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Ausgabe:

Juni/1998

Spalte:

587–589

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hoerth, Alfred J., Mattingly, Gerald L., and Edwin M. Yamauchi [Ed.]

Titel/Untertitel:

Peoples of the Old Testament World. Fore-word by A. R. Millard.

Verlag:

Cambridge: Lutterworth Press/ Grand Rapids: Baker Books 1996. 400 S. m. Abb. gr.8. Hlw. £ 22.50.

Rezensent:

Stefan Timm

Das vorliegende Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Nicht nur haben A. J. Hoerth, G. L. Mattingly und E. M. Yamauchi es zusammen herausgegeben, wobei A. R. Millard ihm noch ein Vorwort vorangestellt hat, sondern weitere Kollegen konnten zur Mitarbeit gewonnen werden, von denen jeder einzelne dann sein Spezialgebiet darstellte.

So bietet in Part 1: Mesopotamia W. R. Bolin eine Geschichte der Sumerians (19-42), B. T. Arnold eine Geschichte der Babylonier (43-76), W. C. Gwaltney Jr. eine Geschichte der Assyrer (77-106) und E. M. Yamauchi eine Geschichte der Perser (107-124). In Part 2: Anatolia, Syria-Palestine and Egypt, wird von weiteren Verfassern die Geschichte der Einzelvölker dieses geographischen Raumes ausgebreitet, wobei H. A. Hoffner Jr. die Hithiter behandelt (127-156), K. N. Schoville die Kanaaniter and Amoriter (157-182), W. W. Ward die Phönizier (183-206), W. T. Pitard die Aramäer (207-230), D. M. Howard die Philister (231-250) und J. K. Hoffmeier die Egypter (251-290). In Part 3: Transjordania stellt E. W. Younker die Ammoniter vor (293-316), G. L. Mattingly die Moabiter (317-334) und K. G. Hoglund die Edomiter (335-347).

Dieser Aufriß macht deutlich, worin die Stärken des Gemeinschaftswerkes liegen. Sie bestehen darin, daß die Geschichte jedes einzelnen Volkes von je einem Spezialisten dargeboten wird, der sich ganz auf seine Sache konzentrieren und trotz begrenzter Seitenzahl jeweils eine komprimierte Darstellung geben kann. Am Ende jeder Einzeldarstellung wird regelmäßig weiterführende Literatur empfohlen ("Recommended Reading"). Die Literaturverweise beziehen sich fast ausschließlich auf amerikanisch- oder englischsprachige Werke. Deutschsprachige Literatur ist nur selten angegeben (so zu den Hethitern, den Phöniziern und Moabitern), auf französischsprachige Werke noch seltener verwiesen (zu den Phöniziern und Aramäern), noch anderssprachige Titel (in holländisch, italienisch, spanisch o. ä.) sind nicht zitiert. Damit ist klar, welchen Leserkreis die Herausgeber bei ihrem Werk anvisiert haben. Es sind amerikanisch- bzw. englischsprachige Studierende, die sich auf knappem Raum gründlich in die Geschichte des Alten Orients und Ägyptens einarbeiten wollen und hiermit zweifellos auch können.

Die genannten Stärken sind gleichzeitig auch die Schwächen des Gemeinschaftswerkes. Zwar weiß der Vf. des ersten Abschnittes, daß die Sumerer im Alten Testament nicht genannt sind (vgl. Bodine, 19), aber man könnte schon darüber rechten, ob den Sumerern, trotz des immensen Einflusses, den sie durch die Erfindung der Keilschrift auf alle Völker des Alten Orients ausgeübt haben, mehr als 20 Seiten in einem solchen Werk einzuräumen sind, wenn gleichzeitig den Hurritern thematisch keine Zeile gewidmet ist und der gesamte mediterrane Raum ausgespart bleibt, obwohl in den letzten Jahren deutlich geworden ist, daß z. B. der mykenische Einfluß auf die Levante größer war, als das früher gesehen werden konnte. Es könnte noch mehr darüber gerechtet werden, warum ein Werk zu den Nachbarvölkern Israels und Judas die griechisch-hellenistische Welt nicht mit einschließt, unabhängig davon, ob man der verbreiteten Tendenz folgt, möglichst viele alttestamentliche Texte möglichst spät zu datieren (Das vorliegende Buch folgt diesem Trend nicht; vgl. etwa E. M. Yamauchi, der entgegen dem herkömmlichen Spätansatz der alttestamentlichen Daniel-Erzählungen [wegen der griechischen Lehnwörter] weiterhin meint, an deren Entstehung in der persischen Zeit festhalten zu können [121]). Mag es kontrovers bleiben, welche Nachbarvölker Israels und Judas in einem solchen Sammelband zu beschreiben sind, zumal dann, wenn man sich bewußt ist, wie problematisch ein Begriff wie "Volk" im alten Orient war, so empfindet es der Rez. doch als Mangel, daß die Sprachen der Nachbarvölker fast nie erörtert werden (die Hinweise auf die Sprache der Hethiter [131 f.], der Phönizier [197 f.] und der Philister [246] sind zu kurz oder nicht substantiell). Auch die Grundprinzipien der mesopotamischen Keilschrift oder der ägyptischen Hieroglyphenschrift hätten dargestellt werden sollen. Aussagekräftige Landkarten, auf denen die Hauptorte der jeweiligen Völker eingetragen wären, fehlen ganz. Ob die S. 33 eingestreuten Abbildungen kulturgeschichtlich mehr oder minder wichtiger Denkmäler für die Sumerer, Assyrer usw. als spezifisch gelten können, darf- weil subjektiv - offenbleiben. Löblich ist, daß sich in fast jedem Kapitel ein Unterabschnitt zur Kultur und Religion findet (vgl. zu den Assyrern, Babyloniern, Persern, Hethitern, Kanaanäern, Phöniziern, Philistern und Ägyptern), mag dazu auch so wenig bekannt sein wie bei den Moabitern (328-330) oder Edomitern (345-347).

