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Ausgabe:

September/2004

Spalte:

923–925

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kletter, Raz

Titel/Untertitel:

Economic Keystones. The Weight System of the Kingdom of Juda.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1999. 299 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 276. Lw. £ 46,00. ISBN 1-85075-920-0.

Rezensent:

Peter Welten

Die anzuzeigende Monographie ist ein Ausschnitt aus der hebräisch veröffentlichen Dissertation des Vf.s "Selected Material Remains of Judah at the End of the Iron Age in Relation to its Political Borders", PhD Thesis, Tel Aviv University 1995. Es handelt sich bei der Monographie um eine systematische Studie zu den in Ausgrabungen und im Antikenhandel aufgetauchten beschrifteten und unbeschrifteten Gewichten vom Ende des 8.Jh.s und besonders vom 7. Jh. v. Chr. Kern der Arbeit ist ein Katalog, der 434 beschriftete und 196 unbeschriftete Gewichte sowohl aus Ausgrabungen und Oberflächenuntersuchungen als auch aus dem Antikenhandel (151-264 mit vier Appendizes, die Rechenschaft über das Material ablegen) enthält. Im Katalog werden, soweit möglich, Fundort, genaue Fundstelle, Größe, Material und Maße, Erhaltungszustand, Kontext und Literatur angegeben und gelegentlich Zeichnungen beigegeben. So differenziert die Arbeit vorbildlich zwischen Darbietung von Material und Deutung. Eine notwendigerweise ausführliche Bibliographie beschließt die Studie. Im Vergleich mit den weit über 1000 Königsstempeln mag die relativ geringe Zahl von Gewichten überraschen. Dass dies mit einer gewissen Unaufmerksamkeit früherer Ausgräber zusammenhängen kann, die vielfach die unscheinbaren Funde übersehen haben, ist plausibel.

Aus der ausführlich dargestellten Forschungsgeschichte (15- 41) ist die Studie von Y. Yadin (ScrHie 8, 1960, 9-25) erwähnenswert, die das manchen Schekel-Gewichten beigegebene Zeichen (Kreis mit zwei nach oben gebogenen Halbkreisen) als Symbol für königliche, standardisierte Maßeinheit gedeutet hat nach einem Gewicht aus Geser, das die zusätzliche Aufschrift "lmlk" trägt. Weiter ist die Debatte um die als hieratisch identifizierten Zahlen mancher Gewichte erwähnenswert (BASOR 184, 1966 13-19). Angesichts einer gewissen Variationsbreite der gewogenen Gewichte soll die Kontroverse um die Frage erwähnt werden, ob von einem Standard oder von mehren auszugehen ist, wobei sich die Debatte bis jüngst auf mehrere Standards geeinigt hatte (UF 11, 29-45).

Die Datierung ist einigermaßen klar: Ende 8. Jh. und 7. Jh., wobei keine Beziehung zur Reform Josias festzustellen ist. Dabei ist maßgeblich die Datierung von Lachisch III und II nach neuerer Interpretation im Gefolge der Nachgrabungen (u. a. Y. Aharoni, BASOR 224, 1976, 73-90). Die wenigen Exemplare der nachexilischen Zeit vernachlässigt der Vf. als Nachwirkungen der Epoche von 586/587. Der Beginn dieser beschrifteten Gewichte ist ans Ende des 8. Jh.s zu setzen. Die größte Zahl stammt nach den Ausgrabungsbefunden aus dem 7. Jh. Mit ganz wenigen Ausnahmen verteilen sich die Gewichte auf das "klassische" Juda mit einer Konzentration auf Jerusalem, mit großem Abstand folgen Lachisch und Arad. Der Rest verteilt sich etwa gleichmäßig auf das ganze Land (instruktive Karte auf S. 54). Freilich ist die Verteilung der Gewichte nicht geeignet zur Bestimmung der Grenzen Judas angesichts von kleineren Grenzverschiebungen oder Eigenarten des lokalen Handels. Die Gewichte sind meist aus dem örtlichen Kalkstein gefertigt, einige aus Bronze und eines aus Eisen. Meist bestehen sie aus Kuben mit einer den Kubus überwölbenden "Kuppel" ("dome-shaped"). Insgesamt fällt die große Einheitlichkeit der Formen auf. Die naturgemäß spärlichen Buchstaben, meist an der "Kuppel" angebracht, erlauben auf Grund der Schrift nur eine ungefähre Datierung, die mit der stratigraphisch festgestellten in etwa übereinstimmt. Drei Gewichte tragen zusätzlich Personennamen, einmal begegnet "Nedabjah", einmal "Zekarjahu", einmal "Barky", welch letzterer im Alten Testament nicht belegt ist, wohl aber verwandte Namen wie "Berachjahu". Vermutlich handelt es sich um Angaben des Besitzers. Inwiefern dies "Offizielle" sind, ist angesichts der kleinen Zahl nicht zu ermitteln. Schekel-Zeichen und die hieratischen Zeichen weisen kleine Variationen auf. Zusätzlich sind einige Zeichen (einmal Rosette) belegt.

