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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

933 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Devillers, Luc

Titel/Untertitel:

La fête de l'envoyé. La section johannique de la fête des tentes (Jean 7,1-10,21) et la christologie.

Verlag:

Paris: Gabalda 2002. 589 S. gr.8 = Études bibliques. Nouvelle Série, 49. Kart. 75,00. ISBN 2-85021-144-3.

Rezensent:

Jutta Leonhardt-Balzer

Die Studie ist die überarbeitete Fassung einer Doktorarbeit an der École biblique et archéologique française de Jérusalem. Sie legt im Rahmen der Untersuchung des johanneischen Berichts über das Laubhüttenfest die gesamten Kapitel 7-10 aus.

D. geht von der Beobachtung aus, dass die jüdischen Feste zwar keine durchgehende Struktur des Evangeliums bieten, dass aber bedeutende Aussagen über Jesus im Zusammenhang der Feste gemacht werden. In diesem Rahmen ist nicht nur das Passahfest von Bedeutung; gerade das Laubhüttenfest, das nur einmal in Joh 7,2 namentlich erwähnt wird, hebt sich von den vagen Verweisen auf jüdische Feste ab. Auf diese eine Erwähnung wird sechs Mal im Lauf des Kapitels zurückverwiesen. Die Verbindung der Kapitel 8 und 9 mit dem Laubhüttenfest erschließt D. auf Grund der Bedeutung des dort erwähnten Teiches von Siloah während dieses Festes. Kapitel 10,1 wird von D. an 9 angeschlossen und 10,21 ff. bilden den Schluss der gesamten Einheit, obwohl in 10,22 ein neues Fest, das der Tempelweihe, erwähnt wird. Die Kontinuität wird mit der zusammenhängenden christologischen Argumentation begründet und die Tempelweihe als Fest von geringerer Bedeutung dem Laubhüttenfest untergeordnet. Aus diesem Befund leitet D. die These ab, dass die Kapitel 7-10 in ihrer jetzigen Form eine zusammenhängende Einheit mit eigener Struktur sind, in deren Rahmen das Laubhüttenfest als Rahmen für die christologische Botschaft dient.

Das Laubhüttenfest, im Gegensatz zu den anderen Wallfahrtsfesten, hat im Zusammenhang des Johannesevangeliums bisher wenig Beachtung gefunden. Wenn man von den zahlreichen Kommentaren absieht, sind die der Studie zu Grunde gelegten vier Kapitel bisher kaum zusammenhängend untersucht worden. Die Arbeit beschäftigt sich jedoch nicht nur mit der Textauslegung. Ein erster Teil untersucht die historischen Hintergründe des Laubhüttenfests, insbesondere die Rolle des Teiches von Siloah und der Quelle Gihon. Der zweite Teil widerlegt die These des Antijudaismus des Johannesevangeliums, indem er das Verhältnis zwischen Jesus und den Juden betrachtet und genau prüft, wer die "Juden" in den jeweiligen Kontexten des Johannesevangeliums sind. Erst der dritte Teil beschäftigt sich dann mit der Auslegung von Joh 7-10, aufgeteilt in die mehrheitlich anerkannten Abschnitte zum Laubhüttenfest, Joh 7, zum sich steigernden Konflikt, Joh 8,12-59, zur Heilung des Blindgeborenen und zu Siloah, Joh 9, zum Hirten, 10,1-21, und dem Übergang zum nächsten Abschnitt 10,22- 39. Das Ziel der Arbeit ist es, durch die Kenntnis des präzisen kulturellen Umfeldes den biblischen Text besser zu verstehen.

Im Rahmen der Beschreibung des Laubhüttenfestes und des Teiches von Siloah beschäftigt sich D. mit den Zeugnissen des Alten Testaments, der Literatur aus der Zeit zwischen den Testamenten und den Targumen, des Neuen Testaments, der rabbinischen Literatur und sogar aus christlichen Pilgerzeugnissen. Diese Texte bezeugen die Bedeutung des Festes im Judentum wie auch die Rolle des Teiches von Siloah. Neben den Bezügen zum Laubhüttenfest arbeitet D. die über die Jahrhunderte mit dieser Quelle verbundenen Vorstellungen von einem Ort des Segens und der Wunder heraus.

