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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

793–795

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ossom-Batsa, George

Titel/Untertitel:

The Institution of the Eucharist in the Gospel of Mark. A Study of the Function of Mark 14, 22-25 within the Gospel Narrative.

Verlag:

Bern-Berlin-Bruxelles-Frankfurt a. M.-New York-Oxford-Wien: Lang 2001. 312 S. 8 = Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie, 727. Kart. SFr 73,00. ISBN 3-906767-20-5.

Rezensent:

Michael Labahn

Ossom-Batsas Studie stellt eine von Albert Vanhoye betreute Dissertation dar, die 2000 an der Gregoriana in Rom angenommen wurde. Gibt es zahlreiche Studien zu diachronen Fragestellungen des Abendmahls, seiner Einsetzung, seiner religionsgeschichtlichen Stellung und seinem Verhältnis zum historischen Jesus, so überrascht das weitreichende Fehlen von Arbeiten zur literarischen Funktion des Einsetzungsberichts in den synoptischen Evangelien. Diese Lücke will die Arbeit von O.-B. schließen, indem sie narrative und pragmatische Methoden anwendet.

Einer kurzen Einleitung, die über Umfang, Struktur, Aufgabe und Zielrichtung informiert, folgen weitere zum Thema hinführende Bemerkungen. Der forschungsgeschichtliche Überblick widmet sich lediglich den Phasen der Markusinterpretation bis zum "literary criticism". Es folgen Erwägungen über die Relation des Einsetzungsberichts zur literarischen Gesamtstruktur des Markusevangeliums und zur Textkritik von Mk 14, 22-25. O.-B. folgt der etwas gezwungenen konzentrischen Gliederung von Standaert und Stock; freilich gibt er die Klimax des MkEvs mit Passion, Kreuz und Auferstehung an. Die konzentrische Struktur unterstreicht nach O.-B. die besondere Bedeutung des Einsetzungsberichts für das MkEv: Hier erkenne der implizite Leser "that the Christos is the hyrios tou theou whose death establishes a diatheke between God and mankind" (74). Weiterhin wird die literarische Abgrenzung von Mk 14,22-25 begründet, wobei 14,26 mit Recht als Einleitung der Gethsemaneepisode verstanden wird. Trotz Spannungen bilde der Einsetzungsbericht "a unified text" (94).

Es folgen recht schematisch die kurze sprachlich-syntaktische und die semantische Analyse, deren Kern längere Überlegungen zum Stichwort "diatheke" bilden. Als methodische Leitfrage wird die Bedeutung der sprachlichen Einzelelemente in sich und in ihrem Verhältnis zum literarischen Ganzen erhoben. Unterschieden wird dabei einerseits zwischen dem Geschenk von Leib und Blut verbunden durch den Begriff der diatheke, die den Eingang in die Gottesbasileia ermöglicht, und dem eschatologischen Ausblick andererseits. Der Kontext definiert das letzte Mahl Jesu als Passamahl (109 und 157 f.), auch wenn dies der Einsetzung selbst, wie O.-B. zugibt, nicht zu entnehmen ist. Die Kodierung als Passamahl werde aber durch den Gedanken der Erlösung gestützt. Eingebunden ist die Einsetzung in zwei Perikopen, die ein Fehlverhalten der Jesusjünger dokumentieren; dennoch wird niemand vom Mahl ausgeschlossen: "body and blood of Jesus are his gifts to the broken or those who are not considered righteous so that they may be healed" (158). Schon die semantische Analyse ist eine Lektüre des Einsetzungsberichts vor dem Hintergrund des gesamten MkEvs (und den biblischen Schriften überhaupt; s. u.), was durch die Thematisierung seiner literarischen Funktion im Gesamtevangelium vertieft wird. Jesus belehrt über die Folgen seines Todes und handelt durch die Einsetzung als "Prophet". Die Ansage des Verrats bildet das Forum der Einsetzung, wobei der Gedanke entfaltet wird, "that Judas was not predestined to betray Jesus but he freely chose to do it" (176); die Vorstellung des Versagens ist auch in der Ankündigung der Verleugnung des Petrus präsent. Im Kontrast zum Verrat steht die "ewige Gemeinschaft" gestiftet durch die diatheke: "The context of betrayal is balanced by the theme of reconciliation and communion evoked in the institution account" (190). Der Einsetzungsbericht wird sowohl zur "introduction" als auch zum Schlüssel der gesamten Passion stilisiert.

