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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

825–827

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Berry, R. J.

Titel/Untertitel:

God's Book of Works. The Nature and Theology of Nature.

Verlag:

Illustrations by J. Busby. London-New York: T & T Clark 2003. XVI, 286 S. m. Abb. gr.8 = Glasgow Gifford Lectures. Kart. £ 17,99. ISBN 0-567-08915-0.

Rezensent:

Dirk Evers

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um die nun veröffentlichen Gifford-Lectures des Biologen R. J. Berry, emeritierter Professor für Genetik am University College London, die er 1997-98 an der Universität Glasgow vorgetragen hat. Die Gifford-Lectures, gestiftet durch den letzten Willen des Lord Gifford of Scotland, werden seit 1888 an den vier schottischen Universitäten Edinburgh, St. Andrews, Glasgow und Aberdeen gehalten. Unter denjenigen, die Gifford-Lectures vorgetragen haben, finden sich Naturwissenschaftler ebenso wie Theologen, darunter so illustre Namen wie Arthur Eddington, A. N. Whitehead, Karl Barth, Niels Bohr, Paul Tillich, Werner Heisenberg u. v. a.

B. ist nicht nur ein ausgewiesener Biologe und Genetiker, er war und ist national und international engagiert in der ökologischen Bewegung, u. a. als früherer Präsident der British Ecological Society sowie der European Ecological Federation. Darüber hinaus engagierte er sich als anglikanischer Christ protestantischer Prägung u. a. als ehemaliger Präsident der britischen Gesellschaft Christians in Science. Sein mit diesen Vorlesungen verfolgtes eigenes Anliegen sieht B. deshalb in der Verbindung von Naturwissenschaft mit christlichen Glaubensüberzeugungen im Blick auf die ökologischen Herausforderungen. Naturwissenschaft und Religion haben sich dabei gegenseitig zu kritisieren, sich voreinander mit ihren Thesen zu rechtfertigen und sich gegenseitig zu korrigieren, wenn Inkongruenzen auftreten. B. bezieht sich mehrfach und ausdrücklich auf die Stiftungsurkunde von Lord Gifford, in der dieser als den Zweck seiner Stiftung bestimmte: Promoting, Advancing, Teaching, and Diffusing the Study of Natural Theology in the widest sense of that term (3), hebt aber hervor, dass es sich bei seinen Versuchen weniger um eine Variante natürlicher Theologie denn um eine Theologie der Natur handelt, die er jedoch ausdrücklich als Naturwissenschaftler und deshalb im Sinne versuchsweiser Hypothesen vorzutragen gedenkt.

B. formuliert von daher vier Intentionen seines Buches: "1. to explore religious faith(s) in the light of biological science; 2. to test whether scientific understanding is a sufficient description of the human condition; 3. to investigate the credibility of religious belief in the twenty-first century; 4. to seek a robust basis for behaviour in a crowded and ill-treated world" (XII).

Zum Aufbau im Einzelnen: B. bietet in den ersten drei Kapiteln vor allem historische Bemerkungen, zunächst (1.) zum Verhältnis von biologischer Wissenschaft und natürlicher Theologie vom 17. Jh. bis heute, vornehmlich in angelsächsischer Perspektive, dann (2.) zur naturwissenschaftlichen Methode in ihrem Verhältnis zu religiösen Fragen, sowie (3.) zu den durch die Darwinsche Evolutionstheorie und die moderne Genetik wesentlich mitbestimmten Umbrüchen im Menschenbild. Das 4. Kapitel schließt daran an und entwickelt eine "Theology of DANN" (63), deren grundlegende, zunächst biologisch begründete These lautet, dass Menschen mehr sind als ihre Gene. Darauf kann sich die biblische Bestimmung des Menschen als Gottes Ebenbild beziehen, die zugleich Aufgabe und Verantwortung des Menschen auch in seinem Verhältnis zur Natur impliziert. Eine vorsichtige Bejahung gentechnischer Möglichkeiten steht für B. damit durchaus in Einklang.

