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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

989–1007

Kategorie:

Literatur- und Forschungsberichte

Autor/Hrsg.:

Kraus, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Hebräische Wahrheit und Griechische Übersetzung

Überlegungen zum Übersetzungsprojekt Septuaginta-deutsch (LXX.D)

Der katholische Dogmatiker Josef Wohlmuth hat in Aufnahme von Überlegungen des jüdischen Philosophen Emmanuel Lévinas eine, manchen auf den ersten Blick vielleicht verblüffende, theologisch und geistesgeschichtlich interessante These vertreten: Europa wurde in Alexandrien geboren.1 Europa - das seien "die Bibel und die Griechen", beide gehörten zusammen.2 Wohlmuth setzt dies - wiederum im Anschluss an Lévinas - ausdrücklich in Beziehung zur Entstehung der Septuaginta. Sie entstand, noch bevor das Christentum in die griechisch-römische Welt vorstieß. Europa sei "in Ägypten geboren worden" und die Übersetzung der Septuaginta sei "an der Wiege Europas geschehen".3 Das Hebräische als Sprache der Tora sei die "Muttersprache" des Monotheismus.4 Das Griechische dagegen sei "die Sprache des Universalen".5 Insofern ist die Übersetzung ins Griechische auch für die Hebräische Bibel selbst nicht ohne Belang: "Für die Tora ist es ein notwendiger Erweis des Geistes, offen zu stehen für Verstehen und Verstehbarkeit für einen nicht vorhergesehenen Geist. Es gehört zur heiligen Geschichte, dass sie auch griechisch erzählt werden kann, wenn aber griechisch, dann - so Lévinas - in jeder anderen Sprache."6

Das Hebräische und das Griechische bleiben unterschieden. "Das Hebräische zu übersetzen heißt, die Unbedingtheit des göttlichen Gebotes zur Sprache zu bringen."7 Dies wirkt sich - mutatis mutandis - auf das Griechische aus: "Dadurch wird das Griechische verändert; es nimmt in sich auf, was es von sich aus nicht aufzunehmen vermag, sagt mehr als es sagen kann. Die Bibel bringt einen Exzess ins Griechische, die Spur des Unendlichen, die durch Übersetzung ins Griechische einwandert. Seitdem durchzieht das Griechische eine Wunde, für die es niemals eine Heilung gibt."8 Es sind der Universalismus Griechenlands und die Unbedingtheit des Gottes, dessen Offenbarung hebräisch erging, die hier zusammenkommen. "Biblisches und griechisches Erbe Europas gehören engstens zusammen, wobei nicht nur zwei Ströme zufällig zusammenfließen. Europa wächst zusammen, wo die Weisheit des Theoretischen und des Biblischen konvergiert."9

I. Vorfragen

Es ist gut, sich gerade im Jahr 2004 des größeren Zusammenhanges bewusst zu werden, innerhalb dessen ein Übersetzungsprojekt steht - auch wenn zuzugeben ist, dass am Beginn des Projektes LXX.D weniger europäisch-philosophische Überlegungen als vielmehr nüchterne Notwendigkeiten standen, wie sie sich aus der Erforschung des hellenistischen Judentums und der Bedeutung der Septuaginta für das Verständnis des Neuen Testaments ergeben.10

Ohne Übertreibung wird man sagen dürfen, dass die LXX trotz ihrer Bedeutung, die sie für die Biblische Theologie, die Altphilologie, die Judaistik, die Altertumskunde, die Geschichte der Alten Kirche und die antike Religionsgeschichte haben könnte, nicht die Rolle spielt, die ihr eigentlich zukommen müsste. Das hat verschiedene Ursachen. Seit mehr als einem Jahrhundert blüht die wissenschaftliche Arbeit an der LXX.11 Sie spielt sich jedoch manchmal in einem Bereich ab, zu dem nur Eingeweihte Zugang finden. Nach Folker Siegert befindet sich die LXX-Forschung derzeit in einem Zustand, "wo vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr zu sehen ist. Die Septuagintaforschung ist ein Riesenunternehmen, fast so groß wie die Bibelwissenschaft selbst; und mitreden kann nur, wer auch die Einzelheiten kennt. Das verurteilt die einen zum Schweigen und die anderen zum Abtauchen in mikroskopische Spezialitäten. Für viele Fragen, die mehr als ein biblisches Buch auf einmal betreffen, sucht man in der Spezialliteratur immer noch vergeblich auf Antwort."12 Siegert führt diese Situation vor allem auf das Fehlen einer "Analyse der in die Übersetzung investierten geistigen Arbeit" zurück.13 Eine der Ursachen liegt sicher auch in der lange Zeit nicht vorhandenen Übersetzung in eine moderne Sprache.

Der Versuch, diese Situation aufzubrechen, hat Vorläufer: erstmals 1844 und dann 1851 als Biglotte inklusive Apokryphen wurde die bekannte, im 20. Jh. mehrfach nachgedruckte, englische Übersetzung von Sir Lancelot C. L. Brenton publiziert.14 Danach ruhte das übersetzerische Engagement bis ins späte 20. Jh. Eine erste Forschergruppe bildete sich in Frankreich um Marguerite Harl; ihr Übersetzungsprojekt brachte seit Erscheinen der Genesis 1986 zwölf Bände hervor.15 In zahlreichen anderen Sprachenkreisen (Italien, Spanien, Israel, Griechenland, international englischsprachig usw.) entstanden in jüngerer Zeit weitere Übersetzungsunternehmen. Zu ihnen gehört das seit 1999 laufende deutsche Projekt Septuaginta-deutsch (LXX.D).16

Eine Übersetzung der Septuaginta sieht sich - noch bevor sie begonnen hat - verschiedenen Anfragen ausgesetzt. Ich nenne einige immer wieder zu hörende Einwände und versuche sie zu beurteilen. Brennpunkte der Diskussion sind die Bereiche: die LXX als Übersetzung, LXX und Kanonfrage, LXX und christlich-jüdischer Dialog.

"Eine moderne Übersetzung führt vom Ausgangstext weg und verhindert die notwendige intensive Beschäftigung mit dem Urtext." Dieser Einwand wäre nur dann stichhaltig, wenn die Beschäftigung mit der LXX wirklich auf breiter Front geschähe. Dies ist nicht der Fall. Zum wissenschaftlichen Studium und zu der Forschung in der Theologie gehört die Kenntnis des Griechischen und Hebräischen unabdingbar dazu. Immer weniger Studierende kommen jedoch aus einem Humanistischen Gymnasium und bringen Sprachkenntnisse bereits ins Studium mit. Das ist bedauerlich. Aber es ist nicht ausreichend, über das Nachlassen der Kenntnis der alten Sprachen zu lamentieren, es müssen konkrete Abhilfen geschaffen werden, die - ausgehend vom Faktischen - Verbesserungen zu erreichen suchen. Insofern kann eine Übersetzung der LXX einen ersten Impuls darstellen, sich überhaupt mit ihr zu beschäftigen. Wer dann angefangen hat, sich damit zu beschäftigen, wird nach Kurzem feststellen, dass er ohne den griechischen Urtext nicht auskommt. Er wird deshalb anhand der deutschen Übersetzung an den Urtext herangeführt. Insofern verhindert eine Übersetzung gerade nicht die intensive Beschäftigung mit dem Urtext, sondern bahnt sie an.17

"Die LXX ist ein Übersetzungstext. Man sollte, statt die Übersetzung einer Übersetzung anzufertigen, lieber den Übersetzungscharakter ernst nehmen und das Original lesen."18 Wie z. B. Günter Stemberger anhand von Beispielen - die sich unschwer vermehren ließen - zeigen konnte, hat die LXX auch dort, "wo sie dicht dem hebräischen Wortlaut folgt, immer auch interpretiert, also Übersetzung als Umsetzung in einen neuen Kulturkreis und einen gewandelten Bewusstseinsstand" betrieben.19 Die Aussage, dass es sich bei der LXX nur um eine Übersetzung handle, ist demnach unrichtig. Die Frage, inwieweit die LXX ein eigenständiges literarisches Werk darstellt oder vor allem in ihrer Abhängigkeit von der hebräischen Vorlage zu betrachten ist, stellt ein höchst umstrittenes wissenschaftliches Problem dar.20 Allein die umfangmäßigen Unterschiede zwischen hebräischer Vorlage und griechischer Übersetzung bei einigen LXX-Büchern machen jedoch deutlich, dass eine 1:1-Übersetzung nicht vorliegt und eine Lektüre des vermeintlichen Originals nicht ausreicht.

"Das LXX-Griechisch ist im Vergleich zum Klassischen Griechisch nur als barbarisch zu bezeichnen. Man sollte sich lieber mit klassischen Texten beschäftigen." Es lässt sich nicht leugnen: Bei der LXX handelt es sich um einen griechischen Text, "den die klassische Philologie weitgehend ignoriert"21 - jedenfalls bis vor kurzem (LXX.D beteiligt Altphilologen).22 Das mag mit dem in der Tat häufig gegen klassische Regeln verstoßenden Griechisch der LXX zu tun haben. Die modernen Forscher stehen hierbei in einer nicht unbedeutenden Tradition: Auch für gebildete Griechen in der Antike galt sie nicht als Literatur und war "stilistisch zu plump, ... um gelesen zu werden".23 Um semitisierendes Griechisch sachgemäß zu verstehen, sind zudem hebräische Sprachkenntnisse erforderlich. Die weitgehende Ignoranz hat ihre Ursachen wohl auch in den Personen, die der Geschichte der Altphilologie ihren Stempel aufgedrückt haben, mit ihren von LXX-Forschung weit entfernten Forschungsschwerpunkten. Es liegt aber auch daran, dass die LXX als eigenständiges literarisches Corpus nicht in den Blick trat, sondern wesentlich als eine Übersetzung - also als etwas Sekundäres - galt, die ihrerseits schon in der Antike verschiedenen Rezensionen unterzogen wurde. Dass es sich bei der LXX um die größte Übersetzungsleistung der Antike überhaupt handelt24 und sie darum schon unter diesem Gesichtspunkt höchste Aufmerksamkeit verdient, trat dabei ungebührlich in den Hintergrund.

