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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

873–875

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gertz, Jan Christian, Schmid, Konrad, u. Markus Witte [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2002. XII, 345 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 315. Lw. Euro 98,00. ISBN 3-11-017121-X.

Rezensent:

Ludwig Schmidt

Seit J. Wellhausen wurde die älteste literarische Darstellung in Genesis - Numeri meist auf den Jahwisten (J) zurückgeführt. Die Autoren dieses Sammelbandes wollen aber zeigen, dass sich diese Auffassung nicht halten lässt. J. L. Ska stellt dar, wie unterschiedlich J als Sammler, Schule, Theologe oder Historiker interpretiert wurde. Aber die Einheit des Werks sei bisher nicht nachgewiesen worden ("The Yahwist, a Hero with a Thousand Faces. A Chapter in the History of Modern Exegesis", 1-23). Nach A. de Pury wurde erstmals im Grundbestand der Priesterschrift (P) Elohim als Gottesname gebraucht (z. B. Gen 1), während ansonsten der appellativische Gebrauch ("ein Gott") dominiere. Damit sei P letztlich der Erfinder "des monotheistischen, interreligiösen Gotteskonzeptes" ("Gottesname, Gottesbezeichnung und Gottesbegriff. Elohim als Indiz zur Entstehungsgeschichte des Pentateuch", 25-47; 36).

In den folgenden Beiträgen geht es zunächst um J in Genesis, Exodus und Numeri. J. Blenkinsopp hält die jahwistischen Texte in der Urgeschichte für Ergänzungen der Priesterschrift, mit denen teilweise das optimistische Menschenbild von P korrigiert werde ("A Post-exilic lay source in Genesis 1-11", 49- 61). Für J. Chr. Gertz waren Vätergeschichte und Exodus konkurrierende Konzeptionen über die Ursprünge Israels. In dem Grundbestand von Gen 15 (V.1*.2a.4-10.17.18) seien noch in einem späten Stadium der selbständigen Vätergeschichte Motive aus Exodus (Herausführungsformel V. 7) und Sinai (Theophanie, Bundesschluss V. 17 f.) auf Abraham übertragen worden. In Gen 15 werde erst durch die nachpriesterlichen Zusätze V. 11.13-16 eine Brücke zum Exodus geschlagen ("Abraham, Mose und der Exodus. Beobachtungen zur Redaktionsgeschichte von Gen 15", 63-81). In einer Überprüfung neuerer Thesen zur Josephsgeschichte kommt K. Schmid zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um eine selbständige vorpriesterliche Erzählung handelt, die mit Gen 50,15-21 endete. Sie sei zunächst an die nichtpriesterliche Vätergeschichte angefügt worden, bevor diese nachpriesterlich mit dem Exodus verbunden wurde ("Die Josephsgeschichte im Pentateuch", 83-118). E. Blum, der die Verbindung von Vätergeschichte und Mose-Erzählung früher auf eine deuteronomistische Komposition (KD) zurückführte, vertritt nun die These, dass KD erst im Buch Exodus beginnt. Ex 3 sei der erste programmatische Text von KD. Auf eine nachpriesterliche Hexateuchredaktion bis Jos 24 gingen Gen 50,24- 26; Ex 1,5b.6.8 zurück. Wegen der Zuordnung Aarons zu Mose stamme Ex 4,1-17.27 ff. von einer anderen nachpriesterlichen Redaktion ("Die literarische Verbindung von Erzvätern und Exodus. Ein Gespräch mit neueren Endredaktionshypothesen", 119-156). H.-C. Schmitt weist Ex 34,10-28 einer spätdeuteronomistischen Redaktion von Gen 1-2Reg 25 zu ("Das sogenannte jahwistische Privilegrecht in Ex 34,10-28 als Komposition der spätdeuteronomistischen Endredaktion des Penta- teuch", 157-171). Th. B. Dozeman beschreibt die unterschiedlichen literarischen Einordnungen der Angaben über den Weg Israels in Num 20; 21; Dtn 1-3 und Ri 11 seit J. Wellhausen ("Geography and Ideology in the Wilderness Journey from Kadesh through the Transjordan", 173-189). M. Witte teilt die Bileam-Erzählung (Num 22-24) auf drei Schichten auf. In dem bereits nachpriesterlichen Grundbestand, dessen Verfasser wahrscheinlich eine selbständige Bileam-Erzählung benutzte, habe Bileam Israel noch nicht gesegnet. Davon berichte erst die als Ergänzung entstandene "Segensschicht". Eine eschatologische "Zukunftsschicht" (u. a. Num 24,14b-24) sei noch jünger ("Der Segen Bileams - eine redaktionsgeschichtliche Problemanzeige zum Jahwisten in Num 22-24", 191-213). Nach Th. Chr. Römer entstanden die Numeritexte in persischer Zeit als sukzessive Fortschreibung der priesterlichen Ausgabe von Gen - Lev [nach R. ein Tetrateuch!] und dem Deuteronomium ("Das Buch Numeri und das Ende des Jahwisten. Anfragen zur Quellenscheidung im vierten Buch des Pentateuch", 215-231). Für A. G. Auld sind die Bileam-Erzählung und die Einsetzung der 70 Ältesten (Num 11,24-30) von den Samuelbüchern literarisch abhängig ("Samuel, Numbers, and the Yahwist-Question", 233-246).

Die folgenden drei Aufsätze haben übergreifend Pentateuch bzw. Hexateuch zum Thema. W. Johnstone schließt aus den Bezugnahmen auf Exodus- und Numeritexte in Dtn 1,6-4,40; 5-11; 29.30, dass eine ursprüngliche "D-Version" von Gen - 2Reg deuteronomistisch ergänzt und im frühen 2. Jh. [!] priesterlich bearbeitet wurde ("The Use of the Reminiscences in Deuteronomy in Recovering the Two Main Literary Phases in the Production of the Pentateuch", 247-273). E. A. Knauf analysiert die Traditionen von den Erzvätern, Mose und dem Exodus sowie von Josua stoffgeschichtlich auf Grund siedlungs- und sozialgeschichtlicher Daten. Erst P habe diese Traditionen miteinander verbunden ("Towards an Archeology of the Hexateuch", 275-294). R. G. Kratz bestreitet, dass sich die Redaktionsgeschichte des Hexateuch durch Jos 24 erhellen lässt. Dieses Kapitel sei von vornherein auf die Fortsetzung in Ri - Kön angelegt. Da sich Israel in Num 25,1a und in Jos 2,1; 3,1 in Schittim aufhalte, seien diese Stellen zusammen mit dem Tod des Mose in Dtn 34,5.6* im vorpriesterschriftlichen Hexateuch von Ex 1-Jos 12* die Nahtstelle zwischen Numeri und Josua gewesen ("Der vor- und der nachpriesterschriftliche Hexateuch", 295-323). Es folgen eine ausgewählte Bibliographie zum Problem des "jahwistischen Geschichtswerks" und Register (325-345).

Die grundsätzliche Bestreitung eines jahwistischen Werks durch die Autoren hat mich nicht überzeugt, da nach meiner Auffassung für die Entstehung des Pentateuch auf eine Urkundenhypothese - und damit auf J - nicht verzichtet werden kann. So stellt sich bei diesem Sammelband m. E. die Frage, ob prominente Vertreter der neueren Urkundenhypothese wie J. Wellhausen, H. Gunkel oder M. Noth, die mit den drei Quellenschriften des Jahwisten, des Elohisten und der Priesterschrift rechneten, nicht doch methodisch und sachlich die besseren Literarkritiker waren, auch wenn teilweise ihre Zuweisungen korrigiert werden müssen.