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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

817–819

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Joha, Zdenko

Titel/Untertitel:

Schöpfungstheorie und Evolutionslehre. Die Wirklichkeit im Spannungsfeld von naturwissenschaftlicher Forschung und theologischer Deutung.

Verlag:

Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2002. 389 S. 8 = Europäische Hochschulschriften. Reihe 23, 742. Kart. Euro 50,10. ISBN 3-631-39137-4.

Rezensent:

Heinrich Bedford-Strohm

Zu den Grundthemen der Theologie gehört die Frage, wie sich die theologische Rede von der Natur als Schöpfung Gottes zu den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften über die Entstehung des Kosmos verhält. Der intensive Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten hat viel dazu beigetragen, althergebrachte Barrieren zwischen beiden Zugangsweisen zu überwinden. Jedenfalls die aufgeklärten Vertreter beider Disziplinen gewinnen ihre je eigene fachliche Identität nicht mehr durch Abgrenzung, sondern durch dialogorientierte Selbstbegrenzung.

Als Frucht bisheriger Bemühungen in diese Richtung kann auch die jetzt vorgelegte Arbeit des kroatischen römisch-katholischen Theologen Zdenko Joha gewertet werden. Das Buch J.s, der an der Gregoriana in Rom promoviert wurde, ist die Frucht langjähriger wissenschaftlicher Arbeit unter der Führung von Walter Kasper und entstand neben der Tätigkeit als Pfarrer in der Diözese Freiburg und einem Lehrauftrag an der Universität Mannheim. Umso eindrucksvoller ist die Fülle der wissenschaftlichen Literatur, die in diese Arbeit eingeflossen ist.

J. führt den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie an einem zentralen Punkt: dem Verhältnis von theologischer Weltdeutung und Evolutionstheorie. In einem ersten Hauptteil stellt er zunächst die durch den Fall Galilei und die kopernikanische Wende entstandene und dann durch den Darwinismus verschärfte spannungsträchtige Differenz zwischen einem naturwissenschaftlichen Weltbild und theologischer Weltdeutung dar und beschreibt dann Tendenzen wechselseitiger Öffnung im 20. Jh. Auf der Seite der Naturwissenschaften stehen Namen wie Max Plank, Albert Einstein oder Werner Heisenberg. Auf der Seite der Theologie behandelt J. Entwürfe wie den Karl Rahners auf katholischer Seite und Wolfhart Pannenbergs auf protestantischer Seite, aber auch die Befreiungstheologien und die amerikanische Prozesstheologie und schließlich auch das sich öffnende römisch-katholische Lehramt.

In einem zweiten Teil wendet sich J. zwei Entwürfen zu, bei denen die Spannung zwischen Schöpfungstheologie und Naturwissenschaften weitmöglichst aufgehoben wird: zum einen der Theologie Teilhard de Chardins, die eine Synthese zwischen Glauben und Wissenschaft herzustellen sucht, zum anderen noch einmal in vertiefter Weise dem Ansatz Karl Rahners, der vom Dynamismus des menschlichen Geistes ausgeht und ihn als Verständnismodell für die Dynamik aller Wirklichkeitsebenen betrachtet.

In seinem dritten Teil schließlich versucht J., das Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie neu zu deuten und einen Ansatz zu entwickeln, der sowohl menschlicher Grunderfahrung als auch naturwissenschaftlicher Forschung gerecht wird.

J.s viele Autoren aufgreifende Anamnese des spannungsvollen Verhältnisses zwischen Theologie und Naturwissenschaften seit Darwin ist in ihren jeweiligen, meist nur wenige Sätze umfassenden Darstellungen notwendigerweise so schemenhaft, dass die Konturen der jeweiligen Ansätze oft nicht deutlich werden. Zeitweise geht sie so eng an dem schon von Jürgen Hübner vorgelegten Überblick entlang, dass fraglich bleibt, ob eine oberflächliche Wiederholung hier Sinn macht. Erhellend, wenn auch nicht neu, ist aber die anhand von einschlägigen Zitaten erläuterte Herausarbeitung des Unterschieds zwischen Darwin und den Darwinisten wie etwa Ernst Haeckel: Während Darwin selbst seine Lehre keineswegs auf der Negation theologischer Redeweise von der Natur als Schöpfung gründete, verstand Haeckel den Darwinismus als exklusive Form der Welterklärung. Der Begriff der Schöpfung, so Haeckel, sei mit jeder reinen, auf empirische Basis gegründeten Naturanschauung vollkommen unverträglich.