"Die Reformatoren haben bewusst auf den hebräischen Bibeltext und den hebräischen Kanon zurückgegriffen und die LXX zurückgestellt. Man sollte diese Entscheidung nicht rückgängig machen wollen." Die Entscheidung der Reformatoren, den hebräischen Text zur Grundlage der Übersetzung zu machen, ist literatur- und kanongeschichtlich nicht unproblematisch, eine so überragende Leistung sie philologisch und theologiegeschichtlich auch darstellt. Die Reformatoren vollzogen sie zu Recht nur mit einem gewissen Zögern,25 und die Entscheidungen über den Schriftbestand auf dem Konzil von Trient gingen andere Wege. In Luthers erster Vollbibelausgabe von 1534 gehörten namentlich die Spätschriften des Alten Testaments als eigener Teil Apokryphen noch hinzu, so dass - wenn auch abgestuft - der gemeinsame Schriftbestand mit den orthodoxen Kirchen gewahrt blieb, die sich maßgeblich (und bis heute) auf die Septuaginta stützen.26 Die Erläuterung Luthers auf dem Deckblatt der so bezeichneten Bücher: "Apocrypha. Das sind Bücher: so nicht der heiligen Schrift gleich gehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind" war vielen Bibellesern lange Zeit geläufig. Inzwischen muss man jedoch feststellen: "Das Bewußtsein der Zugehörigkeit der Apokryphen zur christlichen Bibel ist [...] im Protestantismus weitgehend geschwunden".27 Dabei stellt sich die Frage nach dem griechischen Text aller Schriften des Alten Testaments seit alters (nur zu wenig bemerkt) in der christlichen Ökumene mit der Orthodoxie, teilweise auch mit Rom (der liturgische Psalter ist wesentlich durch die Septuaginta bestimmt). Die Frage nach den besonderen griechischen Nuancen und Spätschriften des Alten Testaments stellt sich nicht nur unabweisbar im ökumenischen Horizont, sondern auch im Blick auf die Fragen um eine Biblische Theologie28 - und zwar im Horizont einer Israel einschließenden Biblischen Theologie, da die Übersetzung im Judentum ihren Ursprung hat.29

Man sollte an dieser Stelle nicht das Diktum von der hebraica veritas zum Schlagwort machen.30 Ursprünglich hatte die Wendung, bei der man sich meist auf den Brief des Hieronymus an Pammachius (395/6)31 bezieht, ihren Sinn hinsichtlich der Frage nach einem philologisch zuverlässigen Bibeltext und beinhaltete - zunächst - kein Sachurteil über die LXX, wonach sie nur minderer Qualität sei.32 Erst in einem weiteren Schritt wurde der ursprünglich philologisch benutzte Begriff auf die Kanonfrage ausgeweitet.33 Um 400 n. Chr. standen sich in der Kanonfrage zwei Ansichten gegenüber: "die des Athanasius und des Hieronymus (und anderer) auf der einen, kritischen Seite, die des Augustin und der unter seinem Einfluß stehenden Synoden von Hippo (393) und Karthago (397) auf der anderen Seite, die praktisch alle in der Septuaginta enthaltenen Schriften als kanonisch ansah, insofern also an der älteren kirchlichen Tradition festhielt."34 Erst durch die Mitüberlieferung der kritischen Bemerkungen der Prologe des Hieronymus in der Vulgata bekamen diese eine größere Bekanntheit.

Die Entscheidung Luthers für den hebräischen Kanon ist einerseits veranlasst durch inhaltlich sachkritische Argumente, andererseits durch konkrete zeitgeschichtliche Auseinandersetzungen (etwa mit Johann Eck und Andreas Karlstadt). Luthers Argumente ergeben jedoch keine in sich konsistente Linie. Seine Ausscheidung der Apokryphen aus dem Kanon hat Nikolaus Walter daher zu Recht als "halbherzig" und "in sich nicht widerspruchsfrei" bezeichnet.35 Luther scheint "in diesem Punkt mit sich selbst nicht ins reine gekommen" zu sein.36 Walter hat weiterhin Recht, wenn er urteilt, dass Luther - ähnlich wie beim Neuen Testament, wo er die aus theologischen Gründen inkriminierten Schriften Hebr, Jak, Jud und Apk zwar nicht durchnummerierte, aber auch nicht als Apokryphen absetzte - "besser getan hätte, wenn er auf die auch äußerlich so deutlich sichtbare Abgrenzung der Apokryphen verzichtet hätte".37 Ökumenische Fragestellungen und das Problem einer Biblischen Theologie zwingen heute dazu, der Septuaginta erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.

"Die LXX bringt in das zwischen Christen und Juden endlich in Gang gekommene Gespräch nur zusätzliche Probleme. Basis sollte die Hebräische Bibel sein und bleiben." Die LXX spielt im christlich-jüdischen Dialog bislang in der Tat kaum eine Rolle; sie wird an einigen Stellen eher als hinderlich - weil von der hebraica veritas wegführend - empfunden. Die Sachlage ist jedoch komplex. Einerseits ist die Bedeutung des Alten Testaments im weiten Umfang der frühjüdischen Schriften als integraler Bestandteil der christlichen Bibel in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s u. a. auf Grund von Anstößen, die aus dem christlich-jüdischen Dialog kamen, erneut ins Blickfeld getreten. "Indem die Kirche diesen Teil des gesamtbiblischen Kanons, der in der Anfangszeit der Kirche auch für sie die einzige schon fixierte Heilige Schrift darstellte, als Teil des nun um das Neue Testament erweiterten Kanons beibehält, hält sie an ihrer (geschichtlich-heilsgeschichtlichen) Herkünftigkeit von Israel fest, die ihr auch mit dem Juden Jesus aus Nazaret als dem Christus eingestiftet ist und bleibt. Das Alte Testament bleibt also für die christliche Kirche das eine ihrer beiden Testamente, das sie nur um den Preis ihrer Identität aufgeben könnte."38 Zeiten, in denen die christliche Identität in dieser Hinsicht in Gefahr stand und um den Wert des Alten Testaments gekämpft werden musste, gehören forschungsgeschichtlich der Vergangenheit an.39

Andererseits kann von vornherein nur bei oberflächlicher Betrachtung die Meinung aufkommen, die Septuaginta erschwere das Gespräch zwischen Juden und Christen. Die Septuaginta ist kein ursprünglich christliches, sondern ein jüdisches Werk. Mit gutem Grund entstanden wichtige LXX-Forschungsakzente der letzten Jahrzehnte unter jüdischer Beteiligung.40

Immerhin war die Septuaginta im Judentum einst hoch geschätzt. Philon von Alexandrien berichtet für das 1. Jh. n. Chr. von einem Freudenfest auf der Insel Pharos zum Tag der Vollendung der LXX (Philon, Mos. II.41 f.). In einer Baraita, die der Talmudtraktat Megilla überliefert, wird die Entstehung der Septuaginta als göttliches Werk gepriesen (bMeg 9a). In anderen rabbinischen Texten hat sich das gewandelt. Der Freudentag wird als Trauertag verstanden (in der so genannten Fastenrolle Megillat Ta'anit 13), vergleichbar mit dem Tag, an dem das Goldene Kalb hergestellt wurde (so im talmudischen Traktat Sefer Tora 1,8).41 Diese negative Sicht auf die LXX stellt die Hauptlinie im traditionellen Judentum dar.42 Sie ist jedoch auch darin begründet, dass die Schrift in Form der Septuaginta von der Kirche allein beansprucht und dem Judentum damit bestritten wurde. Fällt dieser Grund dahin, und dafür sprechen im christlich-jüdischen Dialog die Anzeichen, dann könnte gerade das Gespräch über die Schrift durch Einbezug der Septuaginta als jüdischem Text neue Impulse bekommen.

Septuaginta-Forschung trennt insofern nicht vom Judentum, sondern erweitert den Horizont. Sie weckt das Interesse für die Frage, mit welchen Differenzen und unterschiedlichen Zugängen Christen und Juden die Hebräische Bibel lesen. Der doppelte Ausgang der Schrift ins Judentum über Mischna und Talmud, Maimonides und Schulchan Aruch, ins Christentum über das Neue Testament und die christliche Tradition43 gewinnt klarere Konturen.

Zu nennen ist noch eine zusätzliche Belastung des 20. Jh.s. Viele christliche Theologen verstanden "Septuaginta-Frömmigkeit" in der Frühphase der LXX-Forschung als Gegensatz zum jüdischen Charakter des hebräischen Alten Testaments. Sie sahen das hellenistische Judentum dem späteren Christentum näher stehend als das palästinische Judentum. Letzteres führte auch bei wichtigen jüdischen Gelehrten zu einer Abwertung des hellenistischen Judentums.44 Bei Georg Bertram, einem der bekanntesten Forscher zur LXX als eigenständiger Größe in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh.s, wird die ideologische Einfärbung durch neuere Untersuchungen besonders bewusst.45 Aber
auch diese Zeiten sind forschungsgeschichtlich überwunden. Wer meint, mit dem einfachen Zugriff auf die Hebräische Bibel würden sich die Probleme zwischen Christen und Juden verkleinern, nimmt die Komplexität der Beziehung beider zur Schrift nicht ernst genug.

Alles in allem sind die an ein Übersetzungsprojekt gestellten Anfragen also nicht einfach abzutun, machen jedoch die Notwendigkeit einer Übersetzung in eine moderne Sprache nur umso deutlicher.

II. Grundlagen - Problemstellungen

"Die Septuaginta gibt es nicht." Mit dieser Feststellung beginnen Karen Jobes und Moisés Silva das erste Kapitel ihrer "Invitation to the Septuagint".46 Es ist wichtig, sich dieses Faktum bewusst zu machen, denn abgesehen davon, dass der Begriff Septuaginta und die damit verbundene Entstehungslegende zunächst nur den Pentateuch betrafen und erst später auf das gesamte Schriftenkorpus bezogen wurden, macht es deutlich, dass es sich bei der Septuaginta a) um ein Ensemble von Übersetzungen unterschiedlicher Qualität aus unterschiedlichen Zeiten handelt47 und b) der Septuaginta-Kanon in der Antike niemals definitiv abgeschlossen wurde. Die zwischen dem 3. Jh. v.Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. entstandenen jüdischen Schriften wurden von der christlichen Kirche als heilige Schriften übernommen und weiter angereichert. Der heute weithin übliche Umfang der "Septuaginta wird durch die Handausgabe von Alfred Rahlfs von 1935 angegeben, und dabei gehören die Psalmen Salomos, die in wichtigen LXX-Handschriften nicht enthalten sind, und die Oden, eine Sammlung jüdischer und christlicher Texte, mit hinzu. Für jeden, der sich mit der LXX beschäftigt, ist es wichtig, sich diese Vielfalt, die bis zur Disparatheit gehen kann, vor Augen zu führen. Sie betrifft sowohl die unterschiedliche Übersetzungstechnik, wie sie in den einzelnen Büchern begegnet, als auch die zeitgeschichtlichen Umstände, die sich in einer Übersetzung niederschlagen, wie auch die textliche Grundlage der einzelnen Bücher. Die Frage, ob der Übersetzer der Jer-LXX angesichts seines um ein Achtel kürzeren Textes eine andere hebräische Vorlage verwendet hat, ist durchaus nicht entschieden. Die Mehrzahl der Forscher geht davon aus, dass der Jer-LXX ein gegenüber dem MT kürzerer, älterer Text vorgelegen hat. Gegenstimmen sind jedoch noch nicht verstummt.48 Ähnlich verhält es sich beim Buch Hiob, wo ebenfalls die Frage nach der hebräischen Vorlage umstritten ist. Möglicherweise muss mit beiden Möglichkeiten gerechnet werden: dem Vorliegen eines kürzeren (gegenüber dem MT älteren) hebräischen Textes, aber auch der kürzenden Zusammenfassung bestimmter Passagen durch den Übersetzer. Bei Jes-LXX scheint die Lage eindeutiger zu sein: Der Übersetzer ging - etwa im Vergleich zur Koh-LXX, wo wir es weitgehend mit dem Versuch einer strikten Wiedergabe der hebräischen Vorlage zu tun haben- relativ frei vor und brachte auch bewusste theologische Modifikationen in den Text ein.49 Klarheit kann in allen diesen Fällen nur die Einzeluntersuchung bringen. Dabei ist deutlich, dass die Frage nach dem ältest erreichbaren griechischen Text wie auch seiner potentiellen hebräischen Vorlage durch Handschriftenfunde in Qumran, Nahal Hever, Wadi Murabaat sowie in Masada und der Genisa in Kairo in eine neue Phase getreten ist50 und dass manche der vor mehreren Jahrzehnten erarbeiteten Editionskriterien für die Textrekonstruktion auf Grund von Entwicklungen in jüngerer Zeit neu diskutiert werden.51

