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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

982–984

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Bottigheimer, Ruth B.

Titel/Untertitel:

Eva biss mit Frevel an. Rezeptionskritisches Arbeiten mit Kinderbibeln in Schule und Gemeinde.

Verlag:

Übers. u. für d. Religionsunterricht in Deutschland bearb. v. M. Steinkühler. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. 181 S. m. 29 Abb. gr.8 = Theologie für Lehrerinnen und Lehrer. Kart. Euro 23,90. ISBN 3-525-61551-5.

Rezensent:

Reiner Andreas Neuschäfer

Die Erforschung von Kinderbibeln steckt noch in den Kinderschuhen. Erst nach und nach werden Bibelbearbeitungen für Kinder als Unterrichtsmedium und Objekt wissenschaftlicher Studien wahr- und ernst genommen (s. Thomas Erne: Die Kinderbibel als Medium religiöser Überlieferung, in: ThLZ 127 [2002], 472-490; Reiner Andreas Neuschäfer: Mit Kinderbibeln Kompetenzen ins Spiel bringen, in: entwurf 2/2003, 61- 63 und Christine Reents: Kinderbibeln, in: NHRPG [2002], 524-527). Ruth B. Bottigheimer verbindet mit ihrem Werk Wissenschaft und Praxis und nähert sich Kinderbibeln insbesondere literaturwissenschaftlich, ohne allerdings theologische und religionspädagogische bzw. -psychologische Aspekte auszuklammern.

B. ist Professorin für Literaturwissenschaft an der State University of New York in Stony Brook, USA, und seit Jahren im deutschsprachigen Raum gefragte Rednerin (u. a. bei den von Gottfried Adam, Rainer Lachmann und Regine Schindler verantworteten Internationalen Forschungskolloquien "Kinderbibeln"). Ihr 1996 in New York (New Haven & London: Yale University Press) unter dem Titel "The Bible for Children. From the Age of Gutenberg to the Present" erschienenes Buch wurde im gleichen Jahr mit dem Children's Literature Book Award für die sorgfältigste wissenschaftliche Studie im Bereich der Kinderliteratur ausgezeichnet.

Diese 338 Seiten umfassende Veröffentlichung wurde für den deutschsprachigen Raum wesentlich gekürzt, umfassend überarbeitet, mehr ins Deutsche übertragen als übersetzt und hinsichtlich der Anordnung verändert. Letztendlich ist das herausgekommene Produkt als eigenständiges Buch anzusehen. In der fehlenden Systematisierung einzelner Aspekte und dem uneinheitlichen Schreibstil lassen sich jedoch deutliche Spuren einer unglücklichen Bearbeitung ausmachen, welche die Zustimmung zu einem rundum interessanten Buch beeinträchtigen.

Ein einleitender Teil ("Zum Thema", 9-15) plädiert für den Einsatz von (Kinder-)Bibeln in der Schule, insbesondere für "die Auseinandersetzung mit der Anwendungsgeschichte" (9). Hierbei wird auch kurz auf die Dimension von Religion und Erziehung eingegangen, da biblische Geschichten immer wieder "zu einem Medium (werden), das nagenden Ängsten, brennender Hoffnung und felsenfesten Überzeugungen ausgesetzt ist" (11). Von dieser Grundlage aus werden grundsätzliche Einsatzmöglichkeiten von Kinderbibeln aufgezeigt, die zur Vermittlung von Medienkompetenz beitragen können.

Teil 2 ("Zur Orientierung: Das Medium Kinderbibel", 17- 86) nimmt zehn Bibelmotive unter die Lupe, wobei als Kriterium für diese einseitige Auswahl lediglich genannt wird: sie seien "Schwerpunkte der aktuellen Rahmenrichtlinien der Bundesländer für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe" (14): 1. Gott Vater - Gott Schöpfer; 2. Abraham und Isaak/ David und Absalom; 3. Im Schweiße deines Angesichts ...; 4. Noah als Weinbauer; 5. Potifars Weib und Batseba; 6. Debora und Jael; 7. Der Turmbau zu Babel; 8. Wunder; 9. Die Kreuzigung; 10. Der Verlust des Gartens Eden. Bei dieser Aufzählung fällt das Übergewicht der alttestamentlichen Themen (80 %) und der ethischen Dimensionen auf.

Der dritte Teil ("Zur Unterrichtspraxis: Materialien - Zugänge - Lernchancen", 87-174) malt auf der Basis der in Teil 2 gebotenen Theorie vor Augen, wie bei den angesprochenen Themen ein rezeptionskritisches Arbeiten konkret aussehen kann. Dabei werden unzählige unterrichtstaugliche Arbeitsblätter, Unterrichtsgestaltungsvorschläge, Tafelbilder und Kopiervorlagen angeboten, deren Vielfalt und Originalität von Unterrichtenden sicherlich geschätzt werden. Die abschließenden Angaben zu Quellen und Literatur sind lückenhaft und mangelhaft redigiert (Jahreszahlen falsch; Angaben im Quellenverzeichnis anders als im Buchtext usw.).

Ein Blick ins Literaturverzeichnis macht einen großen Mangel des gesamten Buches deutlich: Moderne Kinderbibelliteratur ist lediglich bis 1990 berücksichtigt, obwohl gerade seitdem viele Neuerungen auf den Kinderbibelmarkt gekommen sind!

B.s Buch regt an, selbst genau hinzusehen. Wer dies jedoch bei ihrem eigenen Buch umsetzt, wird auf etliche Rechtschreibfehler, Jahreszahlenirrtümer und unterschiedliche Schrifttypen sowie -größen stoßen, die das Lesen neben dem unklaren Duktus mühsam werden lassen. Dazu kommt, dass an etlichen Punkten mehr behauptet als begründet wird. Präzise Unterscheidungen statt pauschalisierender Urteile wären den historischen Untersuchungen zuträglicher gewesen (z. B. zu Johann Hübner: "Über die Persönlichkeit des blutrünstigen Bibeldichters wissen wir wenig; er schrieb für die Kinder reicher Kaufleute in einer Hansestadt", 73). Einseitige Erkenntnisse der historisch-kritischen Methode werden an einigen Stellen zu optimistisch übernommen und in eine nicht immer konstruktiv-feministische Weltsicht integriert. Einerseits ist es positiv, wenn B. an ein genaues Lesen appelliert ("Hier bitte gleich nachlesen! [Es kommt auf den genauen Wortlaut an!]"), andererseits ist dabei zu fragen, wo bzw. welcher Übersetzung denn dieser genaue Wortlaut zu entnehmen ist.

Gegenüber dem englischsprachigen "Original" fällt die Verringerung, Verkleinerung und mangelhafte Qualität der Abbildungen auf. Hier hätte der Verlag gerade im Hinblick auf die mit der Kinderbibel-Materie nicht so vertrauten Augen mehr investieren müssen! Letzten Endes kommt auf den 181 Seiten die konstruktive Seite einer konsequent kritischen Einschätzung von Kinderbibeln zu kurz. Hier wäre ein Aufzeigen positiver Beispiele angesagt gewesen.

Insgesamt lebt die Veröffentlichung von den hervorragenden unterrichtspraktischen Vorschlägen, die das Werk zu einem praxisnahen und wegweisenden Arbeitsbuch krönen. Allerdings leidet das Buch unter einer nicht durchgängigen Gedankenführung, den unsystematisch dargelegten detaillierten Beobachtungen, der überragend hohen Druckfehler-Zahl und der Beschränkung auf die Zeit vor 1990.