgt ein üppiger Anhang. Neben dem obligatorischen Literaturverzeichnis besteht er aus einer Übersicht über die Initialen, einer nach Aufbewahrungsorten alphabetisch sortierten Liste der wichtigsten Vergleichshandschriften, dem Register sowie dem Abbildungsverzeichnis.

Die Hauptthese der Vfn. besteht in der Aussage, dass im Nonnenkloster Admont die Nonnen die von ihnen benutzten Handschriften selber illuminierten bzw. illustrierten, zumindest war dies beim vorliegenden Brevier (Ms 18) der Fall. Hauptstütze dieser Aussage ist das thematisch starke Abweichen der Illustrationsschemata von den in dieser Zeit üblichen Mustern.

Daneben gelingt es der Vfn. jedoch, auch die Diskussionen zum Patrozinium des Nonnenkonventes nicht nur neu zu beleben, sondern gleichzeitig zu einem Ende zu bringen. Auf Grund von Hinweisen in den Martyrologien von Admont 184 und 567 lässt sich belegen, dass nicht, wie bisher in der Forschung größtenteils behauptet, Martin und Rupert die Patronen des Admonter Nonnenkonventes waren, sondern Martin und Maria. Dieses Faktum wird außerdem durch die Illustrierung im vorliegenden Brevier zu den entsprechenden liturgischen Festen und Festformularen eindeutig unterstrichen.

Das Interesse an Illuminationen und Illustrationen von liturgischen Handschriften ist, von einschlägigen handwerklichen Kenntnissen abgesehen, einerseits in Abhängigkeit vom Bildungsstand oder von dem intellektuellen Niveau der Nonnen zu sehen. Zum anderen treten Eigenheiten des liturgischen Lebens zu Tage, das seinerseits wiederum bestimmten Normen unterworfen war. Das Bildprogramm liturgischer Handschriften unterliegt zudem einem gewissen programmatischen Interesse der Auftraggeber, um den Inhalt der Festformulare zu verdeutlichen, wie dies im Admonter Brevier, einer Handschrift für den monastischen Chordienst, auch sehr gut fassbar wird. Darstellungen der sponsa Christi als modisch gekleidete Braut können sehr wohl auf das theologische Ziel einer spirituellen Hinwendung mit modernen Mitteln gedeutet werden. Dies ist nur ein Beispiel in diesem Codex.

Der Bildungsstand der Admonter Nonnen des 12. Jh.s war ungewöhnlich hoch. Auffällig ist in diesem Zusammenhang der geradezu innovative Charakter der Illuminationen im Nonnenbrevier gegenüber dem des konservativen Bildprogramm im Männerkonvent. Dies zeigt sich u. a. im Sanktorale bei den Darstellungen der Martyrien des Hl. Blasius sowie des Hl. Vincentius oder beim Traum des Hl. Martin. Eine Thematisierung dieser Problematik ist vor wenigen Jahren auch von Veronika Pirker-Aurenhammer bei der Gumbertusbibel herausgearbeitet worden mit einer Gegenüberstellung des Regensburger Lehrbildes und des Salzburger Ereignisbildes.

Ein zentrales Thema, wie es gerade für einen Nonnenkonvent typisch sein dürfte, lag in der Darstellung von Christus und seiner Braut. In der Tat griffen die Illuminatorinnen und Illuminatoren hier auf recht ungewöhnliche Motive zurück. Zwar sind hier auch in anderen Handschriften, z. B. in den Admonter Codices 255 und 530 oder im Grazer Codex 278, ähnliche Bildprogramme vorhanden, aber die Darstellung auf 164v trägt sehr weltliche Züge.

Die zentrale Stellung von Maria wird an mehreren Stellen des Admonter Nonnenbreviers hervorgehoben. Besonders Assumptio Mariae, die Auferstehung Mariens, bietet sich hier für einschlägige Interpretationen an. Sehr viele Darstellungen im Admonter Brevier zeigen Maria sowie weitere herausgehobene Frauenfiguren, z. B. die Königin von Saba bei Salomon oder die betende Sarah, in ausgesprochen modischer, der Zeit angepasster Kleidung, während die meisten Illuminationen dieses Zeitraumes keinerlei modische Akzente zulassen. Ungewöhnlich sind weiterhin die Abbildungen von Braut- und Paardarstellungen, die im Admonter Brevier eine ungewöhnliche Innigkeit und Zuneigung zum Ausdruck bringen. Die Begriffspaare Christus - Ecclesia und sponsus - sponsa, die enge Beziehungen zum St. Trudperter Hohelied zum Ausdruck bringen, werden somit auf sehr eigenwillige, aber nachvollziehbare Weise interpretiert. Diese Begriffspaare finden sich übrigens auf meisterhafte Weise interpretiert bei Hildegard Elisabeth Keller, die in ihrer jüngsten Monographie vor allem die schwer fassbare Zustandsbeschreibung zwischen Liebe und Heirat als Sinnbild für spirituell und weltlich zu erklären versteht.

Stilistische Parallelen der Initialgebung im Admonter Nonnenbrevier weisen schließlich auf den traditionellen Initialstil des im süddeutschen Raum verbreiteten Typus. Ob ein Wanderkünstler hier seinen Spuren hinterlassen hat, darf zumindest vermutet werden. Die Vfn. setzt dieser stilistischen Gruppe eine zweite, deutlich modernere gegenüber, deren Urheberinnen die Nonnen von Admont sein dürften.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Stilistik der Initialen und das Bildprogramm tatsächlich stark vom Üblichen abweichen. Die Wahrscheinlichkeit für die Schaffung eines theologisch adäquaten Programms durch die gebildeten Nonnen selber gewinnt dadurch sehr an Glaubwürdigkeit. Welche Aussagen sich weiterführend zum liturgischen Alltag und der Entwicklung im Spätmittelalter treffen lassen, muss auf der Grundlage der vorliegenden Arbeit und dem Vergleich weitere Hand- schriften erörtert werden.