Wir stehen mit diesen letzten Bemerkungen bei zentralen Problemen, mit denen sich die Septuaginta-Forschung beschäftigt: a) Wie ist das Verhältnis von Vorlage und Übersetzung sachgemäß zu bestimmen? b) Was lässt sich über die Absicht der ursprünglichen Übersetzer feststellen? c) Lassen sich Tendenzen namhaft machen, die für die Septuaginta als Ganze gelten?

Zu a) Dass eine Übersetzung nicht nur die Wiedergabe eines Ausdrucks in einer anderen Sprache darstellt, sondern immer auch Interpretation bedeutet, ist eine Binsenweisheit. Schon der Übersetzer des Sirachbuches war sich dessen bewusst. Im Prolog nennt er den Grund seines Bemühens: Auch Außenstehende sollen Teil haben an der Weisheit Israels. Gleichzeitig bittet er seine Leser um Nachsicht: "So seid ihr nun gebeten, euch mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit an die Lektüre zu begeben. Auch möget ihr Nachsicht üben, wo die - obzwar mit Sorgfalt vorgenommene - Übersetzung vielleicht in der Ausdrucksweise unzulänglich ist. Denn es ist nicht das Gleiche, ob man etwas im hebräischen Urtext liest oder ob es in eine andere Sprache übertragen wurde. Nicht nur dieses Buch, auch das Gesetz, die Propheten und die übrigen Schriften weisen keinen geringen Unterschied auf, wenn man sie in ihrer eigenen Sprache liest." (Sir Prol 15-26, Übersetzung Jerusalemer Bibel)

"Beim Übersetzen von einer Sprache zur anderen bleibt nichts identisch: Die Wortfelder decken sich nicht, die kulturellen Hintergründe sind anders usw."52 Eine Übersetzung kann und darf daher nicht einfach wörtlich sein. Eine freie Wiedergabe, die - gemäß heutiger Diktion der Übersetzungstheorie - nach dynamischen Äquivalenzen sucht, läuft andererseits Gefahr, den ursprünglichen Charakter zu verzerren. Auch wenn man sich - wie der Autor des Sirach-Prologes - der Probleme einer Übersetzung bewusst war, eine ausgeprägte Übersetzungstheorie gab es in der Antike nicht.53 Man kann aber damit rechnen, dass antike Übersetzer ihrer Übersetzung lexikographische Überlegungen vorausgehen ließen.54

Hinsichtlich des Charakters der LXX als Übersetzung stehen sich in der heutigen Forschung zwei grundsätzliche Positionen gegenüber. Ich exemplifiziere sie an Äußerungen von Mogens Müller und Robert Hanhart.

Mogens Müller geht von einer grundsätzlichen Pluriformität des Bibeltextes aus. Bis 70 n. Chr. sei der hebräische Bibeltext veränderlich gewesen, d. h. es gab nicht den, sondern "eine Vielzahl von Bibeltexten".55 Damit aber sind Diskrepanzen zwischen hebräischem und griechischem Text nicht mehr notwendig durch den Übersetzer verursacht, sondern können auf Grund einer anderen hebräischen Vorlage entstanden sein. Wenn aber auch die hebräische Texttradition zur Zeit, als die Septuaginta entstand, noch veränderlich war, dann "kann die griechische Übersetzung nicht länger als sekundär gegenüber dem hebräischen Original bezeichnet werden".56 Vielmehr muss die LXX dann als "eine Ausgabe der Heiligen Schrift, die von den griechischsprechenden Diasporajuden, die des Hebräischen unkundig waren, genutzt wurde," verstanden werden.57 Die Septuaginta ist damit mehr als "ein sekundärer Zeuge", wenn es um die jüdische Bibel geht,58 sie ist eine eigenständige Ausgabe derselben, und auch die antiken Quellen wie Aristeas, Philon und Josephus gehen nirgendwo davon aus, dass es sich bei der LXX um eine "unvollständige oder sekundäre Ausgabe" der Tora handle.59

Die gegenteilige Position hierzu vertritt etwa Robert Hanhart. Nach seiner Auffassung lag die Initiative zur Übersetzung der Septuaginta bei der jüdischen Gemeinde von Alexandria, insbesondere "in ihrem unaufgebbaren Verlangen, in einer Zeit fortschreitender Hellenisierung, des durch den Zwang der Verhältnisse gegebenen Verlustes der Sprache der Väter, durch die unverfälschte Bewahrung der Tradition Glaube, Bekenntnis und gottesdienstliche Handlung aufrecht zu erhalten. Der Beweis für diesen Ursprung der griechischen Thora liegt im Charakter des Übersetzungswerks, das jede hellenistische Neuinterpretation zu meiden sucht, sich gegenüber dem hebräischen Original treu verhält und so in der Tradition des hellenistischen Schrifttums als Fremdkörper erscheint."60 Hanhart kann der Entstehungslegende, wie sie im Aristeasbrief dargestellt ist, in theologisch-historischer Hinsicht folgenden Wahrheitsgehalt abgewinnen: Der Aristeasbrief ist "als Legende das historische Dokument für die Anerkennung der griechischen Übersetzung der Thora als Heiliger Schrift für den gottesdienstlichen Gebrauch in der durch den Zwang der Verhältnisse der Sprache der Väter verlustig gegangenen griechischsprechenden Judenschaft der hellenistischen Zeit. In dieser Funktion kommt der LXX, als Abbild des Urbildes, die gleiche Bedeutung zu wie dem hebräischen Original in der der Sprache der Väter noch mächtigen Judenschaft Palästinas: Offenbarungscharakter."61 Der Aristeasbrief formuliert dies in 302 durch sein Insistieren auf der durch gegenseitigen Vergleich entstandenen Übereinstimmung. "Das bedeutet: Der Offenbarungscharakter kommt der griechischen Thora nicht kraft ihrer Entstehung als Übersetzung zu; er kommt ihr zu kraft ihrer Übereinstimmung mit dem hebräischen Original."62 Belege für das "Theologumenon der primären Autorität des hebräischen Originals" sieht Hanhart in den in vor- und urchristlicher Zeit feststellbaren Versuchen, den griechischen Text dem hebräischen anzunähern.63

Die Positionen von Mogens Müller und Robert Hanhart stehen beim derzeitigen Stand der Forschung einander unvereinbar gegenüber. Nur weitere Studien zur Textgeschichte der Schrift können hier weiterführen (und möglicherweise wird es keine für alle Schriften gleichermaßen gültige Antwort geben können, sondern je nach Büchern und Kanonteilen differenzierte Lösungen).

Zu b) Die Frage nach dem Anlass der LXX-Übersetzung wird heftig diskutiert und eine allgemein akzeptierte Lösung gibt es auch an dieser Stelle derzeit nicht. Sicher wird man sagen können: Die Tatsache der Übersetzung ist ein indirekter Hinweis darauf, dass "eine Kenntnis des Hebräischen schon im 3. Jh. v.Chr. für die Juden in der Diaspora nicht mehr allgemein vorausgesetzt werden konnte."64 Aber damit ist das Problem erst gestellt: Wurde die LXX zu einem Ersatz für den hebräischen Text? Wurde die Übersetzung künftig an Stelle des Hebräischen im Gottesdienst gelesen?65

Die Antwort des Aristeasbriefes, wonach es sich bei der Übersetzung der LXX um eine offizielle, durch König Ptolemaios (II. Philadelphos) und seinen Bibliothekar Demetrius von Phaleron veranlasste Auftragsarbeit gehandelt hat, kann sicher nicht unbesehen als historisch angenommen werden, obwohl eine historische Betrachtung von außen durchaus Gründe für eine ptolemäisch-bibliothekarische Initiative finden kann.66 Wolfgang Orth sieht zwei Faktoren, die hier zusammenwirken konnten: "die königliche Patronage, der die gesamte Geisteskultur im Ptolemäerreich so viel verdankt, und der Einfluss der peripathetischen Schule".67 Demgegenüber rechnet Folker Siegert hinsichtlich der Anfänge der LXX mit zwei innerjüdischen, sich gegenseitig verstärkenden Tendenzen: "Am evidentesten ist das Interesse der Juden selbst, ihr Gesetz auch in griechischer Sprache lesen zu können; schließlich war die Weitergabe der Tora ein Gebot der Tora (Dtn 6,6). Daneben oder auch bald danach haben Juden der Diaspora die Übersetzung für ihre Synagogen nötig gehabt - sobald denn der Brauch aufkam, bei den Gebetszusammenkünften (das waren die Synagogengottesdienste ursprünglich) daraus vorzulesen. [...] Wahrscheinlich haben beide Dinge einander verstärkt, die Tora-Übersetzung den Synagogengottesdienst und der Synagogengottesdienst den Gebrauch der Tora-Übersetzung."68 Doch die Antwort, wonach die ursprüngliche LXX (d. h. der Pentateuch) übersetzt wurde, um im Gottesdienst benutzt zu werden, wird derzeit zunehmend in Zweifel gezogen. Nach Martin Rösel ist die Annahme, der LXX-Pentateuch sei für den gottesdienstlichen Gebrauch übersetzt worden, "nicht wirklich zu belegen".69 Ähnlich urteilt Natalio Fernández Marcos: "First of all, the Alexandrian Jewish sources as well as the rabbinic sources refer to the translation as a royal initiative and are silent on the motive of the liturgical or cultural needs of the Jewish community."70 Martin Rösel sieht den Anlass eher im "Interesse gebildeter Kreise des alexandrinischen Judentums [...], die heilige Schrift in der aktuell gesprochenen Sprache verfügbar zu haben", und zwar für Schulzwecke und im Bildungsbereich.71