Die Kapitel 5 bis 9 sind dann umweltethischen Fragestellungen gewidmet, und in ihnen kommt die Erfahrung und Kompetenz des umweltpolitisch engagierten, christlichen Naturwissenschaftlers zur Geltung. Unter der Überschrift "Green Religion" (5.) wird die Interpretation des Herrschaftsauftrages von Gen 1 kritisch betrachtet und mit umweltverträglichen Formen von Religiosität wie New Age, Panentheismus bis hin zum Ökofeminismus kontrastiert. Als Fazit bestimmt B. die Aufgabe einer metaphysical reconstruction (103 ff.) unseres Verständnisses von Natur, in der religiöse Erfahrung und wissenschaftliche Erforschung zusammenkommen. Die Naturwissenschaften nähern sich dieser Aufgabe ihrerseits in Form einer "Green Science" (6.), die zwar deutlich den Extravaganzen vieler Spielformen der grünen Religion widerspricht, doch andererseits durch Konzepte wie Selbstorganisation und Ko-Evolution über einen bloßen Naturalismus hinausweist. "The place(s) where green religion meets green science is the testbed of natural theology" (109).

Dazu gilt es, auch die politischen Entwicklungen zu beachten, die nach B. auf eine globale Umweltethik zulaufen, zu der christliche Ethik und Theologie Entscheidendes beizutragen haben. Das Kapitel "Running Out of World" (7.) beschreibt die Entwicklung des globalen ökologischen Bewusstseins angesichts der Grenzen unserer natürlichen Resourcen, das Kapitel "Governments and Greens" (8.) die parallele Entwicklung der Etablierung umweltpolitischer Grundsätze. Im Kapitel "Convergence and Stewardship" (9.) entwickelt B. das biblische Bild der gerechten Haushalterschaft als das Basismodell einer globalen Umweltethik, mit dem sich eine berechtigte Hoffnung auf breite Akzeptanz verbindet. Als Indiz für die Konvergenz umweltethischer Grundsätze arbeitet er zehn Prämissen heraus, die verantwortliche Haushalterschaft charakterisieren und sich in den entsprechenden Deklarationen der UN und vieler anderer Kommissionen wiederfinden lassen (194 f.).

Mit den Kapiteln 10 bis 12 wendet sich B. dann wieder eher theologischen Themen zu, wenn er danach fragt, wie allgemein religiöse Momente (Ehrfurcht, Wunder, Weisheit), dann aber auch spezifisch christliche Theologoumena wie das der Heilsgeschichte und der Erlösung durch das Kreuz Christi ihren Beitrag leisten zu einem inspirierten und ökologisch relevanten Verständnis der Schöpfung.

Die Stärke des vorliegenden Buches liegt darin, ganz unterschiedliche, inhaltlich zunächst nur lose verknüpfte, aber doch in einer theologisch, naturwissenschaftlich und ökologisch gleichermaßen interessierten Person notwendig zusammenkommende Themen in einer einheitlichen Darstellung zusammenzubringen. Und zugleich liegt die Schwäche dieser Vorlesungen darin, dass sie damit zwar eine Fülle von Themen und Material vorführen, doch keine integrierende Perspektive entwickelt wird, in der der systematische Zusammenhang dieser Themen deutlich zu werden vermag. Die von B. bemühte Denkfigur der zwei Bücher, dem offenbarten Buch der Schrift und dem in der Natur sich manifestierenden Buch der Werke Gottes, die sich nicht widersprechen, sondern ergänzen sollen, reicht jedenfalls nicht zu, um über manche interessante Einsicht hinaus eine wirklich weiterführende Grundlegung des Verhältnisses von Biologie, Natur und Schöpfungslehre zu liefern. Besonders deutlich zeigt sich dieses Manko an reflektierter Interdisziplinarität in den Schlusskapiteln, wenn etwa Adam und Eva als neolithische Farmer des Nahen Ostens historisiert werden, in denen Gott den Übergang vom homo sapiens zum homo divinus vollzogen habe. Die zentralen umweltethischen Kapitel dagegen bieten mit ihren zehn Prämissen so etwas wie ein konzises und konsensfähiges ökologisches Weltethos, auf das eine christliche Ethik des Umgangs mit der Natur sich wird fruchtbar beziehen können und müssen.