Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2004

Spalte:

930 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rösel, Martin

Titel/Untertitel:

Adonaj - warum Gott "Herr" genannt wird.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2000. X, 257 S. gr. 8 = Forschungen zum Alten Testament, 29. Lw. Euro 74,00. ISBN 3-16-147193-8.

Rezensent:

Magne Sæbø

Mit diesem Buch legt M. Rösel, der an der Universität Rostock lehrt, seine von K. Koch angeregte und 1998/99 in Hamburg angenommene Habilitationsschrift vor. Die Wahl seines höchst aktuellen und zentralen Themas ist eine sehr geglückte, zumal die Gottesfrage sowohl allgemein theologisch als auch biblisch-theologisch in neuerer Zeit viel diskutiert worden ist. Die Bedeutung des Buches liegt vor allem darin, dass es wichtige Tatbestände aus einem speziellen und öfter vernachlässigten Feld der Gottesbezeichnungen des Alten Testaments an die Hand gibt und dass es zudem noch auf das terminologische Feld der neuestamentlichen Christologie hinübergreift. Die Studie hat dabei zur Klärung schwieriger Fragen wesentlich beigetragen.

Das Buch hat eine übersichtliche Struktur und ist in 20 Kapitel eingeteilt. Zwischen dem ersten Kapitel, das zur Einführung die Problemlage und die Forschungsgeschichte kritisch diskutiert und die Aufgabenstellung der Arbeit bestimmt (1-16), und dem letzten Kapitel, das die Ergebnisse der Untersuchung "bündelt", schlägt der Vf. einen Bogen, indem er abschließend auf den Anfang zurückgreift und die im Titel einbegriffene Frage: "warum Gott im Alten Testament Adonaj/ Herr genannt wird" nun zusammenfassend und kurz beantwortet (227-230). Die dazwischen liegenden Analysen des aufgestellten Problems sind mit Sorgfalt und Akribie gut durchgeführt; seine Darstellung erfolgt in einer klaren, komprimierten und präzisen Sprache.

Das Thema und Problem seiner Studie bezieht sich also auf den Sinn einer besonderen Gottesbezeichnung, und zwar Adon bzw. Adonaj, die gewiss nicht zu den häufigeren im Alten Testament gehört, die aber für die alttestamentliche Gottesfrage bedeutsam ist und die zudem durch ihre Übersetzung kyrios in der Septuaginta eine nicht geringe Bedeutung für das Neue Testament erhalten hat. Dabei mag es wohl etwas verwundern, dass ihr in der Forschung nicht größere Aufmerksamkeit entgegengebracht worden ist, als es faktisch der Fall ist. Doch ist sie mehrmals monographisch behandelt worden, und zwar schon 1889 von G. Dalman in seiner Studie "Der Gottesname Adonaj und seine Geschichte", vor allem aber von W. W. Graf Baudissin in seinem 1929 von O. Eissfeldt herausgegebenen vierbändigen Werk "Kyrios als Gottesname im Judentum und seine Stelle in der Religionsgeschichte"; nicht nur in Bezug auf dieses riesige Werk, sondern auch gegenüber späteren Studien (etwa von Cerfaux, Quell, Baumgärtel, Lust und Eissfeldt) hat R.s Untersuchung bedeutende Korrekturen anbringen können. Zentral steht in dieser Beziehung die Einschätzung der Wiedergaben der Septuaginta.

Baudissin hat sich im ersten Band seines Werkes eben der Übersetzung der Septuaginta zugewandt. Dabei hat er das Vorkommen des kyrios in erster Linie auf die Wiedergabe von JHWH, also dem Tetragrammaton, und nicht auf dessen Ersatzaussprache durch Adonaj zurückgeführt. Zudem hat Baudissin im zweiten Band "als Konsequenz aus dieser überraschenden Feststellung dargestellt, daß die Mehrzahl der fraglichen adny-Stellen der Biblia Hebraica auch ohne entsprechende Handschriftenbezeugung als Abschreiberversehen zu werten sind" (Rösel, 9). Diese These hat lange in den Kommentaren, besonders zu Amos und zu Ezekiel, nachgewirkt.

Doch gerade an diesem Punkt hat R. durch eine textgeschichtliche und textkritische Erörterung der einschlägigen Adon/Adonaj-Stellen im Alten Testament eine kräftige Revision der herkömmlichen Ausscheidungen dieser Stellen begründen können. Auf dem Hintergrund einer erneuten Überprüfung der Etymologie dieser Lexeme und besonders des heute noch reicher gewordenen Befundes der religionsgeschichtlichen Umwelt Israels, einschließlich der Inschriften und Personennamen (Kap. 2; 17-55), wo sich nicht nur eine breite Verwendung des Herrentitels und "ein differenzierter Gebrauch" desselben feststellen lässt, sondern wo es dabei auch "eine Entwicklung gegeben hat, den Eigennamen eines Gottes zu vermeiden" (55), hat R. seine Untersuchung in erster Linie auf das prophetische Material, das den Schwerpunkt ausmacht, und da wiederum auf die Propheten Amos, Jesaja und Ezekiel konzentriert (Kap. 3-16; 56- 180). Dabei hat sich ergeben, dass die Adonaj-Belege "in der Regel mit textkritischen Mitteln nicht aus dem Text entfernt werden können"; vielmehr ist der Herrentitel etwa im Amosbuch "in den ältesten Schichten des Buches verankert" und scheint zudem besonders mit Zion verbunden zu sein.

Danach hat R. kürzer die historischen und poetischen Schriften untersucht (Kap. 17; 181-205), die das prophetische Bild bestätigen. Er folgert: "Die alte These von W. W. Graf Baudissin muß damit endgültig als falsifiziert gelten" (228). Weiter hat er seine Analyse auf die Qumran-Texte ausgedehnt (Kap. 18; 206-221) und gibt auch noch einen raschen Ausblick auf "Gott und Christus als Herr im Neuen Testament" (Kap. 19; 222- 226). Inhaltlich schien in einem langen Prozess die ersatzweise Verwendung des Appelativums Herr für JHWH "in besonderer Weise dazu geeignet, das exklusive Gegenüber von Welt und Gott auszudrücken".