Siegfried Kreuzer hat die Argumente erneut geprüft und kommt zum Ergebnis, dass die Entstehung der LXX im größeren Kontext ptolemäischer Kulturpolitik zu sehen ist.72 Die Erkenntnis, der Aristeasbrief sei pseudepigraph und enthalte chronologische Fehler, stellt in sich noch keine stichhaltige Bestreitung der Beteiligung des ptolemäischen Königshauses an der Entstehung der LXX dar. Eine Unterscheidung der im Aristeasbrief genannten älteren Informationen von ihren jüngeren Übermalungen ergebe, "dass trotz des Irrtums bei der Zuordnung des Bibliothekars Demetrius und trotz der weitreichenden Ausschmückung etwa der königlichen Interessen und Aufwendungen die bildungs- und kulturpolitische Situation mit ihrer von Museion und Bibliothek und den ersten Ptolemäern ausgehenden Strahlkraft und Sogwirkung zutreffend dargestellt ist."73 Diese Einsicht führt Kreuzer zu einer Neubewertung der Darstellung bei Aristeas: "Eben diese - durch die Bibliothek und den König geschaffene - bildungs- und kulturpolitische Situation war die Herausforderung - und damit indirekt gewissermaßen die Aufforderung - wohl nicht zur ersten Übersetzung der Heiligen Schriften, aber doch zu ihrer Überarbeitung und zur Veröffentlichung für nichtjüdisches Publikum."74 Was die erste Veranlassung der LXX angeht, so sieht Kreuzer sie in den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Juden in Alexandrien, wobei die Frage, "ob diese Bedürfnisse gottesdienstlich-liturgischer oder halachisch-rechtlicher Art waren oder aus einem Schul- und Studienbetrieb erwuchsen, ... wahrscheinlich nicht alternativ zu entscheiden [ist], sondern ... je nach biblischem Buch unterschiedlich akzentuiert [war]."75 Eine besondere Stellung kam dabei dem Buch Genesis zu, wie dies auch aus der Tatsache nachträglicher Bearbeitung hervorgeht: "Die Eigenständigkeit der Genesis erhält eine besondere Bedeutung auf Grund ihres Inhalts und Erzählbogens: Dieser umfasst einerseits Aussagen zur Entstehung der Welt und der Völker und führt andererseits bis hin zur - vom Pharao selbst vorgeschlagenen - Ansiedlung der Israeliten in Ägypten und zur Einsetzung eines Israeliten in das höchste Amt am Königshof. [...] Gerade die Genesis bot somit in besonderer Weise Inhalte, mit denen man von jüdischer Seite auf die bildungs- und kulturpolitische Herausforderung der frühen Ptolemäerzeit antworten konnte. So erscheint es wahrscheinlich, dass die Genesis jener Text war, dessen griechische Übersetzung bereits für innerjüdische Zwecke vorlag, mit dessen Überarbeitung und Publikation aber die jüdische Gemeinde auf die bildungs- und sozialpolitischen Herausforderungen der frühptolemäischen Zeit reagierte und mit dem sie sowohl den hohen Rang ihrer Traditionen dokumentieren wie auch ihre Präsenz und Bedeutung in Ägypten legitimieren konnte."76

Zu c) Ganz gleich, ob man mehr der Position von Mogens Müller oder der von Robert Hanhart zuneigt, man wird auf jeden Fall davon ausgehen können, dass es sich beim Großteil der in der LXX enthaltenen Schriften um die Übersetzung einer ursprünglich hebräischen Vorlage handelt. Und damit stellt sich die Frage nach theologischen Tendenzen in den einzelnen Schriften der Septuaginta und auch insgesamt gleichwohl auf der (redaktionellen) Ebene des vorliegenden Textes. Vergleiche mit vorhandenen hebräischen Handschriften und dem MT sind unentbehrlich, um solche Tendenzen schneller wahrzunehmen, zumal wenn man davon ausgehen kann, dass auch eine mögliche andere hebräische Vorlage der LXX innerhalb der Geschichte der Textüberlieferung steht und sich vom MT nicht restlos unterscheidet. Damit ist an dieser Stelle methodisch in zwei Richtungen zu fragen: Wo gibt es Differenzen zu MT bzw. Konvergenzen zu einem von MT unterschiedenen uns vorliegenden hebräischen Text? Lassen sich bei einzelnen Schriften oder Schriftengruppen der LXX sprachliche und theologische Akzente erkennen, die sich zu übergreifenden Tendenzen summieren?

Marguerite Harl hat die Ursachen für Differenzen zwischen LXX und MT kategorisiert.77 Folker Siegert hat davon ausgehend die Kategorien verfeinert und mit einer großen Zahl von Beispielen belegt.78 Es wird deutlich, dass sich sowohl auf der Ebene der Begriffe (Kultvokabular, Attribute Gottes etc.), der Ebene theologischer Vorstellungen (Israel und die Völker, Vermeidung von Anthropomorphismen für Gott, Eschatologisierung etc.), der Ebene historischer Bezüge (geographische Namen, militärische Ränge etc.), der Ebene der Syntax wie der Textgliederung und an vielen anderen Stellen - teilweise nur durch kleine, aber wirkungsvolle Veränderungen vorgenommen- übergreifende Akzente und Tendenzen der LXX-Übersetzer wahrnehmen lassen. Die Frage, ob es sich um bewusste oder unbewusste Modifikationen handelt, muss für jeden Einzelfall gesondert entschieden werden. Die Frage nach der LXX als einem eigenständigen literarischen Werk ist damit jedoch erneut gestellt.79

III. Konsequenzen

Welche editorischen Entscheidungen wurden nun im Projekt LXX.D im Blick auf die geschilderte Diskussionslage getroffen? Geplant ist ein zweibändiges Werk: ein Übersetzungs- und ein Begleitband etwa gleichen Umfangs. Das Projekt soll 2005 zum Abschluss kommen.80 Die Publikation erfolgt anschließend durch die Deutsche Bibelgesellschaft.

Die erste und grundlegende Aufgabe besteht darin, die jeweilige sprachliche Eigenart und zugleich die Vielfalt der in der Septuaginta enthaltenen Schriften auch in der Übersetzung in eine moderne Sprache zu bewahren. Damit sind für das deutsche Projekt - andere verfahren anders - zwei grundlegende Fragen, die zu Beginn diskutiert wurden, entschieden: a) Es wird nicht der Versuch unternommen, eine konkordante Übersetzung herzustellen, b) es wird nicht eine vorhandene deutsche Übersetzung als "Leitübersetzung" herangezogen. Der Herausgeberkreis hat sich zusammen mit den Bearbeitern und Bearbeiterinnen dafür entschieden, zwar Vorschläge zur Wiedergabe bestimmter Begriffe in eine Liste aufzunehmen, die allen zur Verfügung steht und an die sie sich - nach Möglichkeit - halten sollen. Aber es handelt sich um Vorschläge und nicht um eine Verpflichtung. Es soll damit vermieden werden, dass etwa - wenn es der Kontext nicht ausdrücklich erfordert - to glypton einmal mit Götzenbild, ein andermal mit Schnitzbild, ein drittes Mal mit geschnitztem Götzenbild übersetzt wird. Es soll durch eine solche Liste jedoch nicht der Sachverhalt verdunkelt werden, dass es im Laufe der Entstehungsgeschichte der Bücher der Septuaginta auch zu Bedeutungsverschiebungen gekommen ist. Dies darf nicht mit einer im Deutschen möglichst konkordanten Übersetzung rückgängig gemacht werden. Die Frage der Benutzung einer Leitübersetzung wurde ebenfalls auf Grund der Vielfalt der Septuagintaschriften breit diskutiert und abgelehnt. Man hätte - analog dem Vorgehen von NETS, wo die New Revised Standard Version (NRSV) als Leitübersetzung dient - etwa die neue Elberfelder Bibel, eine sehr genau am hebräischen Text orientierte moderne Übersetzung, dazu verwenden können. Doch hiermit wären ebenfalls die Unterschiedlichkeiten der Septuagintaschriften unzulässig eingeebnet worden und es wäre zudem der Eindruck unvermeidbar gewesen, dass es sich bei der LXX um ein durchgängig vom heutigen masoretischen Text (denn dieser ist die Basis heutiger Bibelübersetzungen) abhängiges Produkt handelt.81

Eine zweite wichtige Entscheidung betrifft die Textgrundlage einer Übersetzung ins Deutsche. Die historisch-kritische Textforschung machte zu einem begründeten Konsens, dass sich eine Übersetzung am ältest erreichbaren Text orientieren muss. Bei den Septuaginta-Schriften bedeutet dies (bis auf die christlichen Oden) eine Entscheidung für den vorchristlichen Textstand und für dessen Horizont in hebräischen Schriften und hebräischen Vorlagen (bei selbstverständlichen Differenzen unter den verschiedenen Büchern). Dem schlossen sich auch die orthodoxen Gesprächspartner an. Obwohl LXX.D nach Vorgesprächen mit der Kommission der Orthodoxen Kirchen in Deutschland hohes Gewicht bei orthodoxen Leserinnen und Lesern erhalten kann, werden diese Leserinnen und Leser deshalb gleichfalls die Basis des ältesten, nicht des christlich rezipierten Textes erhalten. Orthodoxe Fachberater markieren allerdings in einem Apparat die kirchliche Rezeption, wo sie zu neuen Textauffassungen führte. Die Septuaginta-Übersetzung bereichert sich dadurch. Der Obertext sucht das älteste Verständnis,82 ein Apparat gibt Signale auf die (für die Orthodoxie maßgebliche) Rezeption der Alten Kirche.

Hinzuzufügen ist: Aufgabe von LXX.D ist es nicht, einen eigenen kritischen Text zu erstellen. Sie benützt vielmehr, um Forschungsdoppelungen zu vermeiden, die bestmöglichen vorhandenen Ausgaben. Soweit publiziert, liegt deshalb die Göttinger Septuaginta-Ausgabe zu Grunde, andernfalls die Edition von A. Rahlfs, beim antiochenischen Text der Geschichtsbücher die Edition durch N. Fernández Marcos und J. R. Busto-Saiz.83 In Fällen, in denen Rahlfs und Göttinger Edition zwei Textrezensionen bieten, werden beide übersetzt, so für das Richterbuch (Vaticanus und Alexandrinus), Daniel (LXX und Theodotion) und Tobit (LXX1 und LXX2 nach der Göttinger Ausgabe). Bei Teilen der Bücher der Königtümer wird neben dem Rahlfs-Text die Antiochenische Texttradition nach der o. g. spanischen Edition herangezogen, nachdem die Frage nach dem zeitlichen Verhältnis der beiden Rezensionen noch intensiver Untersuchungen bedarf.

