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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

652–654

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der Großen Konzilien des 15. Jahrhunderts. Zweiter Teil: Die Konzilien von Pavia/Siena (1423/24), Basel (1431-1449) und Ferrara/Florenz (1438-1445). Ausgewählt u. übers. v. J. Miethke u. L. Weinrich.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. 510 S. gr.8 = Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Mittelalter. Lw. Euro 132,00. ISBN 3-534-02436-2.

Rezensent:

Claudia Heimann

Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien im 15. Jh. (1995 mit Quellen zu den Konzilien in Pisa und Konstanz = FSGA 38a) ist nun auch der zweite Band erschienen, der in bewährter Manier lateinische Quellen mit deutscher Übersetzung für die Konzilien in Pavia/Siena 1423, Basel 1431-1449 und Ferrara/Florenz (1438-1445) präsentiert. Der dabei abgedeckte Zeitraum jedoch reicht von 1422 über das Konzil von Ferrara/Florenz hinaus bis in das Jahr 1459.

Den Quellen voran geht eine ausführliche Einleitung (1-82), in der Hintergrund, Überlieferung und Auswahl der betreffenden Texte, die in mit den drei Konzilien korrespondierende drei große Abschnitte (A./B./C.) gegliedert sind, erläutert und eingeordnet werden. Dabei zeigen bereits die ersten beiden Texte zum Konzil von Pavia/Siena aus dem Jahr 1422, der Reformvorschlag einer Kardinalskommission (1a) und der Brief Papst Martins V. an den Mainzer Erzbischof (1b), dass sowohl Papst als auch Kurie gemäß dem 1417 auf dem Konstanzer Konzil verabschiedeten Dekret Frequens tatsächlich auf dieses Konzil hingearbeitet haben. Aus der eigentlichen Konzilsarbeit selbst stammen die folgenden Quellen, so der Beschluss, das Konzil nach Siena zu verlegen (2a), als auch die Entscheidung, die Verhandlungen über die Union mit der byzantinischen Kirche, die man auf dem Konzil zu forcieren gedachte, zu verschieben (2b); ebenso die Reformvorschläge der französischen Nation (3) wie auch eine Predigt des Dominikaners Fra Girolamo da Firenze vom 6. Januar 1424 (4).

Der zweite große Abschnitt über das Basler Konzil ist wiederum in vier Kapitel gegliedert, die neben den Vorarbeiten, die den Übergang vom Sieneser Konzil zum Basler hin dokumentieren (I.), Texte zur Selbstbehauptung und zu den Reformanstrengungen des Konzils (II.), die eigentlichen Reformdekrete (III.) und die Rezeption der Basler Dekrete (IV.) zum Inhalt haben. Die Auswahl der Texte - schwierig wegen der im Gegensatz zum Vorgängerkonzil in Pavia/Siena umfangreicheren Überlieferung - bietet einen informativen und interessanten Querschnitt hinsichtlich Bedeutung und Arbeit des Konzils. So werden z. B. neben der päpstlichen Reformkonstitution vom 13. April 1425 (5) und der Vorbereitung durch die Konzilsnationen (6) auch die Erneuerung des Konstanzer Dekretes Frequens vom 14. Dezember 1431 (7) und der Beschluss über die Amtsgewalt des Allgemeinen Konzils vom 15. Februar 1432 (8) geboten; gefolgt von Denkschriften und Vorschlägen von Juan de Palomar, Johannes Schele, Juan González und Guillaume Maurel (IIb. Reformanstrengungen, Texte 9-12) sowie einem Ausschnitt der Konzilsgeschichte des Juan de Segovia über die Sitzung vom 26. November 1433 (13c. Verfahrensgang beim Dekret über Provinzialkonzilien), den Reformanträgen der Deutschen Nation vom 28. Februar 1433 (14a), der Beschlussvorlage zu einem Simonie-Dekret 1433/34 (14b) und einem Zusatzantrag zum Annaten-Dekret (14c). Erst im dritten Kapitel wird eine Auswahl der wichtigsten Reformdekrete des Basler Konzils wiedergegeben beginnend mit dem Dekret zu Wahlen und Bestätigungen vom 13. Juli 1433 (15), über die Beschlussfassungen zur Abschaffung der Annaten und der würdigen Abhaltung des Gottesdienstes vom 9. Juni 1435 (19), den Ergebnissen der 23. Sitzung vom 26. März 1436 bezüglich des Papsteides, der Zahl und Eigenschaften der Kardinäle, Wahlen und Reservationen (20) hin zum Dekret vom 24. Januar 1438 (22), das neben etlichen Bestimmungen zu Prozessordnung und Pfründen die Abschaffung der Expektanzen behandelt. Neben diesen, vor allem die Reformatio in capite behandelnden Dekreten sind ebenso diejenigen abgedruckt, die die Reformatio in membris zum Inhalt haben, wie z. B. die Dekrete über Juden und Neophyten (17); über die Konkubinarier (18), den Kommunionempfang (21) oder dasjenige zur "Wahrheit des katholischen Glaubens in drei Wahrheiten" (23), das den Inhalt des Konstanzer Dekretes Haec sancta aufgreift. Ein viertes Kapitel beinhaltet Texte, in denen zumindest einige der Reformbeschlüsse des Basler Konzils, wenn auch teilweise modifiziert, übernommen wurden und die somit eine unmittelbare Rezeption der Basler Dekrete belegen: die Reformstatuten des Kardinals und Konzilspräsidenten Cesarini vom August 1434 (25), die Pragmatische Sanktion von Bourges vom 30. Juni 1438 (26) und die Mainzer Akzeptation vom 26. März 1439 (27).