Ein eigenes dornenreiches Kapitel widmet sich der Frage nach der Metrologie im entsprechenden Zeitraum (70-84). Schon in der Forschungsgeschichte dargestellt, muss sich der Vf. mit der Frage verschiedener Standards befassen angesichts gewisser Abweichungen von einem idealen Standardgewicht. Eine Untersuchung der Gewichte zeigt, dass bei den gleichen Maßen höchst selten eine Differenz von mehr als 5 % innerhalb einer Gewichtssorte existiert (Abnutzung, Beschädigung). Dies, verbunden mit einer fast einheitlichen Gestalt der Gewichte, führt den Vf. zur These eines einheitlich metrologischen Systems, das sich von auswärtigen charakteristisch unterscheidet (Mesopotamien: Löwengestalt, Phönizien: Metallgewichte). Mit den belegten Gewichtseinheiten kann jedwedes Gewicht bestimmt werden. Demnach reichen die belegten Gewichte vollständig aus. Scheinbare Lücken im System sind darum kein Hinweis auf andere metrologische Systeme. Ein "Idealschekel" wiegt 11,33 g. Ein "nsf" wiegt 5/6 Schekel, ein "pym" 2/3 Schekel, ein "beqac" 1/2 Schekel. 24 "gerah" ergeben einen Schekel (zum Verhältnis "gerah" - Schekel vgl. 78-80).

Soweit der archäologische Kontext bestimmbar ist, scheinen die Fundorte vor allem häusliche, private Anlagen zu sein (ca. 1/3 der bestimmbaren Gewichte), ein kleinerer Teil stammt aus öffentlichen Gebäuden und eine kleine Zahl aus Festungen und anderen offiziellen Zusammenhängen. Als Grabbeigaben sind Gewichte nicht belegt, was folgenreich ist, da auf dem Antikenmarkt vor allem Funde aus Gräbern auftauchen, Gewichte dementsprechend untervertreten sind. Hier überwiegen 4- und 8-Schekel-Gewichte.

Das Alte Testament kann deswegen sinnvollerweise als Vergleich herangezogen werden, weil dort ebenfalls keine Geldwirtschaft vorausgesetzt ist, jedenfalls nicht vorexilisch. Gewogen wird Gold, Silber und gelegentlich Kupfer; es handelt sich jeweils um Beute und Steuern, meist aus den internationalen Kontakten. Einzelhandel zwischen Privatpersonen ist kaum belegt. Hinzu kommt gelegentlich ein metaphorischer Gebrauch. Die Einheiten "qeschita" und "peres" begegnen im Unterschied zu "gerah", "beqa'" und "pym" auf keinem der ausgegrabenen Gewichte. Zudem werden große Einheiten genannt wie "maneh" und "kikar" (Mine und Talent). Am häufigsten wird der Schekel genannt. Eine Sonderstellung nehmen Vorkommen bei P ein mit der Einheit von 20 "gerah" pro Schekel, vielleicht ein utopisches, nie praktiziertes Maßsystem. Eine vergleichbare Sonderstellung nimmt auch das Maßsystem von Ez 45 ein. Deutlich ist die Nähe zu den gefundenen Gewichten, dabei enthält das Alte Testament nun einmal keinen "Alltagsbericht" über lokale Ökonomie (93-107).

Eine noch größere Nähe ergibt sich zu den in den Ostraka genannten Gewichten. "Königliches" Gewicht mag existiert haben, dürfte sich aber vom "normalen" Gewichtsstandard nicht unterschieden haben. Eine gewisse Angleichung an das ägyptische "dbn/qdt"-System dürfte vorliegen und konnte den Handel mit Ägypten erleichtern. Ein Gewicht in Löwengestalt weist auf Beziehungen zu Mesopotamien hin und sollte nicht, wie geschehen, mit Aschera in Beziehung gebracht werden. Mesopotamische Gewichte sind also gefunden worden, weisen aber keine feststellbare Beziehung zum judäischen Maßsystem auf. Unbeschriftete Gewichte dürften Vorläufer gewesen sein und waren dann im 7. Jh. v. Chr. gleichzeitig mit den beschrifteten im Gebrauch (132-137).

Ein weiteres Kapitel beschließt die Studie und fasst die erzielten Ergebnisse zusammen (138-149). Wer sich in Kürze ein Bild von der ganzen Arbeit machen will, wird durch das zusammenfassende Kapitel ausreichend informiert. Die Arbeit ist eine Spezialstudie zu den Gewichten. Sie ist freilich in ihren Ergebnissen für alle, die sich mit dem Alten Testament befassen, darin bedeutsam, dass sie nüchtern und methodisch klar anhand der Gewichte aufzuzeigen vermag, dass Juda im ausgehenden 8. und 7. Jh. ein geschlossenes, wirtschaftlich in der Ökonomie des Vorderen Orients randständiges, unbedeutendes Land war, ohne Zugang zu internationalen Häfen und ohne Teilhabe an großen Handelsverbindungen. Gerade in dieser Geschlossenheit und Abgeschlossenheit besteht Judas Singularität.

Die gefundenen Gewichte und der entsprechende Standard haben keinen Bezug zu den Reformen Josias oder Hiskias. Sie waren ausschließlich bedingt durch die Binnenökonomie des kleinen, abgelegenen Landes. Bedeutend ist Juda nur im Blick auf seine Rolle in der Bibel und für die Bibel. Folglich mündet die Arbeit in ein Plädoyer für eine Biblische Archäologie. Die Arbeit ist eine nüchterne Studie einer neuen Forschergeneration, die auf ihre Weise ins Zentrum biblischer Studien vorstößt und so auch Maßstäbe zu setzen weiß.