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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

755–757

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Zwingenberger, Uta

Titel/Untertitel:

Dorfkultur der frühen Eisenzeit in Mittelpalästina.

Verlag:

Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. XX, 593 S. m. 77 Abb. gr.8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 180. Geb. Euro 115,00. ISBN 3-7278-1344-X (Universitätsverlag); 3-525-53994-0 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Volkmar Fritz

Die vorliegende Arbeit hat der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster als Dissertation vorgelegen. Inwieweit das sehr umfangreiche Manuskript, das als Band in der Reihe OBO erschienen ist, für den Druck überarbeitet wurde, geht aus dem Vorwort nicht hervor. Der Forschungsstand entspricht etwa dem des Jahres 1999, umfasst also die gesamte im vergangenen Jahrhundert geleistete Arbeit. Die ungeheure Stofffülle ist in vier Teile gegliedert: 1. Einblicke, 2. Überblick, 3. Details, 4. Ein Bild und sein Rahmen.

Im ersten Teil werden der Forschungsstand referiert und die Überlegungen dargestellt, die zur Wahl des Themas geführt haben. Im zweiten Teil erklärt die Vfn. ihre Vorgehensweise und führt die Ergebnisse der Oberflächenforschung vor. Der dritte Teil ist das Herzstück der Arbeit, wobei die Ergebnisse der Oberflächenforschung unberücksichtigt bleiben. Vielmehr werden die Resultate von insgesamt zehn Grabungen ausgewertet, die dadurch im Mittelpunkt stehen. Im vierten Teil werden die Ergebnisse im Blick auf die mögliche Größe der Bevölkerung und die Landnahmemodelle erneut reflektiert.

Die Vfn. hat sich auf die Aufarbeitung bisheriger Grabungsergebnisse beschränkt. Dabei geht es ihr darum, den Begriff der Kultur so weit zu fassen, dass darunter jede menschliche Leistung fällt. So gelingt es ihr, alle Grabungsfunde in dem Begriff der Kultur unterzubringen.

Mit Recht hat sich die Vfn. auf eine bestimmte Periode und eine bestimmte Region beschränkt. Die Periode der frühen Eisenzeit ist im Hinblick auf ihre kulturelle Ausprägung stark umstritten und führt zwangsläufig in die Eisenzeit II. Auffallend ist aber, dass die Ergebnisse der Oberflächenforschung im weiteren Verlauf der Arbeit keine Rolle mehr spielen, sondern alles auf die Funde aus den Grabungen ankommt. Doch werden die Grabungsergebnisse keineswegs unkritisch übernommen. Vielmehr wird zwischen aussagekräftigen und nur eingeschränkt verwertbaren Grabungen unterschieden. Vor allem von Letzterem sind die nicht verwertbaren Grabungen abzuheben, die in ihren Ergebnissen nicht für die Darstellung herangezogen werden konnten. Bei den aussagekräftigen Grabungen werden wiederum die "one period sites" von den Grabungen abgehoben, die außer der frühen Eisenzeit noch weitere Perioden aufweisen. Überraschend ist allenfalls die Einordnung der Grabung von Hirbet er-Rabu.d. Da es sich um eine neuere Grabung handelt, wäre eine Einordnung unter die aussagekräftigen Ausgrabungen mit Siedlungskontinuität zumindest erwägenswert. Ansonsten ist der Bewertung der bisherigen Grabungstätigkeit durch die Vfn. nichts hinzuzufügen. Es sind insgesamt nur zehn Orte, an denen die bisherigen Grabungen die materielle Kultur der frühen Eisenzeit erfasst haben: die aussagekräftigen Grabungen in "Gilo", Hirbet Raddane und Hirbet ed-Dawwara, auf dem Et-Tell und in Hirbet Selun sowie die eingeschränkt aussagekräftigen Grabungen in Betin, Hirbet er-Rabud, Tell en-Nasbe, Hirbet et-Tubeqa, Gebel er-Rumede. Mit Recht nicht in die Auswertung einbezogen werden die Grabungen in El-Gib, Tell el-Ful, Hirbet Nisiye, Hirbet Gibcit, Hirbet Mergame und Umm et-Talac, sowie die Funde vom Südosthügel in Jerusalem.