Die literarische Funktion des Einsetzungsberichts klärt unter Aufnahme der vorauslaufenden Analyse das letzte Kapitel der Arbeit. Im Verhältnis zum Gesamtevangelium werden verbale wie literarische Parallelen, die Relation zu Mk 2,18-22, zu den Leidensweissagungen und indirekten Hinweisen auf Jesu Passion (9,2-13; 10,45), zu Mk 12,1-12 und zu den Speisungswundern in Mk 6,30-44 und 8,1-10 aufgezeigt und analysiert. Nach O.-B. liegt im MkEv eine Weissagungs-Erfüllungs-Technik vor, mit der der Evangelist die einzelnen Passagen verbindet und die Erzählung als Entfaltung eines göttlichen Plans verstehen lässt: Jesu Tod und Auferstehung weisen Gottes Herrschaft auf. Alles läuft nach O.-B. im MkEv auf die diatheke hinaus, die "must be understood in an extensive sense of God's gift of salvation and relationship with him realised in the person and activity of Jesus" (242). In diesem Gefälle eröffne der Einsetzungsbericht gar das Geheimnis, dass Jesus der Sohn Gottes ist.

Im letzten Abschnitt wird nach der Pragmatik gefragt. Der Erzähler sucht zu erreichen, dass die Leserschaft die Verbindung zwischen Leidensweissagungen und dem Kreuz erkennt, so dass sie dies als ein positives Geschehen versteht und in Jesu Bund eintritt. O.-B. nimmt den implied reader als omnipräsenten "reader" in den Fokus, den er aber nicht weit von den textexternen Lesern absetzt. Kenntnisse der Schrift wie hebräischer Kultur werden vorausgesetzt (weshalb müssen dann jüdische Bräuche erläutert [Mk 7,3 f.; 14,12; 15,42] werden?). Zudem instruiert der Erzähler seinen implied reader durch den Fortlauf des Werkes über die Identität Jesu als Messias und Sohn Gottes und über seine Vollmacht. Anvisierte Effekte sind die Unterhaltung der Leser, der Glaube an die Wirksamkeit der Einsetzungsworte und die Bewunderung Jesu, so dass sie das Geschenk Jesu annehmen und in den Bund eintreten (263).

Inhaltlich arbeitet O.-B. eine enge Verknüpfung des Einsetzungsberichts mit dem Gesamtevangelium heraus und widmet sich, was als Verdienst seiner Arbeit anzusehen ist, einer bisher wenig beachteten, aber dennoch nicht minder wichtigen Frage nach Integration und Bedeutung des Einsetzungsberichts für das MkEv. Das Versagen von Jüngern bildet als Rahmen des Einsetzungsberichts eine konstrastierende Folie; dies ist sicher eine wichtige Beobachtung, die den markinischen Einsetzungsbericht auch für das Nachfolge- und Glaubensverständnis des MkEvs zu beachten gibt. Dennoch überzeugt die methodisch dezidiert synchron ausgerichtete Studie nicht vollauf. Der Blick auf das Ganze, der unausgesprochen Züge kanonischer Hermeneutik trägt, prägt die semantischen und syntaktischen Analysen des Einsetzungsberichts selbst, dessen sprachliche Konsistenz und Eigenstruktur angesichts des methodischen Pro- gramms unerwartet schemenhaft bleiben. So werden der neue Bund (135 ff.; das Stichwort neu hat in Mk 14,25 eine eigene Bedeutung) oder die Erinnerung (142 ff.) aus dem Kontext bzw. von anderen Berichten her in die Interpretation integriert. Auch die starke Gewichtung des Passa ist durch die Analyse des Einsetzungsberichts selbst nicht zu stützen, was in den bekannten Debatten der Forschung unterschiedlich bewertet wird. Dies sind jedoch nicht allein inhaltliche Rückfragen, sondern betrifft auch die methodische Durchführung. Zudem nötigt die Leserführung im MkEv selbst zu Rückfragen an O.-B. Dass in den von ihm genannten Texten das Leiden, im Einzelnen auch als Sterben für andere (10,45), genannt ist, steht außer Zweifel - wichtiger aber ist die Frage, wie die Relation dieser Passagen zum Einsetzungsbericht zu begründen ist, welche Leser steuernden Signale benannt werden können und welche Pragmatik damit verbunden ist. An diesem wichtigen Punkt ist die Studie m. E. oft zu affirmatorisch und zu assoziativ. Damit ist aber weniger nachdrücklich vom Zentralcharakter des Einsetzungsberichts zu reden noch ist der Einsetzungsbericht als Zielpunkt des MkEvs zu bestimmen.

Die Erkenntnisse dieser Studie untermauern dennoch die nicht mehr ganz neue Einsicht, dass "Markus" nicht allein Sammler, sondern Erzähler seines Evangeliums ist. Ein je großzügig formatiertes Abkürzungs- und Literaturverzeichnis, das - wie übrigens das gesamte Manuskript - sorgfältiger hätte redigiert werden müssen (z. B. van der Host statt van der Horst oder van Ieserl statt van Iersel), leiten die Studie ein bzw. schließen sie ab.