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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

953 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Weigel, Valentin

Titel/Untertitel:

Von der Betrachtung des Lebens Christi. Vom Leben Christi. De vita Christi.

Verlag:

Hrsg. u. eingel. v. H. Pfefferl. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2002. LXXVIII, 241 S. m. Abb. gr.8 = Valentin Weigel - Sämtliche Schriften, 7. Lw. Euro 218,00. ISBN 3-7728-1846-3.

Rezensent:

Ernst Koch

An diesem weiteren Band der Weigel-Ausgabe ist der Fortgang der Forschung seit den zuvor erschienenen Bänden abzulesen. Neben der für die Druckgeschichte der Schriften Weigels wichtigen Zuweisung des Druckorts der Philosophie Mystica von 1618 ("Newstadt") statt bisher an Magdeburg nun an Frankfurt am Main (XII f.) führt die Arbeit von Hermann Geyer über Johann Arndt zu weiteren Erkenntnissen im Kontext der Weigeltexte (XXXVIII f.). Ein inzwischen entdeckter anonymer Text kann zur Kommentierung herangezogen werden (LIV). Das erneute Studium des in diesem Band edierten Textes hat den Herausgeber veranlasst, seine früher vertretene und seinerzeit begründete Meinung über Entstehung und Charakter von "Vom Leben Christi" zu korrigieren (XLIII f.).

Die Edition des Bandes teilt die Qualitäten der bisher erschienenen Bände hinsichtlich Textkonstitution, kritischer Beurteilung der Überlieferung und Kommentierung. Lediglich eine Stelle des Textes gibt zur Frage Anlass, ob sie wirklich der Vorlage entspricht (28, Z. 13: "Gottteß"? - wenn dies zutrifft, hätte ein ausdrücklicher Vermerk im Apparat Gewissheit verschafft). Im Ganzen zuzustimmen ist dem Herausgeber in seiner Interpretation, dass es sich bei der edierten Schrift um einen spirituellen Gegenentwurf zur Konkordienformel von 1577 handelt (IX und XLVII). Daneben darf jedoch nicht übersehen werden, dass sie auch unpolemisch auf die Konkordienformel Bezug zu nehmen scheint, wie der Herausgeber selbst andeutet (LV, Anm. 189; vgl. z. B. S. 42 mit Kommentar). Ähnlich verhält es sich mit dem Verhältnis der Weigel-Schrift zu Luther. Hier wie dort wird die Arbeit mit dem Text vermutlich weitere versteckte Zitate ergeben und zu weiteren Erkenntnissen führen. Das gilt auch für biblische Anspielungen und Zitate (vgl. z. B. zu S. 32, Z. 4 2Kor 5,1; zu S. 34, Anm. 4 wohl eher 1Kor 10,4).

Wie stark die Vorsicht des Schreibers bei Angriffen auf Luther ist, zeigt sich an drei Stellen, die den Namen Luthers verschleiern, indem sie seine Buchstabenfolge umkehren (vgl. LV, Anm. 191). Zudem weisen die oft spannungsvollen Beziehungen Weigels zu weiteren Autoren auf Duskussionen hin und zeigen durchaus nicht immer Zustimmung zu anderen nonkonformistischen Positionen.

Diesbezüglich verdient die Beobachtung des Herausgebers Beachtung, dass Weigels "Vom Leben Christi" und seine Seitentexte in Nachbarschaft zur "Kirchen- und Hauspostille" von 1578/79 (und zum "Dialogus de christianismo" von 1584) stehen. Genauere Vergleiche ergeben, dass einige Stellen der Postille früher zu datieren sind als die in diesem Band edierten Texte, die auf die Postille Bezug zu nehmen scheinen (vgl. L-LII), andere wiederum später, sofern sie in der Postille ausdrücklich zitiert werden. Man kann auf die Ergebnisse der Weigel-Edition für die Chronologie der Werke des Zschopauer Pfarrers bereits gespannt sein.

Eine weitere Beobachtung des Herausgebers an den Texten betrifft das Verhältnis Weigels zu weiteren seiner Bezugsautoritäten. Demnach fungieren Schwenckfeld und Andreas Osiander für Weigel "als positiver Gegentypus" zu den reformatorischen Autoritäten (LV f.)

Das höchst anregende Studium des Bandes lässt erwarten, dass die im Gange befindliche Edition für die Erforschung der Geschichte des Spiritualismus zwischen 1570 und 1620 Überraschungen bringen wird. Dem Herausgeber gebührt wiederum großer Dank für seine zuverlässige und umsichtige Arbeit.