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Ausgabe:

Oktober/2004

Spalte:

1062 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Solvang, Elna K.

Titel/Untertitel:

A Woman's Place is in the House. Royal Women of Judah and Their Involvement in the House of David.

Verlag:

London-New York: Sheffield Academic Press 2003. XIV, 196 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 349. Lw. £ 50,00. ISBN 0-8264-6213-8.

Rezensent:

Christl M. Maier

Die von Dennis T. Olson am Princeton Theological Seminary betreute Dissertation untersucht die Erzählungen über Frauen des judäischen Königshauses, insbesondere über Michal, Batseba und Atalja. Leitfrage ist dabei, ob und auf welche Weise diese Frauen als Teil des Hauses David und damit als Repräsentantinnen der Monarchie dargestellt werden (12). Methodisch orientiert sich die Studie an der feministischen Kulturanthropologie, die soziale Gruppen im Blick auf ihre Organisationsformen und ihr Geschlechterverhältnis hin untersucht. Teil I entwickelt anhand von Briefen, Annalen, Verträgen und Listen aus Königshäusern des Alten Orients und der Diskussion um Palast- und Haremsstrukturen ein Analysemodell zur Funktionalität der Monarchie und zur Rolle von Frauen (16-70). Teil 2 untersucht mit Hilfe der Erzähltextanalyse der Literaturwissenschaftlerin Mieke Bal die Samuel- und Königebücher synchron im Blick auf Rollen und Funktionen von Frauen im Königshaus (72- 176).

In Teil I wertet S. inschriftliche und wenige ikonographische Quellen zu den Königshäusern von Ebla, Mari, Hatti, Amarna, Ugarit und Assur anhand der bekannten Editionen und einschlägige Sekundärliteratur aus. Ziel ist, die Rollen und Autorität von Frauen innerhalb des patriarchalisch strukturierten Königshauses sichtbar zu machen, und zwar im Blick auf fünf Aspekte: 1. Der Zugang von Frauen zu politischen Funktionen und Ämtern wird meist über Heiratsbeziehungen zwischen den Königshäusern geregelt und von ihrer Stellung zum jeweiligen Herrscher beeinflusst; 2. die Stellung einzelner Frauen in der Ökonomie des Palastes schließt häufig die Verwaltung der eigenen Mitgift, aber auch von Ländereien und der Produktion von Textilien sowie landwirtschaftlichen Gütern ein; 3. der Dienst für die Monarchie wird meist durch politische Beratung und Diplomatie ausgeübt; 4. die Stellung im Kult ist analog derjenigen der männlichen Mitglieder derselben Hierarchiestufe gekennzeichnet durch Repräsentationspflichten bei Opfern und Tempelausstattung; 5. die Stellung innerhalb der Dynastie hängt mehr von den persönlichen Interessen und Aktivitäten als von einer offiziellen Funktion ab, zumal diese selbst für die herausgehobene Position der Mutter des Königs nicht festgelegt ist. Die meisten altorientalischen Königshäuser erweisen sich als dynamisch und familiär organisiert, was die aktive Beteiligung von Frauen und eine relationale Loyalität unter ihren Mitgliedern voraussetzt. S. kann auch zeigen, dass das bisher als Analogie bevorzugte Bild des königlichen Harems als eines Frauen ein- und zugleich von politischer Macht ausschließenden Bereichs im Wesentlichen der Phantasie europäischer Forscher über Harems im ottomanischen Reich entstammt und anachronistisch auf die altorientalischen Texte angewendet wurde. Trotz einer wahrscheinlichen räumlichen Trennung der Geschlechter innerhalb der Wohnbereiche der Paläste erweisen die Quellen, dass Frauen auf allen Ebenen der hierarchischen Ordnung des Königshauses präsent waren und keineswegs nur über ihre (sexuelle) Beziehung zum Herrscher definiert wurden. In vielen Fällen waren Frauen sogar maßgeblich an der Sicherung der Dynastie gerade auch beim Thronwechsel beteiligt. Ohne die vielfältigen und aus verschiedenen Zeiten stammenden Quellen einzuebnen, erarbeitet S. einen Vorstellungshintergrund für die Analyse der biblischen Texte.

Im 2. Teil wird zunächst der uneinheitliche Titelgebrauch für Frauen des Königshauses in 1-2Kön untersucht, der ihre Position in Relation zum König beschreibt. Dabei weisen S. zufolge die deuteronomistischen Königsnotizen sowie der in Erzählungen gebrauchte Titel gebîrâ auf eine einflussreiche politische Funktion der Mutter des Königs hin, ohne dass deren Aufgaben näher bestimmt werden können. Michal, die Königstochter, kommt unter einer neuen Perspektive in den Blick, nämlich als aktiv auf ein davidisches Königshaus hinwirkend. Davids Abkehr von Saul und Michal wie auch seine Beziehung zu Abigail aber zeigen, dass er ein Emporkömmling ist, der destruktiv handelt und die Regeln friedlicher Heiratsbeziehungen missachtet. Anstatt sein Königshaus zu sichern, gefährdet er es fortwährend, was ihn als Tempelerbauer disqualifiziert. Als einzige Legitimation verbleibt ihm die göttliche Erwählung und Verheißung einer Dynastie (2Sam 7). Davids Verhalten gegenüber Batseba wird nach S. vom Erzähler sogar als Rebellion gegen Gott gebrandmarkt (136) und evoziert weiteres Unheil für sein Haus und seine Herrschaft. Batsebas Aufstieg zur Mutter des Königs offenbart ein Netz von Beziehungen und differenzierter Macht innerhalb des Königshauses, an dem Frauen expliziten Anteil haben. Die Episode von Ataljas Königsherrschaft erzählt nach S. den Verlust und die Wiedererrichtung der davidischen Linie. Da die Könige Joram und Ahasja durch ihre Hinwendung zu anderen Gottheiten die Nathansweissagung gefährden, bedarf es der Protektion des einzigen überlebenden Davididen durch die Priester und einer erneuten Verpflichtung Joaschs auf den Davidsbund (2Kön 11,12). Die beiden Frauen Atalja und Joscheba agieren dabei als mächtige Gegenspielerinnen im Königshaus. Sowohl in den Erzählungen als auch in den deuteronomistischen Königsnotizen ist somit die Geschichte der judäischen Monarchie ohne die aktive Beteiligung von Frauen in unterschiedlichen Positionen nicht denkbar.

Die Zweideutigkeit des Buchtitels ist mit Bedacht gewählt, will die Studie doch das Vorurteil entkräften, der Ort der Frauen im Haus bedeute deren politische Ohnmacht: Gerade als Repräsentantinnen des Königshauses haben Frauen Anteil an dessen struktureller Macht. Die Studie überzeugt durch die methodisch geleitete Durchsicht der altorientalischen Quellen, die Handlungsmöglichkeiten und Einfluss der Frauen am Königshof aufzeigt und den Blick schärft für die Beurteilung der biblischen Texte. Letztere werden detailreich und in Auseinandersetzung mit englischer wie deutscher exegetischer Literatur analysiert.

Die Studie schließt mit einer ausführlichen Bibliographie sowie einem Bibelstellen- und Autorenregister.