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Ausgabe:

Juni/1998

Spalte:

605 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Barton, Peter F.

Titel/Untertitel:

Geschichte des Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa. II: Im Karolingerreich 788-911. Von den Avarenkriegen zum Ungarnsturm.

Verlag:

Wien: Böhlau 1997. 400 S. gr.8 = Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte. 3. Reihe, Bd. 3/2. Kart. öS 686,-. ISBN 3-205-98720-9.

Rezensent:

Gert Haendler

Die Bände 1 und 2 (1992) waren in ThLZ 119, 1994, 999-1001, Band 3/1 (1995) in ThLZ 121, 1996, 946 f. besprochen worden. Für den neuen Band 3/2 wird der Titel verändert. Dazu sagt B. im Vorwort: "Die Geschichte des Christentums in der Karolingerzeit im ,österreichischen Raum’ zeigt eine neue (und doch wieder alte) Dimension auf, die bereits durch die Änderung des Obertitels - durch die nun wieder mögliche Ersetzung des Begriffs ,Südmitteleuropa’ angedeutet wird. In der Zeit der Alten Kirche orientierten sich Kirche wie Christen im ,österreichischen Raum nicht nur an dem Westen, sondern - mindestens ebenso stark - an dem Osten. Nach den Stürmen der ,migratio gentium’ war die Kirche in dieser Region, auch wenn es Ansätze der Südostmission gab, doch primär auf den churraetisch-alemannischen und bayrischen Raum beschränkt. Nach dem ,Anschluߒ des churraetischen ,Kirchenstaates’, nach der Zerschlagung des alemannischen Herzogtums und der gewaltsamen Integration des königgleichen Bayrischen Herzogtums 788 änderte sich das gründlich" (6).

Der Begriff "Österreich" bleibt freilich auch für die Karolingerzeit recht unbestimmt, es geht immer noch um die "Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung" (6). B. möchte Österreich entgegen dem üblichen Anfang mit der "Ostarrichi-Urkunde" von 996 schon ein Jahrhundert früher "mit der 799/ 802 erfolgenden Zweiteilung des Gebietes des Präfekten Gerold I. beginnen lassen. Gerold I. gebot noch über Bayern, Pannonien, Karantanien" (94). Nach seinem Tod 799 gab es neben Bayern mit dem ,Vorort’ Regensburg noch ein besonderes "Ostland", die spätere "Mark bzw. plaga orientalis, wohl mit dem ,Vorort’ Lorch". Dem Präfekten dieses Ostlandes unterstanden "auch die duces der Karantanen, Slaven und Avaren, die sich selbst teilweise als gentile ,Könige’ verstehen mochten" (94). Die Quellen sind freilich karg, die Ostlandpräfekten haben nur kurz amtiert.

Die vielen speziellen Untersuchungen zum Raum Österreich stehen immer im Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte. Dabei gibt B. bemerkenswerte Urteile über die damaligen Kaiser: "In allem und jedem hat Karl (weit stärker als später Joseph II.) die Kirche dirigiert" (38). Solcher Vergleich kann wohl nur von einem Österreicher kommen; er ist anregend. Bei Ludwig d. Fr. sieht B. mitunter eine "Neigung zum ,Aussitzen’ statt zum Lösen anstehender Probleme" (164). Er nennt dazu keinen anderen Namen. Der Wechsel zwischen der allgemeinen Geschichte des Karolingerreiches und den speziellen Problemen im Südosten wird dem Leser deutlich gemacht mit Überschriften am oberen Rand der Seite. So kann der an lokalen Problemen interessierte Leser rasch zu seinen Spezialfragen kommen, der dafür weniger engagierte Leser aber kann sich mehr den allgemeinen Zusammenhängen widmen.

Der Rahmen der Darstellung ist weit gesteckt. Häufig kommen Päpste in Rom vor; das Register weist dazu 17 enge Zeilen aus (377). Der Angelsachse Alkuin wird mehrfach genannt; sein Einfluß auf die Bildung im Frankenreich, auf den Bibeltext und auf einen friedlichen Verlauf der Mission im Südosten wird eindrucksvoll beschrieben. Die wenig bekannte Epoche der Kirche in Spanien unter der Herrschaft der Araber mit dem Martyrium des Eulogius kommt in den Blick (251). Die Wikinger werden genannt (106 f.), auch Ansgar und die Anfänge einer Mission in Skandinavien (177 f.; 234 f.). Breiten Raum nimmt der Abschnitt ein "Das Alltagsleben" (109-163).

Theologische Probleme werden ausführlich erörtert. Die Beschlüsse über die Bilderverehrung in der Ostkirche 787 werden dargelegt, die Unterscheidung zwischen der Anbetung Gottes (latreia) und der Verehrung der Heiligenbilder (proskynesis) wird erklärt gerade auch im Hinblick auf die Schwierigkeiten, diese Unterscheidung in der lateinischen Sprache zutreffend auszudrücken. Dabei erinnert B. in einer Fußnote an eigene Übersetzungsprobleme, als ihm "für eine amerikanische Publikation bei der Übersetzng für den Grundbegriff ,evangelisch’ ausschließlich die Alternative zwischen ,protestant’ und ,evangelical’ gewährt wurde - eine Übersetzungsvariante noch verkürzender als die andere" (64, Anm. 2).

Besonders ergiebig ist die Arbeit natürlich bei jenen Personen, Ereignissen und Landschaften, die einerseits für die Karolingerzeit von Bedeutung sind und andererseits geographisch in die Nähe des heutigen Österreich gehören. Das betrifft etwa das Kloster Reichenau mit Walafrid Strabo und Wetti, das gilt für die Bischöfe von Salzburg, Freising und Regensburg, das trifft auch für Landschaften zu wie Karantanien und Pannonien, aber auch für das altkirchliche Sirmium. Zahlreiche Abbildungen und Karten verdeutlichen die beschriebenen Vorgänge. Man möchte dem mittlerweile emeritierten Autor gute Kräfte wünschen für eine Weiterführung seiner breit angelegten Darstellung.