Unter dem Begriff der Kultur gelingt es der Vfn., alle Aspekte der materiellen Hinterlassenschaft der frühen Eisenzeit darzustellen. Auffallend ist dabei die schöne Sprache der Vfn. Zu bemängeln ist allenfalls, dass nicht noch mehr Abbildungen geboten werden. Zwar werden die Orte in Übersichtsplänen dargestellt und für die Architektur werden Pläne geboten. Aber zahlreiche Kleinfunde können nicht als bekannt vorausgesetzt werden und hätten wiedergegeben werden müssen. Dass die Vfn. manchmal offene Türen einrennt, liegt an der Art des Themas, das die Darstellung aller Befunde verlangt. So ist die Arbeit ein umfassendes Handbuch für die frühe Eisenzeit des mittelpalästinensischen Raumes, das gut zu lesen und zu benutzen ist. Es fehlt allerdings eine umfassende Aufarbeitung der Keramik als dem Hauptfundgut. Zwar werden die Funde der Töpferware aus Terrakotta verschiedentlich verhandelt, aber die Keramik macht nicht nur den größten Teil der Funde aus, sie dient auch der Datierung einzelner Strata. (Ob die Wiedergabe des Begriffes Krater mit "Terrine, Schüssel" glücklich ist, soll dahingestellt bleiben, da die Wahl des Begriffes in einer Anmerkung eigens erklärt und begründet wird.) Da die Kenntnis der Keramik in den verschiedenen Perioden für die Einordnung eines Stratums entscheidend ist, liegt hier ein Desiderat der Aufarbeitung vor, da sich die Vfn. offensichtlich kaum um eine eigene Kenntnis der Formen und ihres Vorkommens bemüht hat. Ansonsten sind die Aspekte für die Darstellung der Kultur gut gewählt: "Das Wohnen im Haus", "Das Leben im Dorf", "Die Lebensgrundlage", "Nahrung. Nahrungsaufbewahrung und -zubereitung", "Kleidung", "Handwerk", "Kult", "Bestattungen", "Handel", "Verkehrswege" - da alle Aspekte der früheisenzeitlichen Kultur, wie sie aus den Ausgrabungen zu erschließen sind, zur Sprache gebracht werden. Die möglichen Bezüge zur Bibel bleiben zunächst einmal unberücksichtigt, da allein die Funde aufgearbeitet werden. "Die archäologischen Befunde für die frühe Eisenzeit vermitteln wahrlich nicht den Eindruck, allzu viel mit den biblischen Inhalten zu tun zu haben." Dennoch kann der Kenner leicht und schnell den Bezug zu den einschlägigen Texten herstellen, auch wenn dazu keine Hilfe in Form von Registern angeboten wird. Lediglich ein ausführliches Verzeichnis der benutzten Literatur beschließt den Band. Hier wären weitere Register, mit denen die ungeheure Materialfülle erschlossen wird, wünschenswert gewesen.

Insgesamt ist aber die Eingrenzung auf das archäologische Material zu begrüßen, da die Texte zum größten Teil aus einer weitaus späteren Zeit stammen. Auch wenn sich die Verhältnisse in einer agrarischen Gesellschaft nur langsam ändern, so ist die Beschränkung zunächst zu begrüßen, weil so die beiden Aspekte der Textuntersuchung und der Aufarbeitung des archäologischen Materials nicht vermischt werden. Die Grenzen der Aussagemöglichkeiten für das archäologische Material sind in der Arbeit deutlich gewahrt. Vor allen Dingen im letzten Teil wird die eingangs gestellte Frage nach dem angemessenen Landnahmemodell wieder aufgenommen. Die materielle Kultur lässt dabei erkennen, dass die frühe Eisenzeit keine Epoche des Übergangs war, sondern eine eigenständige Periode darstellt, die als einheimisch gekennzeichnet werden kann. Wie aber der Siedlungsprozess in der frühen Eisenzeit letztlich verlaufen ist, muss offen bleiben. Insofern kann die Untersuchung des archäologischen Materials keine Antwort auf die Frage nach der Richtigkeit eines Landnahmemodells geben.