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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

929 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Phillips, Anthony

Titel/Untertitel:

Essays on Biblical Law.

Verlag:

London-New York: Sheffield Academic Press 2002. XVI, 295 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 344. Lw. £ 70,00. ISBN 0-8264-6147-6.

Rezensent:

Eckart Otto

Anthony Phillips, der als juristisch ausgebildeter Historiker des biblischen Rechts vor allem durch seine Dissertation "Ancient Israel's Criminal Law: A New Approach" (Oxford: Basil Blackwell 1970) bekannt geworden ist, legt eine Sammlung seiner Aufsätze vor, die überwiegend in den sechziger bis achtziger Jahren des letzten Jh.s veröffentlicht wurden. Der Band enthält keine unveröffentlichten Beiträge.

Einen Schwerpunkt bilden, an die Dissertation anknüpfend, Aufsätze zum Dekalog im Rahmen der Sinaiperikope, in denen der Vf. unverändert an der These festhält, der Dekalog enthalte die Normen des israelitischen Strafrechts, deren Übertretung mit dem Tod sanktioniert worden sei. Der Vf. relativiert aber seine in der Dissertation im Anschluss an G. Mendenhall vertretene These, die Sinaiperikope und mit ihr der Dekalog seien unter dem Einfluss der hethitischen Vasallenverträge formuliert worden. Weiterhin hält der Vf. an der These fest, der Dekalog sei auf die früheste Geschichte Israels zurückzuführen und Ausdruck des gemeinisraelitischen Selbstbewusstseins von den Anfängen in der Geschichte Israels. Dass es an frühen Zeugnissen für den Dekalog fehlt, will der Vf. gerade als Beweis dafür sehen, dass der Dekalog Strafrecht war, das gerichtlich durchgesetzt und nicht zum Thema religiöser Literatur insbesondere der Prophetie wurde, der es nicht um Recht, sondern ethische Prinzipien ging. Der Vf. verweist in diesem Zusammenhang auf die Erzählung Gen 2-3, die, wie er zu Recht feststellt, erst in später Literatur des Alten Testaments rezipiert worden sei, was aber im Unterschied zur Meinung des Vf.s auch ein Hinweis auf die spätere Abfassung der Paradieserzählung ist, was entsprechend auch für den Dekalog gilt. Doch dem Vf. geht es nicht um literatur-, sondern um rechtshistorische Probleme. Soll der Dekalog von den Anfängen Israels an genuin israelitisches Strafrecht der Gerichtsinstitutionen gewesen sein, so muss er die Frage beantworten, was dieses Recht legitimiert und in ganz Israel durchgesetzt habe, nachdem, wie der Vf. einräumt, die Amphiktyonie-These ihre Überzeugungskraft eingebüßt hat. Die Antwort soll die Sinaiperikope geben, deren literarischen Kern einschließlich des Dekalogs der Vf. mit den Anfängen Israels verbindet. Ungeklärt bleibt, warum gerade der Dekalog, der keinerlei Sanktionsbestimmungen enthält, ältestes Zeugnis des Strafrechts sein soll, während das Mot-jumat-Recht des Bundesbuches in Ex 21,12- 17 späterer Zusatz zur Sinaiperikope sein soll. Diese schon in ihrer internen Logik problematischen Thesen, die darüber hinaus auf einem überholten Forschungsstand aufbauen, determinieren die anschließenden rechtshistorischen Auslegungen zum Familien-, Blut- und Sklavenrecht sowie zur Frage von Gesetz und Prophetie.

Zwei der drei aus den neunziger Jahren stammenden Beitrage beschäftigen sich mit Fragen der Ethik des Alten Testaments und lassen einige neue, über die Dissertation des Vf.s hinausweisende Akzente erkennen. In einem Beitrag "Animals and Torah" macht sich der Vf. für eine Tierethik stark, die eine vegetarische Lebensweise propagiert. In dem Beitrag "Old Testament and Moral Tradition" zeigt der Vf., dass sich mit der Staatsgründung in Israel neben dem Recht eine sozialethische Tradition der Verantwortung für den Nächsten etablierte, die vor allem deuteronomistisch die Rechtstradition integriert und daraus ethische Programme des Gotteswillens entwickelt habe, die der Vf. in einem großen Bogen der Fortschreibung bis in die Spätzeit des Alten Testaments vorstellt. Daran schließt er hermeneutische Überlegungen zur Aktualisierung an: "A particular requirement of Old Testament law cannot be applied to contemporary ethical situations without first ascertaining how that requirement sought to express God's will in its original setting, and wether the principle behind such a requirement can still be ensured through its present application. It is, however, the Hebrew conviction that the needs of individuals override the maintance of property rights which forms the basis of the Christian social tradition and which provides the continued justification for the use of Old Testament in contemporary moral reasoning" (267).

Der Vf. hat in den siebziger und achtziger Jahren vornehmlich die Thesen seiner Dissertation ausgebaut und gegen Kritik verteidigt. Dies dokumentiert der Band eindrücklich.