Wird in Part 1: Mesopotamia die Geschichte des Zweistromlandes nach ihrem zeitlichen Verlauf in einem vierfachen Angang als eine Geschichte der Sumerer, Babylonier, Assyrer und Perser dargestellt, ohne daß redaktionell ein Ausgleich unter den vier divergierenden Darstellungen vorgenommen wäre, so kann dabei doch nicht deutlich werden, ab wann und wieweit die Aramäer die Geschichte Mesopotamiens mitgeprägt haben. Dazu findet man erst etwas in Part 2: Anatolia, Syria-Palestine, and Egypt im Unterabschnitt zu den Aramäern (210-215). Ganz schwierig wird es, die Geschichte des syro-palästinischen Raumes (vierfach) als eine Geschichte der Amoriter und Kanaanäer, Phönizier, Aramäer und Philister darzubieten, ohne die imperialen Einmischungen Assyriens und die Rolle Israels und Judas gleichzeitig mitzuerörtern (Assyrien ist ja in einem eigenen Teil beschrieben worden, Israel und Juda sind vom Thema her ausgeschlossen). Hier hätte redaktionell ausgeglichen werden können. An den Stellen, wo der Gegenstand der Darstellung aus zweierlei Perspektive beleuchtet wird, wie etwa die Geschichte Mesopotamiens aus assyrischer oder babylonischer Sicht oder gar aus dreierlei Perspektive, wie die Geschichte der Philister im Rahmen der phönizischen und ägyptischen Geschichte (185 f. bzw. 279 sub Sea Peoples) bzw. als eigene Geschichte (233-238, 242 f.), zeigen sich bemerkenswerte Unterschiede bei den Autoren, die offenbar ganz bewußt von den Herausgebern nicht ausgeglichen worden sind. Ob solche Differenzen von Studierenden bemerkt werden, die sich anhand des vorliegenden Buches in die Geschichte dieser Völker des Alten Orients einarbeiten, ist schwer zu beurteilen.

Grundsätzlich haben die amerikanisch- bzw. englischsprachige Studentinnen und Studenten mit diesem Buch ein sehr nützliches Hilfsmittel zur Hand, mit dem sie sich auf knappem Raum über die Geschichte der Nachbarvölker Israels und Judas gut orientieren können, zumal ausführliche Indices zu Subject(s), Authors und Scripture dessen Benutzung sehr erleichtern. Ein vergleichbares Werk gibt es im deutschen Sprachraum zur Zeit nicht. Man kann auch deutschsprachigen Studierenden dieses Werk empfehlen, müßte aber bei einer Übersetzung ins Deutsche sehr viele deutsche Abhandlungen in der Literatur nachtragen, die mangels Sprachkompetenz für den amerikanisch- bzw. englischsprachigen Leserkreis nicht aufgenommen waren.

Wenn z. B. die umfassende Darstellung der Ammoniter durch U. Hübner (Wiesbaden 1992) zwar in einer Fußnote (293 Anm. 1) noch erwähnt wird, aber weder im Text der Darstellung noch in der empfohlenen Literatur darauf verwiesen ist, so dürfte das am Redaktionsschluß für das Gemeinschaftswerk, schätzungsweise Ende 1992, gelegen haben, weswegen später Erschienenes nicht mehr berücksichtigt ist. Zwischenzeitlich ist aber vieles publiziert worden, was ebenfalls in eine deutsche Ausgabe eingearbeitet werden müßte, stellvertretend für anderes sei nur verwiesen auf E. Edel, Die ägyptisch-hethitische Korresspondenz ..., Bd. 1-2, Opladen 1994. - Der Dank der (hauptsächlich amerikanisch- bzw. englischsprachigen) Leserinnen und Leser ist den Verfassern und Herausgebern gewiß. Für den Rez. bildeten gerade die Partien, in denen konträre Sichtweisen geboten werden, den eigentlichen Reiz des Buches.