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Ausgabe:

Juni/1998

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Flint, Peter W.

Titel/Untertitel:

The Dead Sea Psalms Scrolls and the Book of Psalms.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1997. XXI, 322 S. m. 1 Kte, 10 Taf. gr.8 = Studies on the Texts of the Desert of Judah, 17. Lw. hfl. 162,-. ISBN 90-04-10341-4.

Rezensent:

Klaus Seybold

Das hier anzuzeigende Buch ist einer der wichtigsten Beiträge zur Psalmenforschung, die in den letzten Jahren erschienen sind- Kommentare eingeschlossen. Seine erste Gestalt erhielt es als Ph. D.-Dissertation an der University of Notre Dame 1993 unter dem Titel: The Psalters at Qumran and the Book of Psalms. Die revidierte Fassung - lange angekündigt und erwartet - erschien dann 1997 in der Reihe: Studies on the Texts of the Desert of Judah. Sie repräsentiert den aktuellen Stand der Textforschung und den Stand der Diskussion um die kanonische Form des Psalters. Der Autor, Peter W. Flint, ist Associate Professor of Religious Studies und Direktor des Dead Sea Scrolls Institute an der Trinity Western University in Canada. Wie nur wenige hatte und hat er Zugang zu sämtlichen neu gefundenen, die Psalmen betreffenden Handschriften aus der Wüste Juda. Eine Reihe bedeutsamer Veröffentlichungen von seiner Hand liegen bereits vor, andere sind angezeigt

Das aus der Dissertation hervorgegangene Buch verfolgt ein doppeltes Ziel. Einmal möchte es eine umfassende Dokumentation aller bis jetzt bekannt gewordenen Psalmenhandschriften aus Qumran und Umgebung bieten. Dem dient der erste Teil mit Kapiteln über die Klärung der Terminologie ("Masoretischer Text" = MT, "Kanon", "Bibel", "Apokryphen", "Psalter", "Psalm" etc.), ein Überblick über alle 39 Psalterhandschriften, mit präziser Beschreibung der Rollen und ihres Inhalts (im Text wie im Anhang durch Listen und Register präzisiert), eine unschätzbar wertvolle Liste mit allen Textvarianten, sowohl nach Handschriften wie nach Stellen geordnet - es sind insgesamt über 700 (50-116), - sowie eine Synopse der überlieferten Über- und Unterschriften einzelner Psalmen (im Anhang zusätzlich groupings and clusters ). Schon dieser Teil ist für die Psalmenforschung von höchstem Wert. Keine Auslegung wird künftig an diesem Material vorbeigehen können, bildet es doch die lange Zeit fast nur von dem sogenannten Masoretischen Text neben der Septuaginta bezeugte, nunmehr aber durch hebräische Handschriften, die ihrer Herkunft nach (2. Jh. vor bis 1. Jh. nach Chr.) relativ nahe an die Entstehungszeit zumindest der jüngsten Psalmtexte heranreichen, neu etablierte oder gesicherte Textbasis der Psalmenüberlieferung. Bisher war (seit 1965) im Grunde nur der allerdings umfangreiche "Qumran-Psalter" aus der 11. Höhle von Qumran (11QPsa) zugänglich (in den Bibelausgaben kaum berücksichtigt). Doch jetzt ist die Basis größer. Zu bedenken ist indes, daß es sich weithin um Fragmente handelt, die ihrerseits nicht wenige Schwierigkeiten bieten. Der größte Erkenntnisgewinn scheint im Blick auf die sehr vielen, jedoch häufig nur orthographischen Varianten zu sein, daß der Text der Masoreten auch auf dem Gebiet des Psalters von grosser Verläßlichkeit ist. Die beschädigten Stellen, für die man Heilung wünschen möchte (wie z. B. Ps 8,2 oder 88,19 oder Ps 68 usw.), können - soweit ich sehe - auch mit dem neuen Material noch nicht verbessert werden. Das mindert nicht die epochale Bedeutung der neuen Dokumentation.

Im zweiten Teil versucht P. W. Flint, einige aktuelle Probleme der Psalmenforschung anzugehen, die sich mit der Entdeckung der Psalmrollen ergeben haben. Er diskutiert eingehend die Psalterkonstellation zur Zeit des Bestehens von Qumran, d. h. die Textlage unmittelbar vor der Kanonisierung des biblischen Psalters. Unter Titeln wie: Stabilization of the Psalter; Textual Affiliations and Editions; David’s Solar Psalter. The Structure and Provenance of 11QPsa; True Psalter or Secondary Collection?; The Psalms Scrolls and the LXX Psalter sucht er die These zu begründen, daß es durch die Handschriftenfunde belegt in der Spätzeit des zweiten Tempels mindestens drei Psaltereditionen gab: Edition I (= Ps 1/2-89) als älteste Fassung, daraus abgeleitet Edition IIa (= Ps 1/2-89 mit 11QPsa) und Edition IIb (= Ps 1-150 = MT), wobei die Fassung IIa wegen des Solarkalenders der in Qumran bevorzugte Psalter gewesen zu sein scheint. Eine Revision der Septuaginta-Ausgabe der Psalmen wird zum Desiderat.

Es scheint, als ob das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist. Doch die Diskussion erlaubt eine Menge neuer Einsichten in die letzte Phase der Entstehung des Psalters. Der "garstige Graben" zwischen den Qumran-Handschriften zu den anzunehmenden Originalschriften ist zwar kleiner geworden, aber er ist unverändert existent. Dagegen weiß man jetzt sehr viel mehr über den Stand der Psalmenüberlieferung, wie er etwa um die Zeitenwende gegeben war. Das ist ein großer Fortschritt. Peter W. Flint hat mit seinem ganz vorzüglich dokumentierten Buch dazu wesentlich beigetragen. Ihm gebührt Anerkennung und Dank. Das Buch wird eine neue Phase der Psalmenforschung einleiten. Die Textfundamente des Psalters werden künftig besser gesichert sein.