Indes darf nicht verschwiegen werden, dass der Editionsstand Probleme bereitet. Den höchsten Rang besitzt zweifellos die Göttinger Edition, die in ihrem Obertext den ältest erreichbaren jüdischen Text (bzw. bei den christlichen Partien der Oden den ältest erreichbaren christlichen Text) präsentiert und christliche Fortschreibungen in den Apparat verbannt.84 Wie schwierig ihr Unterfangen jedoch ist, macht ein Blick in die von John W. Wevers bearbeiteten Pentateuch-Bände im Vergleich mit den vom gleichen Verfasser stammenden Notes zu den jeweiligen Büchern deutlich.85 Hier erkennt man, dass die frühere Tendenz, Varianten, die sich durch hebräische Handschriften verifizieren lassen, für ursprünglicher zu halten und deshalb in den Obertext zu übernehmen, nicht immer gerechtfertigt ist. Wevers hat sich hier an verschiedenen Stellen selbst korrigiert.86 Hinsichtlich der in der Göttinger Edition noch fehlenden Schriften stellen Rahlfs und die spanische Edition zum antiochenischen Text der Geschichtsbücher Pionierarbeiten, doch keineswegs den Abschluss der Editionstätigkeit dar, weshalb eine gut geförderte Weiterarbeit des Göttinger Unternehmens dringend zu wünschen wäre.

LXX.D muss sich angesichts dessen darauf beschränken, den Bearbeiterinnen und Bearbeitern die Möglichkeit freizugeben, auf Grund eigener textkritischer Analysen sowohl gegen Rahlfs als auch gegen LXX-Gottingensis zu entscheiden. Das muss jedoch eigens begründet und erläutert werden. Zudem sind im Übersetzungsband sowohl Rahlfs' Varianten als auch die der Göttinger Edition anzuführen, um eine Benützbarkeit parallel zu diesen Ausgaben zu gewährleisten. Textkritische Auseinandersetzungen werden daher die Ausnahme bleiben.

Die Differenzen zwischen der Göttinger Ausgabe und der Handausgabe von Rahlfs werden notiert und in Fußnoten erläutert. Aus demselben Grund werden Differenzen zwischen dem heute im Gebrauch befindlichen masoretischen Text der Biblia Hebraica und dem griechischen Text in der Übersetzung durch Kursivierung gekennzeichnet. Dabei handelt es sich um einen unspezifischen Hinweis, der lediglich eine Differenz notiert, sie aber nicht näher qualifiziert. Ein solcher Hinweis entfällt bei Schriften, für die zwar ein (in Teilen erhaltener) hebräischer, aber kein MT existiert (so bei Sir; ganz verloren ging die hebräische Vorlage bei 1Makk und PsSal). Die Entscheidungen zur Angabe von Differenzen zwischen Rahlfs und LXX-Gottingensis bzw. zur Kursivierung bei Differenzen zum MT sind gewiss diskutierbar. Sie geben indes schon bei erster Lektüre (wie der orthodoxe Apparat) Hinweise, wo vertiefte Prüfungen sinn- und reizvoll sind.

Den Unterschieden innerhalb der LXX-Schriften hinsichtlich Abhängigkeit von bzw. Freiheit gegenüber der hebräischen Vorlage lässt sich in einer Übersetzung nur dadurch Rechnung tragen, dass der griechische Text zunächst als griechischer Text übersetzt wird.87 Helmut Utzschneider hat hierfür den Ausdruck "Auf Augenhöhe mit dem Text" geprägt.88 Das heißt nicht, dass Semitismen nicht als solche erkannt und übersetzt und gegebenenfalls in Fußnoten erläutert werden sollen. Es heißt aber, dass die Übersetzung auch ohne einen Vergleich mit dem Hebräischen lesbar sein muss, dass die Gliederung des Textes, die sich von der des MT (bzw. der angenommenen hebräischen Vorlage) unterscheiden kann, anhand der griechischen Textsignale erfolgt und dass Zwischenüberschriften auf Grund des griechischen Textes eingefügt werden.89

In den Fällen, in denen der griechische Text unübersetzbar erscheint, soll nicht versucht werden, dies durch elegantes Deutsch zu verdecken. Treue zum Text geht vor guter Lesbarkeit im Deutschen. Andererseits soll bei erkennbarem Sinn im Griechischen auch nicht durch eine zu enge (z. B. die fremde griechische Syntax u. Ä. nachahmende) deutsche Übersetzung der Eindruck erweckt werden, es handle sich um schwer verständliches oder inkorrektes Griechisch. Die Übersetzung soll sich, wo es gut möglich ist, an normaler deutscher Wortstellung orientieren. Fußnoten im Übersetzungsband können Übersetzungsalternativen bieten oder auf wörtliche Wiedergaben hinweisen. Das bedeutet, dass die Übersetzung im Obertext einen Ausgleich zwischen ausgangs- und zielsprachlicher Orientierung versucht, dass aber in Zweifelsfällen die ausgangssprachliche Orientierung den Vorzug bekommt bzw. dass sie zumindest in den Fußnoten des Übersetzungsbandes Berücksichtigung findet. Im Idealfall müsste die deutsche Übersetzung hinsichtlich des Grades ihrer Freiheit oder Wörtlichkeit sich nach dem Grad von Freiheit oder Wörtlichkeit richten, wie er im griechischen gegenüber dem hebräischen Text vorliegt; doch ist dies kaum erreichbar.90

Der Vergleich mit dem hebräischen Text (bzw. einer angenommenen hebräischen Vorlage) wird in jedem Fall erfolgen müssen, nicht nur um unklare griechische Sätze auf ihre mögliche hebräische Vorlage hin zu untersuchen, sondern auch um Bedeutungsnuancen bei im Allgemeinen klaren griechischen Ausdrücken zu erkennen. Der Vergleich mit der (teilweise nur zu vermutenden) hebräischen Vorlage wirkt sich besonders in den Fällen aus, in denen der Übersetzer einen vom MT abweichenden Text gehabt oder die Konsonanten anders gelesen hat.91

Eine Übersetzung der LXX bekommt ihre Bedeutung auch im Rahmen einer Biblischen Theologie. Allerdings ist dies in der Übersetzung nur höchst eingeschränkt vorzubereiten. Querverweise zu den einzelnen Abschnitten, die ermöglicht werden, weisen primär auf sprachliche Bezüge zwischen Texten hin, die die Übersetzer beeinflussten. Inhaltliche Korrespondenzen markieren sie lediglich im Ausnahmefall. Einige weitere Hinweise zur Rezeption und zu theologiegeschichtlich relevanten Entwicklungen finden - mit Freiräumen für die Gestaltung durch die Bearbeiterinnen und Bearbeiter - in den Erläuterungen des Begleitbandes ihren Ort.

Was die Zielgruppe angeht, so hat LXX.D verschiedene Adressaten im Blick. Vom Ursprung her handelt es sich um ein Hochschul-Projekt. Es sollte ein Hilfsmittel geschaffen werden, das Überblicke über die Septuaginta und den Zugang zum griechischen Urtext erleichtert, damit bei Studien der Septuaginta hilft (didaktisch im Studium, darüber hinaus aber auch in der Septuaginta-Forschung). Die Septuaginta ist jedoch für einen Leserkreis weit darüber hinaus von Interesse. Der Übersetzungsband wird deshalb so gestaltet, dass er auch für Interessierte ohne Altgriechisch- bzw. Hebräisch-Kenntnisse lesbar ist, d. h. für im deutschen Sprachbereich lebende orthodoxe Christen und für so genannte "interessierte Laien" aus allen Disziplinen.

Der Begleitband ist dagegen für Fachleute gedacht. Hier geht es um eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Sie klärt vor allem die Übersetzungsentscheidungen und Einleitungsfragen. Außerdem soll sie textgeschichtliche und inhaltliche Hinweise sowie Hinweise zur Rezeption der LXX in Judentum und Christentum enthalten. Wo die Bearbeiter ihre Schwerpunkte setzen, ist ihnen freigegeben. Ihre philologischen, exegetischen, historischen und wirkungsgeschichtlichen Erläuterungen sind besonders geeignet, der wissenschaftlichen Diskussion Anstöße zu vermitteln.

Der bisherige wissenschaftliche Ertrag schlägt sich in Veröffentlichungen nieder, in denen Tagungen des deutschen Projektes und zusammen mit anderen LXX-Projekten dokumentiert sind: H.-J. Fabry u. a. (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Griechischen Bibel [I], BWANT 153, Stuttgart u. a. 2001; S. Kreuzer/J. P. Lesch (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Griechischen Bibel II, BWANT 161, Stuttgart u. a. 2004; W. Kraus/G. Wooden (Hrsg.), The Septuagint in Ancient Judaism and Early Christianity (Arbeitstitel), erscheit 2004 bei Scholars Press/Atlanta, Brill/Leiden.

IV. Offene Fragen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine deutsche Übersetzung die sowohl für die Wissenschaft und die christliche Ökumene als auch für den christlich-jüdischen Dialog wichtige Aufgabe übernimmt, der Septuaginta zu der Bedeutung zu verhelfen, die ihr gebührt. Sie füllt eine klaffende Lücke in der Bibelübersetzung. Sie öffnet das Interesse der Öffentlichkeit in Kirche und Gesellschaft für die Breite des jüdischen Denkens um die Zeitenwende und regt auf diese Weise einen neuen Schritt im christlich-jüdischen Gespräch an. Sie schlägt eine Brücke für die christliche Ökumene und gibt den orthodoxen Christen in Deutschland eine Übersetzung ihrer Schrifttradition in die Hand. Sie eröffnet allen Interessierten (einschließlich Studierenden verschiedener Studiengänge) die Beschäftigung mit einem geistes- und theologiegeschichtlich grundlegenden Dokument europäischer Kultur. Schließlich und letztlich versucht sie, einen Forschungsimpuls in der Theologie und über die Theologie hinaus, namentlich in der Altertumswissenschaft, der Philosophie, der Religions- und Sprachwissenschaft, auszulösen.92

Insofern kann ein Übersetzungsprojekt ein Anfang sein, weitere Bereiche zu erschließen. Fragen der Textgeschichte, des historischen Umfeldes, in dem die LXX entstand, der hellenistischen Sprachgeschichte, der mit der LXX verbundenen Sozial- und Kulturgeschichte, der Rezeption im Judentum und frühen Christentum sind noch unzureichend erforscht und bedürfen weiterer Untersuchungen. Solches kann angesichts der Größe der Aufgabe nur in weltweiter Kooperation von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen geschehen. Dass Septuaginta-Forschung in der gegenwärtigen politischen Situation sogar einen aktuellen Nebeneffekt haben kann, nämlich zur Erforschung der Grundlagen Europas beizutragen, war ursprünglich nicht geplant, ist jedoch nicht unwillkommen.93

Fussnoten:

1) Joseph Wohlmuth, Sprache der Offenbarung - Übersetzung - Sprache des Glaubens, in: A. Gerhards (Hrsg.), Übersetzen. Bibel, Spiritualität und Glaubensästhetik, Ästhetik-Theologie-Liturgik 29, Münster 2004, 31-46: 37; Emmanuel Lévinas, Monotheismus und Sprache, in: Ders., Schwierige Freiheit. Versuch über das Judentum, Frankfurt a. M. 1992 (2. Aufl. 1996), 126-128; s. zum Aufsatz von E. Lévinas die weiterführende Interpretation durch Jean-Louis Chrétien, La traduction irréversible, in: J.-L. Marion (Éd.), Emmanuel Lévinas - Positivité et transcendance, Paris 2000, 309-328.

