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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

806 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Ng, Nathan Kwok-kit

Titel/Untertitel:

The Spirituality of Athanasius. A Key for Proper Understanding of this Important Church Father.

Verlag:

Bern-Berlin-Bruxelles-Frankfurt a. M.-New York-Oxford-Wien: Lang 2001. 392 S. 8 = Europäische Hochschulschriften. Reihe 23: Theologie, 733. Kart. Euro 57,30. ISBN 3-906767-99-X.

Rezensent:

Annette von Stockhausen

Nathan Kwok-kit Ng verfolgt in seiner 2001 an der Universität Edinburgh angenommenen Dissertation kein geringes Ziel: Er will Athanasius von den gegen ihn durch die jüngere Forschung (genannt seien nur die Arbeiten von Seeck, Schwartz und Barnes) erhobenen "Vorwürfen" entlasten und als vorbildhaften Christen und Bischof rehabilitieren.

An Stelle der (mehr oder weniger exklusiven) Betonung der kirchen- und machtpolitischen Züge des Athanasius will N. das Leben des Athanasius von der Perspektive der Spiritualität her, verstanden als die "innermost conviction of a person" (347), neu betrachten. Darüber hinaus verbindet er damit den Anspruch, zu einem allgemein gültigen Kriterium für die Beurteilung anderer Athanasius-Studien zu kommen (355). Aus diesem Grund ist der Untertitel der Studie im Grunde irreführend: Für N. ist die Spiritualität nicht ein Schlüssel, sondern der Schlüssel für das rechte Verständnis des Athanasius.

Ausgehend von seinem Ziel einer Rehabilitierung des Athanasius gibt N. in der Einleitung (21-42) zunächst einen Überblick über die Forschungsgeschichte. Dieser wird allerdings etwas redundant (273-289) wieder aufgenommen, was aber noch einmal deutlich vor Augen führt, wie wichtig N. die Zurückweisung des negativen Bildes des Athanasius in Teilen der bisherigen Forschung ist. Schließlich stellt N. in der Einleitung auch kurz sein eigenes Vorgehen vor.

Auf S. 43-346 folgt der Hauptteil der Arbeit, die Untersuchung der Spiritualität des Athanasius, zuerst aus den Blickwinkeln Theologie (43-122) und Askese (123-197), daraufhin in der Vita Antonii (199-270), um schließlich die in den vorangehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse für einen biographischen Längsschnitt im Kapitel "Spirituality and the Life of Athanasius" (271-346) fruchtbar zu machen.

Auf den Seiten 347 bis 355 gibt N. abschließend eine kurze Zusammenfassung seiner Ergebnisse. Die Arbeit wird beschlossen durch das Literaturverzeichnis (357-383), einen Index der behandelten Athanasius-Schriften (385 f.; ein richtiger Stellenindex wäre allerdings hilfreicher gewesen), einen Index der antiken Personen (386-389) und einen Index der zitierten modernen Autoren (389-392).

N. übt an vielen bisherigen Untersuchungen zu Athanasius Kritik. Da sich vor allem Historiker mit Athanasius beschäftigt hätten, sei bei ihnen die politische Komponente im Leben und Wirken des Athanasius überbewertet. Seinem Anspruch nach hat demgegenüber N. einen umfassenden Zugang (354): "In our study, we have tried to link together all the historical background, theological system, ascetic teachings, and personal behaviour of Athanasius." In Wirklichkeit geht er aber von einem ganz und gar theologischen, dazu apologetisch eingeengten Blickwinkel aus und fällt dadurch ins entgegengesetzte Extrem der von ihm kritisierten Forscher. Denn leider werden entgegen seiner Ankündigung die historischen Aspekte von N. deutlich vernachlässigt, ebenso wie das damit verbundene methodische Vorgehen.

Als ein Beispiel sei nur das letzte große Kapitel "Spirituality and the Life of Athanasius" (271-346) herausgenommen. N. verfolgt darin folgendes Ziel: "In this chapter, we will try to review the life of Athanasius and the Arian controversy based on our understanding of his spirituality" (273). Vor allem unter Verwendung der Festbriefe wird das Leben des Athanasius nachgezeichnet. Da jedoch die Gattung Osterfestbrief und der mit ihr verbundene Zweck methodisch nicht thematisiert und folglich auch nicht beachtet werden, kommt N. zu Überinterpretationen; denn auf Basis dieser Textauswahl kann es nicht verwundern, dass spirituelle Themen eine besondere Rolle spielen, politische Themen aber nur am Rande vorkommen. Daher liegt das Ergebnis der Untersuchung, Athanasius sei "much more like a pious pastor than an ambitious politician" (354) zu nicht geringen Teilen darin begründet, dass nur die asketischen Schriften und die Festbriefe, nicht aber die "historischen" und "dogmatischen" Schriften in gleicher Intensität ausgewertet werden.

Dieser theologische Fokus hat wohl auch zur Folge, dass die mit den Schriften des Athanasius verbundenen literarischen Fragen keine Rolle spielen, dafür einschlägige Literatur fehlt und die kritischen Editionen der Werke des Athanasius nicht verwendet werden. Methodische Schwächen zeigen sich auch darin, dass vielfach Urteile aus der Sekundärliteratur einfach übernommen bzw. bei zwei einander entgegengesetzten Meinungen oft nur nebeneinander gestellt werden bzw. die eine der anderen ohne Begründung vorgezogen wird.

Auch haben die deutlich apologetischen Züge - so hebt N. z.B. im Laufe der Studie immer wieder hervor, dass Athanasius' Spiritualität kohärent und konsequent sei (z. B. 272) und dass Athanasius entsprechend seinen Überzeugungen gelebt habe (z.B. 329) - an einzelnen Stellen Undifferenziertheiten, wie die dogmengeschichtlich nicht haltbare, aber durchgängige Be-zeichnung der Gegner des Athanasius als "Arianer", und verzerrte Darstellungen, wie das sehr bemühte Wegdiskutieren eventuell negativer Züge des Athanasius auf S. 276-292, zur Folge.

Ein Fazit: Mit der Untersuchung der Spiritualität des Athanasius hat N. sicherlich auf einen in der bisherigen Athanasius-Forschung eher minder beachteten Aspekt aufmerksam gemacht. Weiterführend ist wohl auch der biographische Ansatz, da N. im Grunde über weite Teile eine Biographie des Athanasius unter dem Fokus der Spiritualität verfasst hat. Den von ihr gestellten hohen Ansprüchen wird die Arbeit aber nicht gerecht. Eine wirklich alle Aspekte ausgewogen betrachtende Biographie des Athanasius bleibt nach wie vor ein Desiderat.