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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

688 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Kallhoff, Angela

Titel/Untertitel:

Prinzipien der Pflanzenethik. Die Bewertung pflanzlichen Lebens in Biologie und Philosophie.

Verlag:

Frankfurt-New York: Campus 2002. 163 S. m. 7 Abb. 8 = Campus Forschung, 840. Kart. Euro 24,90. ISBN 3-593-37041-7.

Rezensent:

Nicole Picard

In ihrer Studie über "die Bewertung pflanzlichen Lebens in Biologie und Philosophie", die 1999 an der Universität Münster als philosophische Dissertation angenommen wurde, lenkt Angela Kallhoff den Blick auf die Pflanzen als ein in der Umweltethik noch eher unbeachtetes Objekt. Denn im Gegensatz zum in der Tier- und Umweltethik diskutierten moralischen Status nicht-menschlicher Entitäten scheint der Status von Pflanzen auf Grund ihrer fehlenden Empfindungsfähigkeit sowie der moralischen "Überforderung des Menschen und einer Fehleinschätzung gegebener Notwendigkeiten" (12), pflanzliche Individuen zu schützen, ungeklärt. K. zeigt auf, dass trotz der guten Argumente für diese Unbestimmtheit Prinzipien der Pflanzenethik begründbar sind. Zu deren Begründung wird anhand des deskriptiv-evaluativen Doppelcharakters des Begriffs "Gedeihen" ein Konzept guten pflanzlichen Lebens entworfen.

Der Doppelcharakter des Begriffs "Gedeihen" bestimmt den Aufbau der Untersuchung: Einem einleitenden sprachpragmatischen Zugang (17 ff.) folgt ein der deskriptiven Ebene des Gedeihens nachgehender naturwissenschaftlicher Teil (25 ff.), in dem die Andersartigkeit pflanzlichen Lebens im Vergleich zu anderen Lebensformen herausgearbeitet wird. Anhand von Beispielen aus der Pflanzenstressforschung wird hier aber auch gezeigt, dass Pflanzen durch Strategien und Anpassungsreaktionen ihren Lebenszyklus optimal gestalten und ihr Gedeihen, d.h. ihr gutes Leben, damit aktiv realisieren und dass pflanzliches Leben, genauer der "Vollzug ihres Lebenszyklus" (67), durch anthropogene Einflüsse geschädigt oder gefördert werden kann. Der Ausarbeitung der deskriptiven Komponenten schließt sich - in Form der Befragung verschiedener umweltethischer Ansätze nach deren Beitrag für eine Pflanzenethik und Berücksichtigung des Gedeihens - die Untersuchung der ethischen Dimension des "Gedeihens" an (70 ff.).

Der Kennzeichnung pflanzlichen Gedeihens als intrinsischen, aber außermoralischen Wertes (118) folgt die Begründung des moralischen Status von Pflanzen und der Entwurf einer Pflanzenethik (110 ff.): Vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer Koexistenz menschlichen und pflanzlichen "guten Lebens" wird im Sinne eines gemäßigten Anthropozentrismus die Forderung einer direkten Berücksichtigung und Beurteilung von Handlungsfolgen auf pflanzliches Leben als berechtigt aufgezeigt (147).

Folgende drei Prinzipien lassen sich nach K. aus der Ethik der Respektierung pflanzlichen Gedeihens ableiten (133 ff.): die Berücksichtigung von Eigenschaften pflanzlichen Lebens in der Kultivierung, der Erhalt der Artenvielfalt und der Schutz der wilden Natur.

Die Studie ist nicht allein auf Grund der sehr übersichtlichen Gliederung gut lesbar und verständlich. Trotz des Hinweises, dass die deskriptiven Komponenten des Gedeihens nicht der Ableitung des moralischen Status von Pflanzen, sondern der Bewertung von Handlungsfolgen beim Umgang mit diesen (126) dienen, scheint eine vertiefende Reflexion der sich dem Leser aufdrängenden Frage nach einem naturalistischen Fehlschluss wünschenswert. Ebenso wäre eine Ausarbeitung der im Titel angekündigten Prinzipien sowie die Vertiefung der evaluativen Dimension des "Gedeihen-Ansatzes", die zu Gunsten des zwar wichtigen, aber hier übergewichtig erscheinenden naturwissenschaftlichen Teils zu kurz kommt, lohnenswert.