2) Lévinas referiert nach Wohlmuth, Sprache, 37.

3) Lévinas referiert nach Wohlmuth, Sprache, 37.

4) Wohlmuth, Sprache, 33.

5) Wohlmuth, Sprache, 37.

6) Wohlmuth, Sprache, 38.

7) Wohlmuth, Sprache, 38.

8) Wohlmuth, Sprache, 38, im Anschluss an J.-L. Chrétien.

9) Wohlmuth, Sprache, 38. Ich versage es mir, auf die weiteren interessanten Ausführungen von J. Wohlmuth einzugehen, und verweise empfehlend auf den Aufsatz.

10) Für mich stellte ein im SS 1991 in Erlangen gehaltenes Seminar zu diesem Bereich den Anstoß für den Plan einer Übersetzung der LXX dar. Gespräche mit Nikolaus Walter, Hermann Lichtenberger, Martin Hengel und Robert Hanhart führten zu ersten Klärungen. Die Deutsche Bibelgesellschaft signalisierte Bereitschaft, sich des Projektes anzunehmen. Etwa zeitgleich entstand in Wuppertal bei Martin Karrer und seinen Kollegen die Idee einer Septuaginta-Übersetzung. Ein gemeinsames Projekt wurde verabredet. Die ursprüngliche Vorstellung einer zweisprachigen annotierten Ausgabe, die als griechischen Text einen anderen als den von A. Rahlfs edierten geboten hätte (s. dazu unten), ließ sich jedoch auf Grund von Problemen mit dem Copyright nicht in die Tat umsetzen.

11) Die Konkordanz von Hatch-Redpath erschien erstmals in drei Bänden 1897.1897.1906. H. St. J. Thackeray, A Grammar of the Old Testament in Greek according to the Septuagint I, erschien Cambridge 1909, R. Helbing, Grammatik der Septuaginta. Laut- und Wortlehre, erschien Göttingen 1907. Für Einzelfragen bahnbrechend war Isaac L. Seeligmann, The Septuagint Version of Isaiah. A Discussion of Its Problems, Leiden 1948, nachdem Joseph Ziegler seine Untersuchungen zur Septuaginta des Buches Isaias bereits 1934 vorgelegt hatte.

12) Folker Siegert, Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament. Eine Einführung in die Septuaginta, Münsteraner Judaistische Studien, Münster 2001, 20. Zur Einführung gehört ein zweiter Band, der mehr enthält (nämlich ein Kapitel zur Rezeptionsgeschichte der LXX), als der Haupttitel erwarten lässt: Folker Siegert, Register zur Einführung in die Septuaginta, Münsteraner Judaistische Studien 13, Münster 2003 (vgl. die Rez. in ThLZ 128 [2003], 1035).

13) Siegert, a. a. O., 20.

14) L. C. L. Brenton, The Septuagint Version of the Old Testament According to the Vatican Text, London 1844. Ders., The Septuagint with Apocrypha: Greek and English, 1851 by Samuel Bagster & Sons, London, Reprint: Hendrickson Publishers 1986 (mit Folgeauflagen). Die Biglotte von Brenton orientierte sich textlich im Wesentlichen am Cod. Vaticanus. In einem Appendix werden einige Passagen aus dem Cod. Alexandrinus zusätzlich in Übersetzung geboten. Vom Aufbau her stimmt sie (im Unterschied zum Cod. Vaticanus) mit den protestantischen Bibelausgaben überein. Psalm 151 wird nicht extra gezählt. Die Apokryphen folgen als eigener Teil. Hierin enthalten sind neben den üblicherweise als Apokryphen bezeichneten Büchern auch das Gebet Manasses, das bei Rahlfs als Od 12 gezählt wird. Eine erste englische Übersetzung wurde von Charles Thomson bereits 1792 veröffentlicht: The Septuagint Bible. The Oldest Version of the O. T. in the Translation of Charles Thomson, (ed., revised and enlarged by C. A. Muses, Colorado 1954). Auch von dieser Übersetzung existiert eine zweite Ausgabe: The Holy Bible, Containing the Old and New Covenant, Commonly Called the Old and New Testament. Translated from Greek by Charles Thomson, Philadelphia, 1808.

15) Bislang sind zwölf Bände zu jeweils einzelnen biblischen Schriften

(-gruppen) erschienen, alle mit ausführlichen Erläuterungen zum griechischen Text, der hebräischen Vorlage, dem Inhalt und der Wirkungsgeschichte: "La Bible d'Alexandrie", éd. par Marguerite Harl et al., Paris 1986 ff. Eine einbändige, zweisprachige Ausgabe des Pentateuch samt Einleitung (und Glossar, in dem 20 wichtige Begriffe erläutert werden) erschien unter dem Titel: La Bible des Septante. Le Pentateuque d'Alexandrie, texte grec et traduction, éd. Cécile Dogniez et Marguerite Harl, Paris 2001. Textliche Grundlage ist hierbei die Edition von A. Rahlfs.

16) Zum englischsprachigen Projekt "A New English Translation of the Septuagint and Other Greek Translations Traditionally Included under That Title" (NETS) s. den Beitrag von Albert Pietersma in diesem Heft der ThLZ, Sp. 1008. Im Rahmen von NETS ist ein Band bereits erschienen: A New English Translation of the Septuagint: The Psalms, translated by Albert Pietersma, New York, Oxford 2000.

17) Vgl. dazu Helmut Utzschneider, Auf Augenhöhe mit dem Text. Überlegungen zum wissenschaftlichen Standort einer Übersetzung der Septuaginta ins Deutsche, in: H.-J. Fabry u. a. (Hrsg.), Im Brennpunkt:

Die Septuaginta. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Griechischen Bibel [I], BWANT 153, 2001, 11-50: 11 (vgl. die m. E. leider teilweise verzeichnende Rez. in ThLZ 129 [2004], 493).

18) Zum Problem der Übersetzung einer Übersetzung s. Anneli Aejmelaeus, Die Übersetzung einer Übersetzung: Vom Hebräischen über das Griechische in eine moderne Sprache, in: Siegfried Kreuzer/Jürgen Peter Lesch (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Griechischen Bibel II, BWANT 161, Stuttgart u. a. 2004, 133-150.

19) Günter Stemberger, Hermeneutik der Jüdischen Bibel, in: Ch. Dohmen/G. Stemberger, Hermeneutik der Jüdischen Bibel und des Alten Testaments, Studienbücher Theologie I.2, Stuttgart u. a. 1996, 23-132: 59.

20) Helmut Utzschneider, Augenhöhe, 14-19, hat diese Frage im Horizont der beiden Übersetzungsprojekte La Bible d'Alexandrie und A New English Translation of the Septuagint diskutiert. Er hat dabei die Position des französischen Projektes stark von einem frühen Aufsatz von M. Harl her dargestellt. Diese Position hat sich im Zuge der Übersetzungsarbeit, wie aus den konkreten Bänden, die zu La Bible d'Alexandrie erschienen sind, sichtbar wird, inzwischen gewandelt. Die grundsätzliche Frage bleibt jedoch bestehen.

21) So Siegert, Einführung, 1.

22) Zur Bedeutung, die die LXX für die Althistorie haben kann, s. Kai Brodersen, Die Bedeutung der Septuaginta für die Altertumswissenschaft, BiKi 56, 2001, 101-103.

23) Siegert, Einführung, 359, mit Bezug auf A. Momigliano, Hochkulturen im Hellenismus. Die Begegnung der Griechen mit Kelten, Römern, Juden und Persern, München 1979, 93-117.

24) Elias Bickermann sprach von "the most important translation ever made", E. Bickermann, The Jews in the Greek Age, Cambridge (MA) London, 1988, 101. Vgl. Wolfgang Orth, Ptolemaios II. und die Septuaginta-Übersetzung, in: Fabry u. a. (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta I, 97-114: 111.

25) Luther lag als LXX die Aldina (von 1518) vor. Details zum Verfahren Luthers bei der Anordnung und Aufnahme bzw. Nicht-Aufnahme von Büchern (etwa 3/4Esr und 3/4Makk) bei Klaus Dietrich Fricke, Die Apokryphen der Lutherbibel, in: S. Meurer (Hrsg.), Die Apokryphenfrage im ökumenischen Horizont, Bibel im Gespräch 3, Stuttgart 2. Aufl. 1993, 51-82, bes. 55 ff.; zu den besonderen Akzenten der reformierten Tradition s. Fricke, a. a. O., 61 ff. und Wilhelm H. Neuser, Die Reformierten und die Apokryphen des Alten Testaments, in: Meurer (Hrsg.), Apokryphenfrage, 83-103.

26) Zur Bedeutung der Apokryphen in der Orthodoxen Kirche s. Elias Oikonomos, Die Bedeutung der deuterokanonischen Schriften in der orthodoxen Kirche, in: Meurer (Hrsg.), Apokryphenfrage, 26-40. Es ist erwähnenswert, dass Oikonomos den unterschiedlichen Gebrauch dieser Schriften für eine ökumenische Verständigung nicht für ein Hindernis hält, denn sie können seines Erachtens "in der kirchlichen Praxis frei verwendet, aber nicht zur Grundlage dogmatischer Entscheidungen gemacht werden" (39).

