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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

649 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Ricken, Friedo

Titel/Untertitel:

Religionsphilosophie.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2003. 376 S. kl.8 = Grundkurs Philosophie 17; Urban-Taschenbücher, 401. Kart. Euro 20,00. ISBN 3-17-011568-5.

Rezensent:

Ingolf U. Dalferth

Nach seinem Lehrbuch zur Allgemeinen Ethik (Grundkurs Philosophie, Bd. 6: 3. Aufl. 2000) legt der an der Hochschule für Philosophie in München lehrende Friedo Ricken in der gleichen Reihe des Kohlhammer Verlags seine Religionsphilosophie vor. Sie ist kein eigener Entwurf, sondern ein Lehrbuch, das Grundwissen vermitteln will. Dennoch hat sie einige bemerkenswerte Züge. Religionsphilosophie wird konsequent nicht als Metaphysik, sondern im Anschluss an Wittgenstein als "Reflexion auf eine Lebensform" verstanden, die eben deshalb "immer nur die Innenperspektive einer bestimmten geschichtlichen Form der Religion sein" kann (16). Das ist im vorliegenden Fall "die jüdisch-christliche Religion" (15), die in ihren vielfältigen Beziehungen und Brechungen beschrieben werden soll. Leitfrage einer religionsphilosophischen (und nicht etwa dogmatischen) Beschreibung ist dabei das Verhältnis zwischen Religion und Vernunft, aber weder Religion noch Vernunft werden genauer definiert. Mit P. Winch wird religiöser Glaube vielmehr als etwas verstanden "which ... seeks explanations but is not itself to be explained" (19). In Abgrenzung gegen die Ansätze von R. Swinburne (zu einseitig am naturwissenschaftlichen Denken orientiert) und A. Plantinga (zu ununterscheidbar von systematischer Theologie) besteht für R. der religionsphilosophische Aufweis der Rationalität von Religion im Nachweis ihrer internen und externen Widerspruchsfreiheit. Einerseits ist die Konsistenz der verschiedenen Aspekte einer konkreten Religion untereinander zu erweisen, andererseits die "Vereinbarkeit des Ganzen der fides quae mit unserem sonstigen Wissen" (20).

Trotz der emphatischen Anknüpfung an Wittgenstein wird allerdings nicht, wie man erwarten würde, die konkrete Lebenswelt der jüdisch-christlichen Religion (Ist das eine Religion?) kritisch rekonstruiert, sondern R. referiert in zwölf Kapiteln philosophische Konzeptionen der westlichen Tradition, die sich mit dem Themenkomplex Vernunft und Glaube befasst haben. Auch wenn dabei ein besonderer Nachdruck auf Positionen des amerikanischen Pragmatismus (James, Peirce) und des katholischen Personalismus (Newman) gelegt wird, bleibt das gebotene Material doch weithin in gewohntem Rahmen und bietet wenig Neues. Selbst wenn das dem Charakter eines Grundkurses entsprechen mag, stehen das in der Einleitung skizzierte religionsphilosophische Programm und seine faktische Durchführung doch in einer nicht zu übersehenden Spannung.

Im Rückgang von der Gegenwart in die Vergangenheit werden so zunächst Wittgenstein (29-56), dann William James (57-76), J. H. Newman (103-160), Schleiermacher (161- 191), Kant (193-232), Hume (233-264), Pascal (265-291), Thomas von Aquin (293-310), Augustinus (311-337) und schließlich - als Übergang zum nichtchristlichen Denken - Plotin (339-355) referiert. Das geschieht im Großen und Ganzen klar und verlässlich, wenn auch mit manchmal engem Fokus, insofern jeweils ein bestimmter, für den jeweiligen Denker maßgeblicher Problemkomplex ins Zentrum der Rekonstruktion gestellt wird. Insgesamt ergibt sich so ein Überblick über wichtige (religions)philosophische Problemstränge im westlichen Denken. Stets steht dabei die rekonstruierende Darstellung im Vordergrund, während Ansatzpunkte zur kritischen Auseinandersetzung mit den dargestellten Positionen nur angedeutet werden. Die jedem Kapitel beigefügten Literaturverweise dürften wohl auch dazu dienen, das jeweilige Thema in dieser kritischen Hinsicht zu vertiefen. Eine Literaturliste zu den behandelten Positionen (361-367) sowie ein Namen- und Sachregister (369-376) beschließen den Band.

Bei aller (gewollten) Einseitigkeit leistet dieser Band das, wofür er verfasst wurde: eine erste Einführung in das Gebiet der Religionsphilosophie. Konsequent ausgeblendet bleiben allerdings nicht nur alle phänomenologischen und hermeneutischen Ansätze, sondern auch das religionsphilosophische Denken anderer religiöser Traditionen (vgl. z. B. St. Grätzel/A. Kreiner, Religionsphilosophie, Stuttgart u. a. 1999). Aber auch ein religionsphilosophischer Grundkurs, der nur in die Spannbreite der gegenwärtigen analytischen Diskussionen einführen will, wird neben diesem Band Lehrbücher wie das von Ch. Jäger (Analytische Religionsphilosophie, Paderborn 1998) heranziehen müssen. Insofern bietet dieser Band mit seiner Konzentration auf pragmatistische Traditionen eine willkommene Ergänzung zur vorliegenden Einführungsliteratur in die Religionsphilosophie. Er kann diese aber nicht ersetzen.