In dem Maße, in dem die Naturwissenschaften solchen Exklusivitätsanspruch aufgaben, so erläutert J., taten sich Türen zum Gespräch mit der Theologie auf. Das zeigt J. zunächst ausführlich am Ansatz Teilhard de Chardins, der weiter als alle anderen auf die durch Darwin geprägte Sicht der Naturwissenschaften zugeht, indem er die Evolution als Ergebnis des schöpferischen Handelns Gottes an seiner Welt versteht. Indem er die Evolution dem mystischen Punkt Omega, dem Ziel des Werdens zustreben sieht, sieht er die Schöpfung auf die Wiederkunft Christi zugehen. J. würdigt Teilhards Absicht, die Welt in ihrer Einheit als Schöpfung zu begreifen, lässt aber auch die bekannte Kritik nicht unausgesprochen, Teilhard habe sein wissenschaftliches und sein spekulatives Denken nicht sorgfältig genug voneinander unterschieden.

Der Entwurf, dem J. für sein eigenes Denken offensichtlich am meisten verdankt und der in seinem Buch daher auch den größten Raum einnimmt, ist der Entwurf Karl Rahners. Rahners "anthropologische Wende" ermöglicht eine Sicht, die die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Weltentstehung würdigen kann, ohne die existentiell-ontologische Deutung des Menschen, zu der die biblischen Schöpfungstexte verhelfen können, dadurch in Frage zu stellen. Rahners Ansatz beim menschlichen Bewusstsein als anthropologischer Gegebenheit, so gibt J. indessen zu Recht zu bedenken, ist nicht auf die gesamte Schöpfungswirklichkeit anwendbar, da Schöpfung mehr umfasst als etwas rein Anthropologisches. Ein ontologischer Grundsatz, der die Identität von Sein und Erkennen annimmt - so J. - "reduziert die gesamte Wirklichkeit auf etwas Anthropologisches, um sie im Nachhinein doch gnoseologisch zu deuten" (222).

Im Lichte dieses Vorbehalts gegenüber Rahner überrascht es nicht, wenn J. auch in seinem eigenen Entwurf zunächst erkenntnistheoretisch ansetzt. Über die Beschaffenheit der absoluten Wirklichkeit - so stellt er fest - lassen sich prinzipiell keine Aussagen treffen. Völlig zu Recht stellt er solche Aussagen in einen Beziehungskontext, der auf Analogien und sinnhafte Metaphern angewiesen bleibt (311). Auf der Basis eines erkenntnistheoretischen Beziehungsdenkens erscheint es dann aber wenig plausibel, wenn J. dann doch nach einem Gesetz sucht, "das von Naturwissenschaften wie auch den Geisteswissenschaften als sowohl für die Gesamtwirklichkeit wie auch für die Einzelphänomene als gültig anerkannt wird." Ein solches Gesetz müsste ja unabhängig von den Beziehungskontexten gedacht werden und steht von daher in Spannung zu dem vorher angedachten Ansatz. Dennoch meint J., fündig werden zu können: "Ein zentrales Grundprinzip beherrscht unsere Welt sowohl in ihrer Gesamtheit wie auch punktuell und läßt sich auf allen Existenzbereichen beobachten - es ist das Gesetz eines kosmischen Auf- und Abbaus" (313).

Das Gesetz des Auf- und Abbaus nimmt J. konsequenterweise auch als Folie für seine Aussagen zur Anthropologie. Neben der auf- und der abbauenden Dimension des Kosmos sieht er die Ebene der Personalität als dritte Dimension der Anthropologie, in der die Bewusstwerdung des Auf- und Abbaus die zentrale Rolle spielt. Aufbauende und abbauende Tendenz sind in jeder kosmischen Einheit in jedem Moment gleichzeitig und überall vorhanden, die schöpferische, existenz-gründende Dimension ist aber der abbauenden stets überlegen (324). Die in Christus personifizierte Liebe gibt dem Ausdruck.

Die Eigenständigkeit von J.s Ansatz ist ohne Zweifel zu würdigen. Der Eindruck einer gewissen Konstruiertheit dieses Denksystems mindert aber seine Überzeugungskraft. Sein Buch hat gleichwohl schon darin seinen Wert, dass es in die Geschichte des Nachdenkens über das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften einführt und anhand von profilierten Entwürfen mögliche Antwortversuche beschreibt. Ob J.s eigener Entwurf den Dialog wesentlich voranbringen wird, muss offen bleiben. Die gedanklichen Impulse, die darin stecken, machen die Lektüre jedenfalls der Mühe wert.