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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

827 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Gabriel, Karl [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Herausforderungen kirchlicher Wohlfahrtsverbände. Perspektiven im Spannungsfeld von Wertbindung, Ökonomie und Politik.

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 2001. 201 S. gr.8 = Sozialwissenschaftliche Abhandlungen der Görres-Gesellschaft, 25. Kart. Euro 39,00. ISBN 3-428-10248-7.

Rezensent:

Cla Reto Famos

Der von Karl Gabriel herausgegebene Beitragsband, welcher auf eine Veranstaltung der Sektion für Soziologie der Görres-Gesellschaft zurückgeht, setzt sich mit dem Spannungsfeld von Wertbindung, Ökonomie und Politik auseinander, in dem sich kirchliche Wohlfahrtsverbände zunehmend befinden.

Die Beiträge, von denen hier nur ein Ausschnitt angezeigt werden kann, überzeugen durch ein hohes Reflexionsniveau. Friedrich Fürstenberg verbindet Überlegungen zur Entwicklung kirchlicher Wohlfahrtsverbände mit der religionssoziologischen Analyse moderner Sozialreligion, worunter der Autor vor allem die Aufwertung der Sozialfunktionen im Vergleich etwa zur Seelsorge mit entsprechender Schwerpunktverlagerung versteht. Es zeigt sich, dass Anläufe zur Institutionalisierung sozialreligiöser Impulse gepaart sein müssen mit der Einsicht, dass der religiöse Faktor nur bedingt organisierbar ist. Volker Krech zeigt die Spannung auf, in der kirchliche Wohlfahrtsverbände heute stehen: Einerseits sind sie ihrer spezifisch christlichen Organisationsprogrammatik verpflichtet. Andererseits stehen sie unter dem Marktdruck vor der Herausforderung, ihre Handlungsstrukturen zu professionalisieren. Krech steckt das idealtypische Spektrum der Vermittlung von christlicher Programmatik und sozialer Professionalität ab. Dabei sieht er die meisten Krankenhäuser in diakonischer Trägerschaft als negative Beispiele, in welchen das christliche Proprium auf Kosten der Professionalität und Rentabilität aufgegeben worden ist. Allerdings erscheinen die beiden präsentierten Vermittlungsoptionen merkwürdig blass. Der Autor findet im Gegensatz zu den abgelehnten Optionen für seine Vorschläge keine Praxisbeispiele. Dieter Grundow plädiert dafür, dass kirchliche Wohlfahrtsverbände sich auf die Bestimmung und Bearbeitung schlecht strukturierter und quasi "unlösbarer" sozialer Probleme als ihre Kernfunktion besinnen. Joachim Wiemeyer sieht das Problem kirchlicher Wohlfahrtsverbände hingegen in ihrer Ökonomieferne. Die gesellschaftliche Entscheidung für Märkte als dominierendem Steuerungsinstrument ist nach Meinung des Autors auch sozialethisch gerechtfertigt. In der Folge versucht Wiemeyer zu zeigen, dass es auch aus ordnungspolitischer Sicht für kirchliche Wohlfahrtsverbände durchaus einen Ort gibt, nämlich dort, wo das institutionelle Arrangement der Wohlfahrtsverbände einen komparativen Vorteil gegenüber Markt- und Staatsangeboten aufweist. Innovation und Flexibilität sowie die Fähigkeit, auf neue Bedürfnisse zu reagieren, müssen allerdings deutlich gefördert werden. Josef Schmid analysiert die sozialpolitischen Entwicklungen auf der Ebene der europäischen Integration und zeigt die Konsequenzen für kirchliche Wohlfahrtsverbände in der Bundesrepublik Deutschland auf. Mit seinen vielfältigen Beiträgen vermag der angezeigte Titel wertvolle Anstöße zu geben.