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Ausgabe:

Juli/August/2004

Spalte:

753–755

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Veenhof, Klaas R.

Titel/Untertitel:

Geschichte des Alten Orients bis zur Zeit Alexanders des Großen.

Verlag:

Übers. von H. Weippert. Göttingen: Vandenhoeck &Ruprecht 2001. 360 S. m. 10 Zeittaf. u. 6 Ktn. gr.8 = Grundrisse zum Alten Testament, 11. Kart. Euro 39,00. ISBN 3-525-51685-1.

Rezensent:

Stefan Timm

Die vorliegende Geschichte des Alten Orients geht zurück auf den Beitrag des Vf.s zum niederländischen Bijbels Handboek (Hrsg. A. van der Woude), Kampen 1981, 278-441. Doch ist die Darstellung jetzt auf einem viel neueren Stand (Redaktionsschluss Ende 1996), was sich auch im Seitenumfang niedergeschlagen hat. Das Werk hat neun Kapitel. Dem ersten I. "Einleitung" (mit Untergliederung: zum geographischen Rahmen und den Quellen sowie zur Geschichtsschreibung im Alten Orient) folgt II. "Chronologie" (ebenfalls noch untergliedert), dann III. "Das 3. Jahrtausend v. Chr." (mit den Untergliederungen 1. Ägypten, 2. Mesopotamien bis zum Ende des 3. Jt.s v.Chr. und 3. Vorderasien ohne Mesopotamien). Das nächste Kapitel ist überschrieben: IV. "Die Mittelbronzezeit (20.-16. Jh. v. Chr.)". Hier wird in elf Unterpunkten z. B. eingegangen auf: 1. Ägypten während des Mittleren Reiches (11.-13. Dynastie) oder auf 5. Die Nomaden und 6. Die altbabylonische Zeit im allgemeinen ... bis hin zu 11. Das althethitische Großreich. Das V. Kapitel umfasst: "Die Spätbronzezeit (16.-12. Jh. v.Chr.)". Es enthält zwölf Unterabschnitte, u. a.: 6. Echnaton und das Ende der 18. Dynastie, 9. Apiru und Schasu ... 11.Ugarit und 12. Ägypten und das hethitische Reich. Das Kapitel VI. ist überschrieben: "Der Vordere Orient und Ägypten (12.-9. Jh. v. Chr.)". In sieben Unterpunkten werden hier verhandelt: 1. (die) Seevölker und Philister, 2. Ägypten während der 20. Dynastie, 3. Assyrien und Babylonien (ca. 1150-900 v.Chr.), 4. Aramäer und Chaldäer, 5. Syrien zwischen "Syro-Hethitern" und Aramäern, 6. Phönizien und Israel (11.-9. Jh. v.Chr.), 7. Ägypten während der 21. bis 23. Dynastie. Kapitel VII. steht unter der Überschrift: "Der Vordere Orient und Ägypten zur Zeit des neuassyrischen Großreiches (9.-7. Jh. v. Chr.)". In sieben Unterpunkten werden hier erörtert: 1. Die Quellen und die neuassyrische Politik, 2. Assur und seine Nachbarn (9. Jh. v.Chr.), 3. Zwischen Adadnirari III. und Tiglatpileser III. (mit weiteren Unterpunkten), 4. Ägypten von der 23. bis zur 25. Dynastie, 5. von Tiglatpileser III. bis Sargon II., 6. Ägypten in der Zeit von Schabako bis Psammetich I., 7. Assyrien, Babylonien und die Levante von Sanherib bis zum Untergang des assyrischen Großreichs. Dann folgt VIII. "Das neubabylonische Reich und seine Nachbarn (625-539 v. Chr.)" (mit weiteren Unterpunkten). Und schließlich IX. "Das persische Großreich der Achämeniden (550-330 v. Chr.)". Hier werden in drei Unterpunkten dargestellt: 1. Kyros II. und seine Politik, 2. Kambyses II. und Dareios I. und 3. Von Xerxes I. bis zum Untergang des persischen Reichs.

