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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

957–959

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

2) Gerhard, Johann 3) Steiger, J. A. [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

1) Bibliotheca Gerhardiana. Rekonstruktion der Gelehrten- und Leihbibliothek Johann Gerhards (1582-1637) und seines Sohnes Johann Ernst Gerhard (1621-1668).

2) Erklährung der Historien des Leidens vnnd Sterbens vnsers Herrn Jesu Christi nach den vier Evangelisten (1611).

3) Bibliographia Gerhardiana 1601-2002. Verzeichnis der Druckschriften Johann Gerhards (1582-1637) sowie ihrer Neuausgaben, Übersetzungen und Bearbeitungen.

Verlag:

1) Hrsg. v. J. A. Steiger. Bearb. v. A. Bitzel, V. Hartmann, R. G. Bogner, Ch. Herrmann u. J. A. Steiger. Teilbde. 1 u. 2. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2002. Teilbd. 1: 498 S. m. 25 Abb.; Teilbd. 2: S. 499-1306. 4 = Doctrina et Pietas. Abt. I, 11. Lw. Insg. Euro 941,00. ISBN 3-7728-2167-7.

2) Kritisch hrsg., kommentiert u. m. e. Nachwort versehen v. J. A. Steiger. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2002. 510 S. m. 3 Abb. 4 = Doctrina et Pietas. Abt. I,6. Lw. Euro 101,00. ISBN 3-7728-1960-5.

3) Bearb. u. hrsg. v. J. A. Steiger unter Mitwirkung v. P. Fiers. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2003. 424 S. m. Abb. 4 = Doctrina et Pietas, I,9. Lw. Euro 388,00. ISBN 3-7728-1930-3.

Rezensent:

Ernst Koch

Anzuzeigen sind vier Bände des Johann-Gerhard-Archivs, von denen zwei eine bibliographische Einheit bilden.

Die "Erklährung" stellt eine kritische Textausgabe dar, die sich an die Reihe der bereits vorliegenden Ausgaben von Texten Johann Gerhards anschließt. Wiederum geht es in ihr um einen deutschsprachigen Text des späteren Jenaer Theologen, entstanden während seiner Zeit als Superintendent in Heldburg. Im Nachwort macht der Herausgeber darauf aufmerksam, dass Gerhard seine frühen Werke als Trilogien angelegt sehen wollte. Der "Erklährung" ging die Schrift über Taufe und Abendmahl von 1610 voraus, allerdings erschien die geplante dritte Monographie über die Christologie aus unbekannten Gründen nicht im Druck, sondern blieb Manuskriptfragment und wurde 2002 von Johann Anselm Steiger erstmals veröffentlicht. Die Anregung zu den mit der nicht vollendeten Trilogie aufgegriffenen Themen scheint 1606 von Christina, der calvinistischen Gemahlin des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Eisenach ausgegangen zu sein.

Die Ausgabe berücksichtigt die Passagen zur Passionsgeschichte in Gerhards "Vita Jesu Christi" von 1609, die in die "Erklährung" aufgenommen wurden, und bietet eine Synopse der Texte. Der Kommentar weist Zitate nach, bietet Worterklärungen und macht auf Similia aufmerksam. Dabei stellt sich heraus, wie es auch das Nachwort bemerkt, in welch starkem Maße Gerhard gerade vom jungen Luther gelernt hat. Dies betrifft auch das Verhältnis zu den Juden - Steiger spricht geradezu von einer "De-Antijudaisierung der Passionspredigt" Gerhards (499). Aufmerksam zu machen ist auf die Ausführungen des Herausgebers, die die Stellung der "Erklährung" in der Geschichte der lutherischen Passionstheologie behandeln, wie überhaupt sich die Beigaben des Bandes als hilfreich auch für das inhaltliche Verständnis erweisen. Eine kleine Unsicherheit ist zu bemerken, die die Angabe zur Verfasserschaft eines Teils des Nachworts betrifft: In einer Anmerkung zur Überschrift wird auf "Abschnitt 3" verwiesen, der aber mangels Zählung der Abschnitte nicht eindeutig zu identifizieren ist.