27) Nikolaus Walter, Bücher: so nicht der heiligen Schrift gleich gehalten ...? Karlstadt, Luther - und die Folgen, in: Ders., Praeparatio Evangelica, WUNT 98, 1997, 341-369: 342. Zu den historischen und teilweise ökonomischen Ursachen des Fehlens der Apokryphen in vielen heutigen Bibelausgaben s. a. a. O., 341 ff. Die Einschätzung von N. Walter entspricht meinen eigenen Erfahrungen im Pfarramt und an der Universität: Im Bewusstsein der christlichen Gemeinden spielen die Spätschriften des Alten Testaments kaum eine Rolle. Die Frage nach den Apokryphen stellt sich allenfalls als Quizfrage im Konfirmandenunterricht. Während meines Theologiestudiums hatte ich Gelegenheit, bei hervorragenden Gelehrten das Alte Testament zu studieren: H. W. Wolff, C. Westermann, W. Zimmerli, L. Perlitt, G. Fohrer. In keiner Veranstaltung, die ich besuchte, spielte die LXX eine signifikante Rolle. Man wusste um ihre Existenz, sie wurde bei textkritischen Fragen ausführlich herangezogen, gravierende Differenzen zwischen LXX und MT wurden eventuell gestreift, aber die Devise lautete letztlich: hebraica veritas. Ich sage das nicht vorwurfsvoll, sondern lediglich konstatierend. Ich halte meine eigene Erfahrung nicht für singulär oder untypisch, vgl. Walter, a. a. O., 363 ff. Auf die theologisch problematischen Folgen dieser Haltung geht Walter, a. a. O., 363-369, ein. Die Situation beginnt sich indes zu wandeln.

28) Vgl. dazu Walter, a. a. O., 343 f., mit weiteren Literaturhinweisen, und meinen Versuch: Wolfgang Kraus, Das Heilige Land als Thema einer Biblischen Theologie, in: Ders./K.-W. Niebuhr (Hrsg.), Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie, WUNT 162, 251-274, bes. 270 ff.

29) Der Einbezug der LXX kann dem Fehlurteil gegensteuern, wonach einem abgeschlossenen Alten Testament ein andersartiges Neues Testament gegenüber stehe. Die dazwischen entstehende Lücke wird dann durch das so genannte Frühjudentum aufgefüllt. Die Erforschung des antiken Judentums sowie des Neuen Testaments erweist jedoch zunehmend, dass das Neue Testament wie auch die LXX gerade in diesen frühjüdischen Kontext hineingehören.

30) Diese Gefahr besteht - anders als bei dem zu Beginn zitierten E. Lévinas - in dem Beitrag von Heinzpeter Hempelmann, Veritas Hebraica als Grundlage christlicher Theologie, in: Klaus Haacker/Heinzpeter Hempelmann, Hebraica Veritas. Die hebräische Grundlage der biblischen Theologie als exegetische und systematische Aufgabe, TVG 352, Wuppertal u. a. 1989, 39-78, wenngleich ich die grundsätzliche Betonung des Hebräischen in der genannten Veröffentlichung teile. Hebraica veritas darf aus historischen Gründen jedenfalls nicht die Beschränkung auf den rabbinisch-masoretischen Kanon bedeuten.

31) Ep. 57, CSEL 54, 1910, 503-526. Der Begriff hebraica veritas begegnet nach Christoph Markschies, Hieronymus und die Hebraica Veritas. Ein Beitrag zur Archäologie des protestantischen Schriftverständnisses?, in: M. Hengel/A. M. Schwemer (Hrsg.), Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, WUNT 72, 1994, 131-181: 147 f., erstmals in einem Brief vom Ende des Jahres 393 (andere Datierung, nämlich ins Jahr 394, bei P. Nautin, Art. Hieromymus, TRE XV (1986), 304-315: 307), und zwar "im Sinne dessen, was wir Urtext nennen würden". Eine Analyse des Briefes 57 bei Markschies, Hieronymus, 155-159.

32) Dazu im Detail Walter, a. a. O., 347 ff. Vgl. Markschies, Hieronymus, 135.142.143.177, weiterhin Eva Schulz-Flügel, The Latin Old Testament Tradition, in: M. Sæbø (Hrsg.), Hebrew Bible/Old Testament I.1, 642-662: 657 ff.

33) Markschies, Hieronymus, 177, spricht von der dritten Phase, die er von 393/4 bis 420 ansetzt.

34) Walter, a. a. O., 349.

35) Walter, a. a. O., 362 f.

36) Walter, a. a. O., 363.

37) Walter, a. a. O., 363. Die Entscheidung des Tridentinum (1546), die Spätschriften des Alten Testaments (bis auf 3/4Esr und OrMan) als kanonisch anzusehen, muss weitgehend als Reaktion auf die reformatorische Entwicklung angesehen werden, diese Schriften nicht zum Kern des Kanons zu zählen.

38) Nikolaus Walter, Zum Problem einer Biblischen Theologie, in: Chr. Dohmen/Th. Söding (Hrsg.), Eine Bibel - zwei Testamente. Positionen Biblischer Theologie, UTB 1893, Paderborn u. a. 1995, 307-317, hier: 316 (im Original kursiv). Zur Geschichte der Bedeutung des Alten Testaments für die Kirche erscheint derzeit M. Sæbø (Hrsg.), Hebrew Bible/Old Testament, Göttingen 1996 ff.

39) Es soll genügen, hier an den Kampf um das Alte Testament in der Bekennenden Kirche zu erinnern. Dass es damals wesentlich um das christologisch verstandene Alte Testament ging, ist deutlich. Vgl. zum Kampf um das Alten Testament z. B. Cornelia Weber, Altes Testament und völkische Frage, FAT 28, Tübingen 2000 (vgl. die Rez. in ThLZ 126 [2001], 917).

40) Ich nenne beispielhaft das Projekt CATSS von Robert A. Kraft und Emanuel Tov: Computer Assisted Tools for Septuagint and Cognate Studies, BIOSCS 14, 1981, 22-40; dies., CATSS Vol 1: Ruth, SBLSCS 20, Atlanta 1986, den Versuch einer Kommentierung der LXX-Tora durch Moshe Zipor, Bar Ilan Universität, und Zippora Talshir, Universität Beersheba, und ihre Studien, z. B.: The alternative story of the division of the kingdom: 3 Kgdms 12:24a-z, Jerusalem Biblical Studies 6, Jerusalem 1993; Literary design - a criterion for originality? A case study: 3 Kgdms 12:24a-z; 1 K 11-14, in: Y. Goldmann/Chr. Uehlinger (Eds.), La double transmission du texte biblique. Études d'histoire du texte offertes en hommage à Adrian Schenker, OBO 179, 2001, 41-57.

41) Texte bei Bill., IV.1, 414.

42) Die rabbinischen Nachrichten über die Septuaginta sind zusammengestellt bei Karlheinz Müller, Die rabbinischen Nachrichten über die Entstehung der Septuaginta, in: Wort, Lied und Gottesspruch I: Beiträge zur Septuaginta, FS J. Ziegler, fzb 1, Würzburg 1972, 73-93, und Giuseppe Veltri, Eine Tora für den König Talmai. Untersuchungen zum Übersetzungsverständnis in der jüdisch-hellenistischen und der rabbinischen Literatur, TSAJ 41, Tübingen 1994, 2.14-18.240; eine Liste auch bei Harl/Dorival/Munnich (s. Anm. 46), 50.

43) Grundlegende Überlegungen dazu bei Horst-Dietrich Preuß, Das Alte Testament in christlicher Predigt, Stuttgart u. a. 1984, bes. 1; 2; 11, und bei Rolf Rendtorff, Theologie des Alten Testaments. Ein kanonischer Entwurf II, Neukirchen 2001, 301-312 (vgl. die Rez. in ThLZ 127 [2002], 1045).

44) S. z. B. Joseph Klausner, Von Jesus zu Paulus (hebr. 1939; dtsch. 1950), Königstein 1980, 25-62. Seine Darstellung gipfelt in dem Satz: "Paulus erbaute sein Christentum auf den Trümmern eines entwurzelten Diaspora-Judentums" (62).

45) Georg Bertram, Vom Wesen der Septuaginta-Frömmigkeit, Welt des Orients 2, 1954/59, 274-284; ders., Septuagintafrömmigkeit, RGG 3. Aufl., Bd. V (1961), 1707-1709. Zur Kritik s. Volker Lubinetzki, Von der Knechtsgestalt der Neuen Testaments. Beobachtungen zu seiner Verwendung und Auslegung in Deutschland vor dem sowie im Kontext des "Dritten Reichs", LIT Theologie 26, Münster 2000, 333-338 u. ö.

46) Karen H. Jobes/Moisés Silva, Invitation to the Septuagint, Grand Rapids 2000, 30. In den vergangenen Jahren sind neben Jobes/Silva mehrere Einführungen (und deren Übersetzungen) in die LXX erschienen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten und für unterschiedliche Zielgruppen: Marguerite Harl/Gilles Dorival/Olivier Munnich, La Bible grecque des Septante. Du judaïsme hellénistique au christianisme ancien, Paris (1988) 21994; Staffan Olofsson, The LXX-Version. A Guide to the Translation Technique of the Septuagint, CB.OT 30, Stockholm 1990; Mario Cimosa, Guida allo studio della Bibbia greca (LXX): storia, lingua, testi, Roma, 1995; Natalio Fernández Marcos, The Septuagint in Context. Introduction to the Greek Version of the Bible, Leiden 2000 (span. Introducción a las versiones griegas de la Biblia, Textos y estudios "Cardenal Cisneros" 23, Madrid 1998); und schließlich Folker Siegert, Einführung (s. o. Anm. 12).

47) Die Unterschiede zwischen Pentateuch, Jesaja und Proverbien etwa liegen offen zu Tage. Wie Martin Rösel, Übersetzung als Vollendung der Auslegung. Studien zur Genesis-Septuaginta, BZAW 223 (vgl. die Rez. in ThLZ 121 [1996], 544), bes. 257 ff., nachgewiesen hat, kann aber auch innerhalb des Pentateuch von keiner Einheitlichkeit ausgegangen werden, sondern es muss - zumindest für die Genesis-LXX - mit der Eigenständigkeit einzelner Bücher gerechnet werden.

48) Zur Problematik grundlegend H.-J. Stipp, Das masoretische und alexandrinische Sondergut des Jeremiabuches. Textgeschichtlicher Rang, Eigenarten, Triebkräfte, OBO 136, 1994, jedoch mit eindeutigem Votum für die Position, wonach der griechische Jeremiatext eine ältere Ausgabe des Buches repräsentiere. Anders z. B. Georg Fischer, Jeremia 52 - ein Schlüssel zum Jeremiabuch, Biblica 79, 1998, 333-359. Vgl. zur Sache auch H.-J. Stipp, Linguistic peculiarities of the Masoretic edition of the Book of Jeremiah: an updated index, JNSL 23/2, 181-202; Konrad Schmid, Buchgestalten des Jeremiabuches. Untersuchungen zur Redaktions- und Rezeptionsgeschichte von Jer 30-33 im Kontext des Buches, WMANT 72, 1996.