Das ausgebreitete Inhaltverzeichnis erweist hinreichend, dass hier eine umfassende Darstellung der Geschichte des Alten Orients geboten wird. Darin werden für das 1. Jt. v. Chr. auch kleinere Staaten berücksichtigt wie Sam'al, Arpad und Hamat. Der Raum Südarabiens und der saudi-arabischen Halbinsel bleiben indes ausgeklammert. Vom Inhaltsverzeichnis her ist ebenfalls schon deutlich, dass hier eine politische Geschichte geboten wird. Kulturgeschichtliche, wirtschaftsgeschichtliche und soziale Aspekte sind zwar nicht völlig ausgeklammert, bleiben aber eher im Hintergrund (vgl. indessen auch Kap. V 9. Apiru und Schasu).

Keine Geschichtsschreibung ist ohne Chronologie. Fragen der Chronologie hat der Vf. ein ganzes Kapitel gewidmet, in dem vorbildlich dargelegt wird, worin die Probleme der relativen und absoluten Chronologie bestehen und welche Lösungsversuche es gibt. Basierend auf den dortigen Entscheidungen sind den jeweiligen Unterabschnitten meistens auch "absolute" Jahreszahlen beigegeben. Chronologischen Daten gelten auch zehn ausführliche Zeittafeln im Anhang (305-315 mit detaillierten Fußnoten). Trotz aller Mühen, die der Vf. auf die chronologischen Fragen verwandt hat, ist aus der Sicht des Rez. manches doch unsicherer, als die Darstellung es scheinen lässt.

So ist der "chronologische Eckpfeiler" (267) 701 v. Chr. für die Belagerung Jerusalems längst brüchig, wenn nicht eingestürzt, vgl. S. Timm: Moab zwischen den Mächten. Studien zu historischen Denkmälern und Texten, ÄAT 17, Wiesbaden 1989, 354 f. - Nach der Tang-i Var-Inschrift hat Schabataku = Sebitko schon 711 v. Chr. regiert, womit alle Ansätze, die bislang für die Chronologie der 25., kuschitischen, Dynastie vorgeschlagen waren, hinfällig sind. Die Darstellung dazu (250.257 und 259 f.) ist in sich widersprüchlich.

Die altorientalischen Namen, seien es Personen-, Götter- oder Ortsnamen werden im vorliegenden Werk möglichst der deutschen Standardorthographie angepasst. Doch sind nunmehr entstandene Formen wie Adadaplaiddina, Hattuscha (aber Hattusili), Mardukaplau.sur, Ninurtaapalekur u. a. sehr gewöhnungsbedürftig. Es wäre besser gewesen, eindeutige Namenselemente mit Bindestrich anzuzeigen: Marduk-apla-usur u. ä.

Bei einer Umschrift Dschebel sind Schreibungen wie Tell el-Ajjul oder Wadi ed-Dalije unrichtig. Schreibt man Tell ed-Der, kann es nicht gleichzeitig auch Deir el-Balah, Deir el-Medine u. ä. heißen. Sofern man Ahatmilku transkribiert, warum dann Ahimeti und Meluchcha? - Die Wiedergabe eines Aleph oder 'Ayin ist inkonsequent, vgl. Ibalpiel II., aber Ibalpi'el I., Schamschiilu und Anchesenpaaton aber A'anepada, Qu'e und Amutpi'el, Ain Dara aber 'En Besor u. v. a. - Das persische Wort für "gegebenes (Gesetz)" sollte dáta transkribiert werden.

