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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

857–859

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Pulsfort, Ernst, u. Rolf Hanusch [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Von der "Gemeinsamen Erklärung" zum "Gemeinsamen Herrenmahl"? Perspektiven der Ökumene im 21. Jahrhundert.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2002. 239 S. 8. Kart. Euro 19,90. ISBN 3-7917-1812-6.

Rezensent:

Eva-Maria Faber

Anlässlich des Ökumenischen Kirchentages 2003 in Berlin hatte das Thema Ökumene auf dem Büchermarkt Hochkonjunktur. Das vorliegende Buch, das auf eine Akademietagung von 2001 in Berlin zurückgeht, versammelt Beiträge von ökumenisch engagierten Theologen unter vier Rubriken: "Zum Stand der ökumenischen Beziehungen", "Perspektiven im Kirchenverständnis", "Perspektiven im Sakramentenverständnis" und "Gemeinschaft im Herrenmahl?" (jeweils ein Beitrag aus katholischer Sicht: W. Beinert, D. Sattler, P. Knauer, O. H. Pesch, ein Beitrag aus evangelischer Sicht: J. Track, Chr. Gestrich, U. Kühn, P. Cornehl, in der ersten und letzten Kategorie zudem ein Beitrag aus orthodoxer Sicht: A. Kallis, Th. Nikolaou). Kennzeichen der Beiträge ist nüchtern-sachliche Bilanzierung, selbstkritische Überprüfung der eigenen Positionen und Einweisung in die Handlungsebene.

In Gegenüberstellung der Dokumente "Dominus Iesus" ("Prävalenz der Einheit vor der nur mehr quantitativen Rang besitzenden Vielheit") und "Communio Sanctorum" ("Wert des Multum als qualitativen Bestandteils des Unum": 19 f.) resümiert Beinert: "Das monolithische Kirchenmodell platonischer Provenienz ist heute unfähig zu neuer Fruchtbarkeit; erst wenn wir wieder die Akzentsetzungen, die wir Konfessionen nennen, als Anreicherungen des eigenen Christseins, als Beiträge zu symphonischer Kirchlichkeit erschauen, haben wir eine Chance, unsere Beziehungen so zu gestalten, dass daraus Einheit in Vielgestaltigkeit wird" (20 f.).

Auf evangelischer Seite wehrt Track den Vorwurf ab, die evangelischen Kirchen hätten einen "schwächeren" Kirchenbegriff: der Kirche werde durchaus ein präziser Ort unter der für sie unverfügbaren Verheißung zugewiesen. Klärungsbedarf sei hingegen bei der Frage ihrer Gestalt und Bedeutung und in Fragen der Gestaltung von Kirche gegeben: "Wir haben Freiheit in der Gestaltung, aber nicht Freiheit von einer angemessenen Gestaltung" (37).

Konkret wird eine Überprüfung des Amtsverständnisses gefordert und vollzogen. Auf römisch-katholischer Seite sieht Sattler in pneumatologischer Hinsicht Revisionsbedarf der eigenen Position. Gestrich postuliert, auch am evangelisch verstandenen Amt müsse noch deutlicher als bisher eine priesterliche und eine königsmäßig leitende Seite wahrgenommen werden (89). Im Blick auf die anzustrebende Einheit der Kirche sei ein Einheitsdienst notwendig (90) - der aber wie jedes Amt prioritären Vollzügen (Wort und Sakrament) untergeordnet sein müsse. Die Beiträge der römisch-katholischen Seite visieren eine konkrete Einheit der Kirche an. Pesch tritt nachdrücklich dafür ein, zu "Herrenmahlsgemeinschaft in begrenzter und dafür vorbereiteter Situation zu ermutigen" (170). Wer dies für unmöglich erkläre, betreibe Denkverweigerung (166). Gleichwohl hält Pesch an einer weitergehenden Zielvorstellung fest: "Eine Gemeinschaft am Tisch des Herrn, nach der alles zwischen Menschen, Gemeinden, Kirchen vor der Welt in Zeugnis und Diakonie so getrennt und konkurrierend weiterginge wie bisher, wäre ein leeres Ritual, mehr noch: wäre gerade unter dem Anspruch, Zeichen und Mittel ersehnter neuer Kirchengemeinschaft zu sein, eine Lüge - nicht weniger" (169). Lebensnah begründet eine solche Option Sattler: "Die bewusste Gemeinschaft der Getauften an ihren Lebensorten erscheint für die Bewahrung des Glaubenslebens so wichtig, dass ein Nebeneinander christlicher Gemeinden in versöhnter Verschiedenheit bei den liturgischen Feiern, im Verständnis der Diakonie und der Katechese oder Mission nicht die letzte Zielgestalt der Ökumene sein kann" (67).

Dass Ökumene immer in konkreten Kontexten gelebt und von ihnen her auch gefordert ist, verdeutlicht der sakramententheologische Beitrag von Kühn. Wenn Menschen heute an bildhafter Vermittlung orientiert seien, dann eröffne dies der Kirche mit ihrem bild- und handlungsorientierten Potential neue Begegnungspunkte (117). Diese Einsicht darf aber nicht nur als Chance, sondern muss auch als ökumenische Herausforderung gelesen werden. "Vielleicht ist sogar der Ruf nach gemeinsamer Eucharistie auf dem Berliner Kirchentag 2003 durch das Gefühl bedingt, dass Christen nicht nur im Wort, sondern eben im Medium symbolischer Kommunikation zusammengehören" (118).

Unter den konkreten Anregungen für eine neue Praxis der Ökumene sei der Vorschlag von Track, in wichtigen Entscheidungen den ökumenischen Partner vorab zu konsultieren, hervorgehoben (49).