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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

664 f

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Kirby, Dianne [Ed.]

Titel/Untertitel:

Religion and the Cold War.

Verlag:

Basingstoke-New York: Palgrave 2003. XIV, 245 S. 8 = Cold War History. Lw. Euro 45,00. ISBN 0-333-99398-5.

Rezensent:

Martin Greschat

Der Kalte Krieg ist seit längerem schon ein zentrales Thema der internationalen zeitgeschichtlichen Forschung. Dementsprechend gibt es eine nicht nur quantitativ, sondern durchaus auch qualitativ reiche Literatur zu den verschiedensten Aspekten dieser weltweiten Auseinandersetzung. Die ideologischen, religiösen und spezifisch kirchlichen Zusammenhänge stehen sicherlich nicht im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Aber sie werden auch nicht einfach ausgespart. Insofern entspricht die in diesem Sammelband mehrfach vorgetragene Behauptung, die religiöse Dimension sei bislang vernachlässigt und jedenfalls nicht wissenschaftlich angegangen worden, kaum den Fakten. Man muss nicht nur französische Arbeiten, eine breite deutsche Literatur, aber durchaus auch gewichtige angelsächsische Studien übersehen, um zu diesem Urteil zu gelangen.

Über die Eigenart und insbesondere die Dauer des Kalten Krieges erfährt der Leser dieses Buches relativ wenig. Bemerkenswert ist allerdings, dass von den hier versammelten zwölf Beiträgen fast die Hälfte lediglich die Zeit bis 1948 behandelt. In den meisten anderen Studien geht es ebenfalls primär um die Frühzeit des Konflikts. Sollte man daraus schließen, dass die religiöse Thematik nur oder in einem besonderen Ausmaß in diesen Jahren eine gewichtige Rolle spielte? Das wäre sicherlich eine problematische Engführung.

Innerhalb dieser Grenzen bietet der Band eine Reihe anregender Untersuchungen. Auf der Linie der neueren historischen Kulturwissenschaft, die nach der individuellen und insbesondere der gesellschaftlichen Schubkraft religiöser Traditionen und Überzeugungen fragt, liegen drei Beiträge. Der eine von Matthew D. Hockenos über das "Darmstädter Wort" ist allerdings ausgesprochen fragwürdig. Er analysiert kaum, reproduziert dagegen unkritisch sämtliche "linksprotestantischen" Behauptungen (37-49). Gewichtiger ist der Artikel von Paul Hainsworth mit dem Nachweis, dass in Frankreich die schroff antikommunistische Position der katholischen Bischöfe an der Basis auf Grund gemeinsamer Erfahrungen von Katholiken und Kommunisten nur sehr begrenzte Zustimmung fand (145-162). Eindrücklich ist die Untersuchung von Ian Jones über die Auswirkungen des Kalten Krieges auf Predigten in den Gemeinden Birminghams (188-199). Hier wird wirklich wissenschaftliches Neuland betreten.

In den übrigen Beiträgen geht es vor allem um Kirchenpolitik im traditionellen Sinn. Dass der entschieden antikommunistisch gesinnte Papst Pius XII. eine entsprechende Politik verfolgte, ist nicht neu. Ob er dabei primär eigene Wege ging oder ein Parteigänger der USA wurde oder diese sogar in seinem Sinn beeinflusste (dazu Frank J. Koppa, 50-66; Peter C. Kent, 67- 76; Dianne Kirby, 77-102), lässt sich wohl kaum eindeutig nach der einen oder anderen Seite hin entscheiden. Erinnert wird sodann daran, dass dieser Papst zusammen mit den Amerikanern 1948 alles daransetzte, um in den Wahlen die Kommunisten nicht an die Macht gelangen zu lassen (John Pollard, 103-117). Bemerkenswert ist, dass dieselbe Kooperation in Jugoslawien nur bis zu dem Zeitpunkt gelang, als Tito 1948 mit Stalin brach. Fortan förderten die USA den kommunistischen Staatschef, zeigten sich jedoch an dessen Kirchenpolitik auffällig wenig interessiert (Charles R. Gallagher, 118-144).

Von den übrigen Artikeln ist der Beitrag von Tony Shaw über die religiöse Dimension in der Filmproduktion der UdSSR und den USA besonders hervorzuheben (211-236). Während die schroff antireligiöse Tendenz in den sowjetischen Filmen ihren Höhepunkt vor dem Zweiten Weltkrieg überschritten hatte, dominierte der Antikommunismus in den Hervorbringungen Hollywoods in den frühen fünfziger Jahren. Dabei spielte neben dem Wunsch, dem allgemeinen ideologisch-politischen Trend zu entsprechen, auch der Gesichtspunkt eine Rolle, dadurch die Verdächtigungen und Verleumdungen McCarthys zu unterlaufen.

So unübersehbar die thematischen Grenzen dieses Sammelbandes sind, so anregend sind gleichwohl viele der hier versammelten Beiträge. Es bleibt zu hoffen, dass diese Studien bei der weiteren Erforschung der religiösen Dimension des Kalten Krieges die gebotene Berücksichtigung finden.