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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

951–953

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Olavus Petri und die Reformation in Schweden. Schriften aus den Jahren 1528-1531.

Verlag:

In Zusammenarbeit m. A. K. Dömling, S. Müller u. K. Naumann übers. u. hrsg. v. H. U. Bächtold u. H.-P. Naumann. Zug: Achius 2002. 273 S. 8. Kart. Euro 20,00. ISBN 3-905351-04-8.

Rezensent:

Bengt Hägglund

Dass einige Schriften des schwedischen Reformators Olavus Petri (1493-1552) ins Deutsche übertragen wurden, ist ein Ereignis, das der Beachtung wert ist. Olavus Petri war nicht nur der Initiator und Wegbereiter der Reformation in Schweden, sondern auch ein Erneuerer der schwedischen Sprache und ein hervorragender Autor. Trotzdem sind bis jetzt keine seiner literarischen Beiträge in einer anderen Sprache zugänglich gewesen.

Auch für die Reformationsgeschichte im Ganzen ist es von Interesse zu erfahren, mit welcher Selbständigkeit und Kreativität in der Argumentation die reformatorische Bewegung in Schweden - vor allem durch Olavus und später auch durch seinen Bruder Laurentius Petri - vorangetrieben wurde, in Wechselwirkung und Auseinandersetzung mit der politischen Tätigkeit des damaligen Königs, Gustav Vasa.

Die Werke des Olavus Petri liegen in einer vierbändigen Ausgabe von 1914-1917 vor. Die deutschsprachige Ausgabe enthält fünf Schriften aus den Jahren 1528-1531, die einen Höhepunkt im literarischen Wirken des Reformators bezeichnen. Es ist eine Gruppe von Übersetzerinnen und Übersetzern der "Abteilung für Nordische Philologie des deutschen Seminars" und des "Instituts für Schweizerische Reformationsgeschichte" der Universität Zürich, die diese Auswahlausgabe verwirklicht hat. Eine kurze Einleitung (von Hans Ulrich Bächtold) über "Olavus Petri und die Reformation in Schweden" gibt in instruktiver Weise den notwendigen Hintergrund zu den Texten.

Die erste und umfangreichste der hier edierten Schriften ist "Das Buch von den Sakramenten" 1528. Übersetzerin ist Silvia Müller. Sie macht in der Einleitung eine wichtige Bemerkung. Das Buch erschien anonym, und es hat sich gezeigt, dass es in großen Teilen auf dem so genannten "Ansbacher Ratschlag" 1524 aufgebaut ist. Nur ein Sechstel des Buches stammt nicht von dieser Quelle. Man könnte dann fragen, warum eben diese Schrift für die Ausgabe gewählt wurde. Die Übersetzerin antwortet: "als Ganzes gesehen stellt sie eine kritische, selbstbewusste (und gelungene!) redaktionelle Überarbeitung der Vorlage dar. Hinsichtlich der Textdisposition, insbesondere der argumentatorischen und logischen Folgerichtigkeit, der Straffung und somit insgesamt der Leserfreundlichkeit, fällt die Überarbeitung um ein Vielfaches überzeugender aus als ihr Ausgangstext" (20).

Wichtig ist die Darstellung von der Beichte, worin die Stellungnahme des Olavus Petri für die evangelische Tradition in Schweden richtunggebend wurde. Die Einzelbeichte sollte nicht als unabdingbar vorgeschoben werden, sondern als ein Um-Rat-Fragen verstanden werden. Im Gottesdienst wurde sie durch das allgemeine Sündenbekenntnis ersetzt.

Auch in dieser Schrift behandelt Olavus Petri eingehend die Frage, ob die Messe ein Opfer sei oder nicht. "Also will Christus, dass wir seinen Leib und sein Blut als Erinnerung an die Erlösung empfangen, die er ein Mal tat, indem er sich selbst opferte, und damit sollen wir kein neues Opfer anstreben, denn wir sind im neuen Bund, wo wir kein äusserliches Priestertum oder Opfer mehr haben" (71). In seiner neuen Gottesdienstordnung ließ er in der Nachfolge Luthers den römischen Messkanon fallen. Bekannt ist sein unübertreffbar formuliertes Argument: "Wir haben auch einen Kanon. Die Worte und die Einsetzung Christi ist uns Kanon genug, wonach wir uns zu richten haben" (nach SS II, S. 412 übersetzt).