Die Untersuchung des johanneischen Verhältnisses zu den Juden setzt sich mit dem in der Forschung immer wieder vorgebrachten Vorwurf auseinander, das Johannesevangelium sei antijüdisch, und widerlegt ihn anhand der johanneischen Stellen. Durch einen Vergleich mit der antiken Polemik belegt D., dass es im Johannesevangelium nicht um Feindseligkeit gegen Juden, sondern um einen innerjüdischen Konflikt geht, der sich an der Messianität Jesu entzündet hat. Im Rahmen einer Diskussion der Situation des Judentums zur Zeit der johanneischen Gemeinde erfolgt darauf eine Untersuchung der Birkat haMinim als eines möglichen Anlasses für einen Ausschluss der Christen aus der jüdischen Gemeinde. Im Bewusstsein der Komplexität des Themas und der Tatsache, dass sich die Minim nicht einfach mit den Christen identifizieren lassen, begründet D. dennoch anhand des Begriffes aposynagogos in Joh 9 und 12, dass es einen Prozess des Ausschlusses der johanneischen Christen aus der Synagoge gab. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Problem der genauen Bestimmung - und Übersetzung - des Begriffes der Ioudaioi im Evangelium. Nach detaillierter Auseinandersetzung mit den Forschungsthesen zieht D. in seinem eigenen Lösungsversuch den Brief des Soumaios und Esther 8,17 in der hebräischen und griechischen Form wie auch bei Flavius Josephus hinzu, um zu belegen, dass selbst die kritische Schilderung der Ioudaioi im Johannesevangelium eine innerjüdische Perspektive darstellt.

Erst nach diesen ausführlichen Voruntersuchungen stellt sich D. der ausgewählten johanneischen Passage. Dies erfolgt durch präzisen Umgang mit dem Text, ausführliche Textkritik und Untersuchung des Wortgebrauchs und Einbeziehung der umfangreichen Sekundärliteratur. Im Rahmen der Erschließung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes verschiedener Begriffe oder Zitate schließt D. auch ausführliche Untersuchungen anderer Texte ein, wie der Targume oder der Vitae Prophetarum. Bei aller Genauigkeit in den Detailuntersuchungen ist es jedoch bedauerlich, dass gerade in textkritischen Abschnitten (aber nicht nur dort) der griechische Text ohne Akzente angegeben wird (z. B. 284-292.385-389.445.465.481 f.490).

Zusammenfassend zeigt der Kommentar von D., dass das Laubhüttenfest, obwohl es nur einmal explizit erwähnt wird, mit seinen Bräuchen und Vorstellungen den Hintergrund bildet, auf dem die christologischen Aussagen von Joh 7-10 verstanden werden können, auch wenn das Johannesevangelium kein Interesse an den Einzelheiten des Rituals zeigt. Vor dem Hintergrund des Festes offenbart sich Jesus nach D. zunehmend in seiner Identität als der vom Vater Gesandte und bewirkt damit zunehmende Ablehnung in weiten Kreisen der Juden, während er Einzelnen, wie dem geheilten Blinden, die Augen öffnet.

Die Studie ist eine sorgfältige Untersuchung der vier Kapitel des Johannesevangeliums vor dem religionsgeschichtlichen Hintergrund des Laubhüttenfestes. D. kombiniert diachrone und synchrone Betrachtungsweisen, indem er der Untersuchung des johanneischen Textes je eine Studie zu dem Laubhüttenfest und zu dem Verhältnis zwischen Johannes und den Juden voranstellt. Es ist zu begrüßen, dass die Detailuntersuchung des Textes gleichermaßen nicht zu kurz kommt. D. erhebt nicht den Anspruch, radikal neue Ergebnisse zu präsentieren. Indem er jedoch sein Ziel etwas niedriger steckt und den Dialog mit der reichen Tradition der ihm vorangegangenen Johannesexegese sucht, erreicht er einen bewundernswerten Überblick und wirft gleichzeitig von den Quellen her neues Licht auf bekannte Sichtweisen.

Die Untersuchung des Textes und seines religionsgeschichtlichen Kontexts im Dialog mit der umfangreichen Sekundärliteratur kann nur als gelungen bezeichnet werden.