49) S. dazu etwa die Untersuchungen von Isaac Seeligmann, The Septuagint Version of Isaiah, 1948; Arie van der Kooij, Die alten Textzeugen des Jesajabuches, OBO 35, 1981; ders., Zur Theologie des Jesajabuches in der Septuaginta, in: H. Graf Reventlow (Hrsg.), Theologische Probleme der Septuaginta und der hellenistischen Hermeneutik, Gütersloh 1997, 9-25; David A. Baer, When We All Go Home. Translation and Theology in LXX Isaiah 56-66, Sheffield 2001.

50) Bei der Daniel-Ausgabe hat Papyrus 967 zu einer Neubearbeitung der Edition von J. Ziegler (1954) durch Olivier Munnich geführt: Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum, Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum XVI.2, Susanna, Daniel, Bel et Draco, Göttingen 1999.

51) Besonders zu nennen ist hier die Edition des so genannten antiochenischen bzw. lucianischen Textes: El Texto Antioqueno de la Biblia Griega 1-2 Samuel/1-2Reyes, ed. N. Fernández-Marcos/J. R. Busto-Saiz, Madrid 1989-1996 (eine deutsche Einführung in den antiochenischen Text der griechischen Bibel in den Samuel- und Königebüchern (1-4Kön LXX), jetzt in: S. Kreuzer/J. P. Lesch, Im Brennpunkt: Die Septuaginta II, 177-213.

52) Jacques Nieuviarts, Traduzione - Tradizione. Das Bibelübersetzen: Platzierung und Wagnis der Übersetzung, in: A. Gerhards (Hrsg.), Übersetzen. Bibel, Spiritualität und Glaubensästhetik, Ästhetik-Theologie-Liturgik 29, Münster 2004, 63-87: 77.

53) Die Forschung über antike Übersetzungsarbeiten hat seit einiger Zeit begonnen und zu wichtigen Beiträgen geführt; s. z. B. Hellmut Flashar, Formen der Aneignung griechischer Literatur durch die Übersetzung, arcadia 3, 1969, 133-156; Astrid Seele, Römische Übersetzer. Nöte, Freiheiten, Absichten: Verfahren des literarischen Übersetzens in der griechisch-römischen Antike, Darmstadt 1995; Jörn Albrecht, Literarische Übersetzung: Geschichte, Theorie, kulturelle Wirkung, Darmstadt 1998; vgl. auch F. Siegert, Einführung, 129 ff.

54) Hinsichtlich der LXX-Bücher hat M. Rösel, Übersetzung, 248 f., dies für die Genesis wahrscheinlich gemacht.

55) Mogens Müller, Die Septuaginta als die Bibel der neutestamentlichen Kirche, KuD 42, 1996, 65-78: 70; s. auch ders., The First Bible of the Church, JSOT.S 206, Sheffield 1996.

56) M. Müller, Septuaginta, 70.

57) Ebd.

58) Ebd.

59) A. a. O., 73. In ähnliche Richtung wie Mogens Müller argumentieren Martin Rösel und Kristin de Troyer: Martin Rösel, Die Septuaginta-Version des Josuabuches, in: H.-J. Fabry u. a. (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta I, 197-211; Kristin de Troyer, Rewriting the Sacred Text. What the Old Greek Texts Tell Us About the Literary Growth of the Bible, SBL Textcritical Studies 4, Atlanta 2003.

60) Robert Hanhart, Septuaginta, in: W. H. Schmidt/W. Thiel/R. Hanhart, Altes Testament. Grundkurs Theologie 1, ub 421, Stuttgart u. a. 1989, 176-196: 181. Hanharts einschlägige Arbeiten zur LXX sind gesammelt in: Ders., Studien zur Septuaginta und zum hellenistischen Judentum, hrsg. von R. G. Kratz, FAT 24, Tübingen 1999 (vgl. die Rez. in ThLZ 126 [2001], 261).

61) Hanhart, a. a. O., 182.

62) Ebd.; ähnlich ders., Textgeschichtliche Probleme der LXX von ihrer Entstehung bis Origenes, in: M. Hengel/A. M. Schwemer (Hrsg.), Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum, WUNT 72, 1994, 1-19: 5 f.

63) Hanhart, a. a. O., 187; ders. Textgeschichte, 6.

64) Helmut Köster, Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und der römischen Welt, Berlin-New York 1980, 263 f.

65) Davon geht H. Köster, a. a. O., 263, aus.

66) Wolfgang Orth, Ptolemaios II. und die Septuaginta-Übersetzung, in: Fabry u. a. (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta I, 97-114.

67) Orth, a. a. O., 105 ff.

68) Siegert, Einführung, 29.

69) Rösel, Übersetzung, 267.

70) Fernández Marcos, Septuagint, 63.

71) Rösel, Übersetzung, 258 f. Vgl. auch Arie van der Kooij, Perspectives on the Study of the Septuagint. Who are the Translators?, in: F. García Martinez/E. Noort (Eds.), Perspectives in the Study of the Old Testament and Early Judaism, FS A. S. van der Woude, VT.S 73, 1998, 214-229.

72) Siegfried Kreuzer, Entstehung und Publikation der Septuaginta im Horizont frühptolemäischer Bildungs- und Kulturpolitik, in: S. Kreuzer/J. P. Lesch (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta II, 61-75. Kreuzers Position stellt den Versuch einer Integration und Weiterführung der vor allem bei Rösel und Orth angestellten Überlegungen dar.

73) Kreuzer, Entstehung, 73.

74) Kreuzer, Entstehung, 73.

75) Kreuzer, Entstehung, 73. So gesehen stellen Kreuzers Überlegungen eine Weiterführung der Position von Rösel dar.

76) Kreuzer, Entstehung, 73 f.

77) Marguerite Harl, in: Harl/Dorival/Munnich, Septante, 201-222, bes. 203.

78) Siegert, Einführung, 121-340, Zusammenfassung der Kategorien 341 f. Es ist unmöglich, hier alle Vorarbeiten zu nennen, auf denen diese Beispiele basieren.

79) Man denke nur an Daniel: Weil es in der LXX eindeutige Tendenzen gab, führte das sehr früh, noch in der Formierungsphase der LXX-Bücher zur Nach-Übersetzung in Proto-Theodotion.

80) Derzeit sind an diesem Projekt neben den ca. 70 Übersetzern zwei Hauptherausgeber, zehn Mitherausgeber und diverse Fachberater für Judaistik, Altphilologie, Altertumswissenschaft und Übersetzungswissenschaft beteiligt. Ein hauptamtlicher Geschäftsführer koordiniert die Abläufe. Siehe im Detail: www.septuaginta-deutsch.de.

81) Die Frage, ob aus didaktischen Gründen Unterschiede zwischen LXX und MT angeben werden, liegt auf einer anderen Ebene, s. dazu unten.

82) So gut dies in Anbetracht der schwierigen LXX-Überlieferung möglich ist; da die Haupthandschriften im Christentum entstanden sind, ist auch im derzeit rekonstruierbaren ältesten Text mit einzelnen christlichen Weiterbildungen zu rechnen.

83) Zur Textausgabe s. Anm. 51.

84) La Bible d'Alexandrie nahm ihren Ausgangspunkt bei dem - ebenfalls kritischen, jedoch nicht auf vollständiger Kollation beruhenden - Text von A. Rahlfs, hat jedoch bereits mit Erscheinen des ersten Bandes stets die Göttinger Edition herangezogen: s. M. Harl, La Genèse. La Bible d'Alexandrie 1, Paris 1986, 22.

85) John W. Wevers, Genesis. Septuaginta: Vetus Testamentum Graecum 1. Göttingen 1974, im Vergleich mit ders., Notes on the Greek Text of Genesis, SBLSCS 35 Atlanta 1993; ders., Exodus. Septuaginta 2.1, Göttingen 1991, im Vergleich mit ders., Notes on the Greek Text of Exodus, SBLSCS 30, Atlanta 1990; ders., Leviticus. 2.2. Göttingen 1986, im Vergleich mit ders., Notes on the Greek Text of Leviticus, SBLSCS 44, Atlanta 1997; ders., Numeri. Septuaginta 3.1, Göttingen 1982, im Vergleich mit ders., Notes on the Greek Text of Numbers, SBLSCS 46, Atlanta 1998; ders./Udo Quast, Deuteronomium. Septuaginta 3.2, Göttingen 1977, im Vergleich mit ders., Notes on the Greek Text of Deuteronomy, SBLSCS 39, Atlanta 1995. Zur Position von John W. Wevers s. insgesamt: Ders., The Interpretative Character and Significance of the Septuagint Version, in: M. Sæbø (Hrsg.), Hebrew Bible/Old Testament I.1, Göttingen 1996, 84-107.

86) Die Frage bleibt, ob es sich bei diesem kritisch erarbeiteten Text wirklich um einen Text handelt, der in Gebrauch war. Die Möglichkeit, sich an einer konkreten Handschrift, etwa dem Codex Vaticanus, zu orientieren und - analog zu L. C. L. Brenton - ihn zu übersetzen, wäre ein durchaus reizvolles Unternehmen.

87) Nach Siegert, Einführung, 133 gilt: "Für alle Bücher der Septuaginta außer den allerspätesten lässt sich annehmen, dass sie ohne Hilfe des Hebräischen verständlich sein sollten."

88) S. seinen gleichnamigen Aufsatz in: Fabry u. a. (Hrsg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta I, 11-50; wobei anzumerken ist, dass Utzschneider diesem ersten Versuch noch den Rahlfs-Text zu Grunde gelegt hatte, was in der endgültigen Übersetzung geändert sein wird.

89) Helmut Utzschneider hat Beispiele aus Mi-LXX angeführt, wo diese Entscheidung Relevanz gewinnt, s. Utzschneider, Augenhöhe, 34-45. Selbstverständlich gilt auch die Kapitel- und Verszählung des griechischen Textes als Maßstab. Differenzen zu gängigen Bibelausgaben werden gegebenenfalls in Klammern gesetzt.

90) Zur unterschiedlichen Übersetzungstechnik innerhalb der Septuaginta s. die Bemerkungen bei Siegert, Einführung, 131-141.

91) Beispiele hierfür bei A. Aejmelaeus, Übersetzung, 140 ff.

92) Das Projekt LXX.D ist seit 2003 Mitglied in der International Organisation for Septuagint and Cognate Studies (IOSCS) und wird hauptverantwortlich herausgegeben von Wolfgang Kraus, Universität des Saarlandes, und Martin Karrer, Kirchliche Hochschule Wuppertal. Hauptsponsor des Projektes ist die Evangelische Kirche im Rheinland. Daneben haben sich vor allem die Deutsche Bibelgesellschaft und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern engagiert. Zur Koordination der Arbeit wurde 1999 eine Septuaginta-Arbeitsstelle am Institut für Evangelische Theologie in Koblenz gegründet.

93) Für Hinweise bei der Abfassung dieses Artikels danke ich den Kollegen Martin Karrer, Martin Rösel, Heinz-Josef Fabry und meinem Assistenten Georg Gäbel.