Bei der Edition und Erschließung der Bibliotheca Gerhardiana handelt es sich um die kritische Transskription und bibliographische Kommentierung des in der Forschungsbibliothek Gotha befindlichen, von Johann Gerhards Sohn Johann Ernst und weiteren drei nicht identifizierten Mitarbeitern geschriebenen Katalogs der von Johann Gerhard hinterlassenen Bibliothek. Aufgenommen sind auch die 18,6 % der bibliographischen Einheiten der Bibliothek, die ihr nachweisbar angehört haben, aber nicht im Katalog verzeichnet sind. Insofern stellt die Edition gleichzeitig den Versuch einer vollständigen Rekonstruktion dar. 212 von rund 5550 Einträgen konnten nicht identifiziert werden. Der sorgfältige editorische Bericht lässt erkennen, welche Probleme sich bei der Bearbeitung ergaben. Ein gesondertes Verzeichnis der Emendationen stellt ein zusätzliches Hilfsmittel zum Umgang mit der Textausgabe dar. Auf einem zweiten Arbeitsgang beruht dann die Identifizierung der genauen Titel der in der Handschrift aufgeführten Bücher in alphabetischer Folge einschließlich mindestens eines Standortnachweises. Für die Nachweise wurden außer der Gothaer Bibliothek selbst 56 inländische und weitere ausländische Bibliotheken in Anspruch genommen. Der Editionsbericht benennt auch die durch einsichtige Gründe gesetzten Grenzen der vorgelegten Ergebnisse.

Im Nachwort kommt zur Sprache, wie die Benutzung der Bibliothek durch Gelehrte und Studenten aussah. Hatte doch die Bibliotheca Gerhardiana den Charakter einer Leihbibliothek, deren Ausleihfrequenz die der Jenaer Universitätsbibliothek überschritten haben dürfte. Sie gehörte zu den größten Gelehrtenbibliotheken der frühen Neuzeit, mit der sich vermutlich, wie der Herausgeber hervorhebt, lediglich die Bibliotheken von Johann Michael Dilherr als Theologen und Johann Andreas Bose als Historiker messen konnten.

Von großem Wert für die Forschung sind die beigegebenen Register der Autoren, Herausgeber, Beiträger und sonst genannter Personen und der Drucker und Verleger.

Alles in allem ist die Edition und Rekonstruktion der Bibliothek Johann Gerhards ein hoch zu schätzender Glücksfall und ein Fundus für die Erforschung der Gelehrtenwelt des 17. Jh.s, zumal sie, wie die ursprüngliche Anlage ihres Katalogs ausweist, einen großen Bestand auch an fremdsprachigen Titeln bis hin zu armenischer, äthiopischer und chinesischer Literatur enthielt. Die kirchengeschichtliche Forschung besitzt in ihr einen Wegweiser zum Umgang eines großen Theologen mit dem Wissen seiner Zeit und eine Quelle zur Erforschung seiner weit verzweigten Interessen.

Die Edition der Primärbibliographie Johann Gerhards stellt daneben einen Sonderfall für die Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte des 17. Jh.s dar. Außer auf die Tatsache, dass es nur sehr wenige Bibliographien von Theologen der Barockzeit mit dem Anspruch auf Vollständigkeit gibt, ist darauf hinzuweisen, dass das vorliegende Verzeichnis der Werke des Jenaer Theologen das erste solcher Art ist, das auch unselbständige Publikationen des betreffenden Autors verzeichnet. Bearbeiter und Herausgeber benennen im Nachwort auch deutlich die Grenzen ihres Vorhabens, was für die Benutzung des eindrucksvollen Werkes wichtig ist. Darüber hinaus ergibt die Bibliographie, dass es Gerhards Erbauungsschriften waren, die die meisten Ausgaben und Übersetzungen erfuhren - was die Meditationes sacrae und ihre Ausgaben und Übersetzungen betrifft, handelt es sich um mehr als 200 (Teil-)Ausgaben in 14 europäischen Sprachen.

Auch die Primärbibliographie Johann Gerhards enthält hilfreiche Register, darunter das der Druck- und Verlagsorte und der Einheitssachtitel, Letzteres angesichts der Problematik von Titeln der Barockzeit als notwendiges Zugangsinstrument für die Erschließung. Anschauung vermitteln 20 ausgewählte ganzseitige Abbildungen, mehrere von ihnen mit Gerhard-Autographen, die mit einzelnen Druckexemplaren in Verbindung stehen.

Die vorliegenden bibliographischen Werke lassen nur ahnen, wie viel Arbeit in ihnen steckt und welche Mühen mit ihrer Entstehung verbunden waren. Dass Herausgeber und Bearbeiter mehr gewollt haben, als für die Erstellung erschwinglich war, ehrt das Unternehmen zusätzlich. Die nachdrückliche Bitte um Mitteilung von Ergänzungen sollte nicht ungehört verhallen.