Im dritten Abschnitt "C. Die Reform auf dem Konzil von Ferrara/Florenz/Rom 1438-1445, die Konkordate mit europäischen Fürsten und Nachwirkungen" wird das Fortleben des Reformgedankens über die Konzilien hinaus dokumentiert. Jedoch behandelte das von Papst Eugen IV. von Basel nach Ferrara "verlegte" Konzil in der Hauptsache die Union mit der Ostkirche; die Frage der Kirchenreform spielte dort so gut wie keine Rolle mehr, was auch daran ersichtlich wird, dass von diesem Konzil lediglich ein Reformavisament erhalten blieb (und kein Dekret, 66 f.). Neben den Texten aus der Konzilsarbeit in Ferrara (28: Deutsche Reformvorlage von 1438) werden auch Ausschnitte aus den Beschlüssen des Konzils von Florenz/Rom präsentiert, die Definition über den Primat im Unionsdekret mit der Griechischen Kirche vom 6. Juli 1439 (29a), und die päpstliche Entscheidung vom 26. April 1443, das Konzil von Florenz nach Rom zu verlegen (29b). Den Abschluss der Verhandlungen zur Kirchenreform in der ersten Hälfte des 15. Jh.s bekundet das sog. "Fürstenkonkordat" Papst Eugens IV. vom 5. Februar 1447 (30), das die päpstliche Zustimmung zu einem neuen Allgemeinen Konzil beinhaltete und sich auch sonst "den Reformwünschen des römischen Königs und der deutschen Kurfürsten" (69) zuwandte. Diesem Fürstenkonkordat hätte hier an dieser Stelle das noch bedeutendere Wiener Konkordat vom 17. Februar 1447 folgen müssen, doch wurde dieser Text bereits in einem früheren Band (FSGA 33) abgedruckt und konnte deshalb, so die Herausgeber, nicht noch einmal berücksichtigt werden (71). Den Abschluss des Kapitels C. und damit des ganzen Bandes bildet die Reformacio generalis des Nikolaus von Kues aus den Jahren 1458/59, deren Bedeutung für das Nachwirken des Reformgedankens in der Einleitung (71-81) ausführlich erläutert wird und die einen Wandel im Reformbegriff des Nikolaus von Kues aufzeigt.

Der Hoffnung der Herausgeber, "daß der Band allen ... Einschränkungen zum Trotz das Nachdenken über die Konzilien des 15. Jahrhunderts sowie einen kritischen Umgang mit den Quellen dieses Jahrhunderts befördern kann" (84), vermag man sich nur anzuschließen. Der vorliegende Band besticht nicht nur durch seine Auswahl der Texte, die zwar alle (bis auf zwei Ausnahmen: die Vorschläge der Salzburger Kirchenprovinz vom November 1431 [6b] und der Traktat des Juan González über ein Nichtigkeits-Dekret des Konzils zur Pfründenvergabe [11b]) in gedruckter Form vorliegen, von denen einige aber aus älteren Editionen stammen und mit einigen Handschriften "gegengelesen" und verbessert wurden, sondern auch durch seine sonstige Ausstattung: Neben der wiederholt genannten Einleitung sind hier besonders die chronologische Auflistung der Quellen, ein Verzeichnis der benutzten Handschriften, ein Literaturverzeichnis, das neben den Quelleneditionen auch eine (knappe) Liste wichtiger, erläuternder Literatur anbietet, und ein vom Orts- und Personenverzeichnis getrenntes Sachregister hervorzuheben.