Unter den zahlreichen Beiträgen des Reformators aus dem Jahre 1528 ist auch "Eine kleine Unterweisung über die Ehe", die hier als zweiter Beitrag vorkommt (Übersetzung: Karin Naumann). Er hatte drei Jahre vorher, schon vor Martin Luther, gegen die Zölibatspflicht verstoßen und war in den Stand der Ehe getreten, ein kühner Schritt, der heftige Angriffe von der katholischen Partei verursachte. Seine Schrift über die Ehe ist literarisch ein Meisterstück, worin er mit bibeltheologischen, historischen und ethischen Argumenten gegen den Zölibatszwang polemisiert. Wie zielbewusst er hier für die neue Ordnung das Wort ergreift, zeigen auch die Ermahnungen an die Bischöfe und den gemeinen Klerus, sich nach Gottes Wort und Absicht zu richten und sich gegebenenfalls dem "antichristlichen Verbot des Papstes" zu widersetzen.

In demselben Jahr 1528 ließ Olavus Petri auch eine Schrift über das Klosterleben drucken. Sie hat als Argumentation für die Säkularisierung und schließlich für die Aufhebung der Klöster in Schweden eine direkte politische Bedeutung gehabt. Die Schrift zeugt auch von dem historischen Interesse des Reformators, da er ausführlich über die Anfänge und die Entwicklung des Klosterwesens schreibt. Er gibt zudem eine Charakterisierung der verschiedenen Orden mit Angabe ihrer jeweiligen Ordenstrachten.

Die Übersetzerin Anna Katharina Dömling hat auch zeigen können, dass Olavus Petri bei dieser Schrift zumindest vier Schriften von Martin Luther als Vorlage dienten, darunter die kurz vorher erschienene Schrift "Grund und Ursach, dass Klosterleben unchristlich sei". Dies ist ein wichtiger Beitrag zur bisherigen Forschung, derzufolge zu dieser Schrift noch keine Vorlagen gefunden wurden.

Eine vierte Schrift, "Über das Wort Gottes und die Gebote und Satzungen der Menschen auf geistlichem Gebiet, das heißt im Bereich der Seele" (Übersetzer: Hans Ulrich Bächtold), ist eine tief begründete Argumentation über die Stellungnahme zu verschiedenen Fragen der damaligen kirchlichen Praxis. Der Grundsatz ist, "dass wir uns nach Gottes Wort richten müssen und nicht nach den Geboten oder Bräuchen der Menschen in Dingen, die unser Seelenheil betreffen" (225). In der Beurteilung der zahlreichen kirchlichen Sitten und Gebräuche zeigt sich Olavus Petri überraschend radikal vom humanistischen Geist geprägt. Er betont aber auch, dass man nicht sofort das, woran man gewöhnt ist, verwerfen soll. "Vieles muss noch erhalten bleiben, um den Unverständigen nicht Ärgernis zu bereiten" (234).

Als Verteidigung für die Einführung einer Messe in schwedischer Sprache schrieb Olavus Petri eine "Begründung, warum die Messe in der Sprache sein soll, die der gemeine Mann versteht". Die neue Ordnung fand er tief im Evangelium, besonders in der Feier des Abendmahls begründet. Diese klassisch gewordene Schrift wird als der letzte Beitrag hier in Übersetzung von Hans-Peter Naumann abgedruckt. Er sagt von der Sprache des Olavus Petri: "er beherrscht wie kein anderer die Kunst, komplexe gedankliche Sachverhalte in eine syntaktisch ausdrucksfähige Sprachform des sich erst entwickelnden frühen Neuschwedischen zu fassen" (242).

Die Sprache in diesen Übersetzungen kann ohne weiteres als klar und leicht verständlich bezeichnet werden, so dass ein Schwede, der Deutsch versteht, sicher hier und da sagen könnte, dass diese Texte leichter zu lesen sind als die schwedischen Originale. Olavus Petris Sprache ist in hohem Grad durch eine klare Diktion und lebendige Konkretion gekennzeichnet. Sie enthält aber oft altertümliche, jetzt nicht mehr verwendete Sprachformen und Redewendungen, was eine Übersetzung wie auch das Verstehen für den heutigen schwedischen Leser erschwert. Ein Glossarium über die damalige Sprache (von F. A. Dahlgren, Lund 1914-16, Neudruck 1973) kann hier hilfreich sein. Nur an sehr wenigen Stellen sind aus diesen Gründen einige leicht zu erklärende Korrigenda in der Übersetzung zu notieren.

Die mehrbändige schwedische Edition der Schriften des Olavus Petri bringt die Texte ohne Kommentare. Es ist ein großer Vorteil, zum Teil auch ein wissenschaftlicher Fortschritt, dass die Texte hier mit kurzen Kommentaren versehen sind. Damit wird nur unterstrichen, dass diese schöne Arbeit auch für skandinavische Leser ein Geschenk ist.

Dass der schwedische Reformator mit seiner persönlichen Integrität und seinem literarischen Talent international bekannt wird, ist das große Verdienst dieses geschickt durchgeführten Übersetzungsprojektes.