Die vorgelegte Geschichte des Alten Orients hat ihren eigenen Gegenstand. Die Staaten Israel und Juda gehören zwar in den altorientalischen Raum, bilden aber nicht das eigentliche Objekt der Darstellung, doch finden sich allerorten Hinweise auf deren Geschichte. So wird schon für das 2. Jt. v. Chr. bei den Gesetzestexten Urnammus auf das Fortleben der kasuistischen Rechtsformulierungen im Alten Testament hingewiesen (75), im Zusammenhang mit der Geschichte Eblas davor gewarnt, Abraham in diesen zeitlichen Horizont zu setzen (85) oder gar die Amoriter aus der Zeit um 2300 v. Chr. mit den Patriarchen des Alten Testaments in Verbindung zu bringen (103 f.). Im Zusammenhang mit Mari werden etliche Begriffe der damaligen Kleinviehzüchter aufgelistet, die noch später im Hebräischen des Alten Testaments ihre Parallelen haben (107). Hier hätte auch auf das Phänomen der Prophetie verwiesen werden müssen, das ja durch die Mari-Texte in ganz neuer Weise dokumentiert ist (vgl. J.-M. Durand, Archives épistolaires de Mari I/1: Deuxième Partie: Les Textes prophétiques = Archives Royales de Mari XXVI, Paris 1988, bes. 375 ff.).

In die Geschichte des syro-palästinischen Raumes im 1. Jt. v.Chr. werden dann Israel und Juda ständig einbezogen. Für jede Leserin/jeden Leser der vorliegenden Darstellung kann nur empfohlen werden, die hier vorgelegte Sicht der Dinge im Kontrast zu herkömmlichen Geschichten Israels zu lesen, weil sich damit sehr andere Perspektiven ergeben.

Das sei an einem Beispiel dargelegt. Unter den Gegnern seines Kampfes bei Qarqar 853 v. Chr. nennt Salmanassar III. u. a. einen Mu-su-ra-a-a. A. Lemaire, Joas de Samarie ..., EI 24, 1993, 148*-157* (152*) hatte - unter Hinweis auf weitere Fehler im Text - das zu Su-mu-ra-a-a konjiziert, womit denn ein Regent des levantinischen .Simirra gemeint ist, was gut in den historischen und geographischen Kontext passen würde. Der Vf. hält an der traditionellen Deutung Mu-su-ra-a-a = "Ägypter" fest und sieht darin Takeloth II. von Ägypten, womit ein völlig anderes weltpolitisches Szenario entworfen ist (224).

Es wäre unbillig, von dieser ausgreifenden Darstellung fehlende Spezialissima zu fordern. Vom Alten Testament herkommende Leserinnen und Leser können sich hier gut informieren über den Stand der Debatte zu Ebla, Elam, Emar, die Kassiten und vieles mehr. Da als Benutzer der Reihe aber am ehesten Studierende der Theologie anzunehmen sind, sollte der Vf. indes überlegen, ob für die nächste Auflage, die gewiss nicht lange ausbleiben wird, nicht noch Passagen eingeschoben werden können zu einer Gestalt wie B3j und der Debatte, die sich an seine Gleichsetzung mit Mose anschloss, zur phönizischen Kolonisation im Westen, die weit vor dem 9. Jh. v. Chr. begann und Salomos Flottenaktivität in anderem Licht erscheinen lässt (s. zur Forschungslage T.Ulbert [Ed.]: Hispania Antiqua, DAI Madrid, Mainz 2001), oder zur Trilingue aus Xantos-Letoon und was daraus für die persische Reichsverwaltung folgt (vgl. Fouilles de Xanthos VI: La Stèle trilingue du Létôon, Paris 1979 nebst P. Briant: Cités et Satrapes dans l'empire achéménide: Xanthos et Pixôdaros, CRAIBL 1998, Paris 1998). Für die Übersetzungen originaler Texte, die bislang oft nur nach TGI oder RTAT zitiert wurden, könnte auch auf die Wiedergaben in TUAT verwiesen werden.

Neben der Anerkennung, die dem Vf. für seine komprimierte Darstellung auszudrücken ist, gilt ein ebenso großer Dank Helga Weippert, die dem Werk eine so klare deutsche Sprachgestalt gegeben hat, dass nicht mehr spürbar ist, dass dahinter einst eine holländische Fassung stand. - Eine Liste von Druckfehlern könnte der Autor beim Rez. abrufen.