Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

649–652

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Leichtfried, Anton

Titel/Untertitel:

Trinitätstheologie als Geschichtstheologie. "De sancta Trinitate et operibus eius" Ruperts von Deutz (ca. 1075-1129).

Verlag:

Würzburg: Echter 2002. X, 361 S. 8 = Studien zur systematischen und spirituellen Theologie, 37. Kart. Euro 24,50. ISBN 3-429-02375-0.

Rezensent:

Klaus Kienzler

Die vorliegende Untersuchung zur Trinitätstheologie von Rupert von Deutz ist die leicht veränderte Dissertation, die von Gisbert Greshake betreut und im Jahr 2001 von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg angenommen wurde. Die Studie umfasst nach einer Einleitung zu Methode und Forschungsstand (1-9) drei Hauptteile: Der 1. Teil dient der Hinführung zu Leben und Werk Ruperts (1. Kapitel, 10-51) und zur theologischen Methode (2. Kapitel, 52-75). Der 2. Teil legt das Thema der Trinitätstheologie in drei großen Unterkapiteln systematisch vor: "Gott Vater und die trinitarische Schöpfung" (1. Kapitel, 76-101), "Der Sohn und die trinitarische Erlösung" (2. Kapitel, 102-195), "Der Heilige Geist und die trinitarische Neuschöpfung" (3. Kapitel, 201-305). Schließlich ein zusammenfassender 3. Teil: "Trinitätstheologie als Geschichtstheologie" (306-320) und Theologiegeschichtliche Einordnung (321- 335). Am Schluss bietet die Arbeit ein umfassendes Verzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur (336-361).

Der 1. Teil des Buches dient der Hinführung zu Leben und Werk Ruperts von Deutz. Auf ca. 40 Seiten wird eine informative und interessante Biographie Ruperts geboten. Dann werden die notwendigen Grundzüge des Verständnisses und der kommenden Auslegung des zu Grunde gelegten Werkes "De sancta Trinitate et operibus eius" Ruperts vorgelegt: Ruperts Theologie ist monastische Theologie und damit hinsichtlich der Trinität zuerst Geschichtstheologie (gegen die damals aufkommende neue Methode der Dialektiker und ihrer spekulativen Trinitätstheologien). Dies beinhaltet drei wichtige Voraussetzungen zum Werkverständnis: Erfahrungshintergrund der Theologie für Rupert ist die Liturgie; Quelle deswegen die Schriftlektüre im Gottesdienst und im geistlichen Leben; theologischer Hintergrund die Vätertheologie und die Klostertheologie seiner Zeit (52- 69). Aufschluss über die kommende Auslegung geben sodann ein Vorblick auf das Werk "De sancta Trinitate et operibus eius" (= Trin) und die Darlegung der Grundlinien des Werkes.

Trin ist ein äußerst voluminöses Werk von 42 Büchern mit jeweils 30 bis 40 Kapiteln (in der CC-Ausgabe 2127 Seiten in vier Bänden). Rupert ordnet das Werk in drei ungleiche Teile: 3 Bücher sind dem Vater und seinem Schöpfungswerk gewidmet (Teil I), 20 Bücher dem Sohn und der Erlösung (Teil II), 9 Bücher dem Heiligen Geist und der Heiligung (Teil III). Dieser Ordnung gemäß und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Rupert die gesamte Schrift heranzieht, wird das Werk des Vaters vor allem mit der Schöpfung identifiziert (I), das Werk des Sohnes beginnt mit der Schöpfung und endet mit der Auferstehung (II), das Werk des Geistes ergeht bis zum Ende der Zeit (III). Aber das ist nur eine erste Ordnung. Die Wesens- und Wirkverhältnisse der drei göttlichen Personen sind weit vielschichtiger.

Aus diesem Grund schlägt der Vf. für seine Auslegung eine etwas andere Ordnung vor. Grundsatz der Theologie der Trinität bei Rupert ist: "zusammen mit dem einen Wirkenden wirken die beiden anderen Personen mit (cooperantur quidem duae personae uni operanti)", oder: der Schwerpunkt der Trinitätstheologie liegt deutlich auf der Betrachtung der ökonomischen Theologie, d. h. des Heilswerkes, wie es sich für Welt und Mensch darstellt. Sodann wird ein vielschichtiges und vielseitiges Wirk- und Wesensverhältnis der drei göttlichen Personen aufgezeigt: Wird ein Werk wie die Schöpfung zuerst dem Vater appropriiert, so sind nichtsdestoweniger Sohn und Geist bereits am Werk. Der Vf. entfaltet dazu ein vielfaches Netz der Bezüge. Das Heilswerk der Trinität ist heilsgeschichtlich konturiert. Rupert übernimmt von Augustinus das Siebener-Schema, zuerst für das Siebentagewerk der Schöpfung (Hexameron) (I), sodann für die gesamte Heilsgeschichte das Schema der Sieben Zeitalter (nach De civitate Dei) (I-III), d. h. jede der drei göttlichen Personen hat Anteil am Ablauf der Sieben Zeitalter und zugleich ihre besondere Zeit in ihrem Verlauf. Der Vf. verfolgt dieses Schema über die gesamte Auslegung hinweg. Schließlich machen sich die Werke der Trinität in besonderen Heilsgaben kund, den Sieben Gaben des Geistes nach Jes 11,2 f., so dass jedes Werk jeder göttlichen Person vom Vf. nicht weniger ihrem Gabecharakter nach interpretiert wird: in aufsteigender Linie vom Geist der Gottesfurcht (timor) zum Geist der Weisheit (sapientia) hinsichtlich der Werke von Vater und Sohn, in absteigender Linie von der Weisheit zur Gottesfurcht für den Heiligen Geist. Der Vf. legt dieses feine Geflecht der Beziehungen seiner Interpretation insgesamt zu Grunde. Er belässt es aber nicht bei der symbolischen Darstellung, sondern er reflektiert für die drei göttlichen Personen die theologischen (systematischen) Grundlagen zugleich und in immer neuen Einschüben. Nach diesen ausführlicheren methodischen Hinweisen kann auf die detaillierte und reichhaltige Durchführung dieses Gesamtplanes nur noch schlagwortartig eingegangen werden.

Der 2. Teil "Die Trinitätstheologie Ruperts" der vorliegenden Untersuchung ist in drei Kapiteln den drei göttlichen Personen zugewandt. Dabei ist jedes Kapitel wiederum zweigeteilt, nämlich hinsichtlich des theologischen Gehaltes (I) und hinsichtlich des jeweiligen Werkcharakters (II). Das 1. Kapitel "Der Vater und die trinitarische Schöpfung" stellt zunächst das Werk des Vaters vor, um danach die trinitätstheologischen Implikationen zu erörtern. Das 2. Kapitel "Der Sohn und die trinitarische Erlösung" wird von einem großen Bild dominiert: dem Bild der zeitgenössischen "Majestas Domini". In einem ersten Durchgang werden die zentralen Themen der Christologie Ruperts vorgestellt: Erbsünde und Sünde der Menschen, Prädestination und Geschichte als Schauplatz der Schöpfung (I). Sodann wird das Heilswerk des Sohnes in seinen zwei wesentlichen Stufen entfaltet: sacramentum incarnationis und sacramentum passionis (II). Dieses 2. bei Rupert wie auch beim Vf. sehr umfangreiche Kapitel über Christus wird vom Vf. nicht mit der Auferstehung abgeschlossen, sondern im sacramentum resurrectionis bereits der Heilige Geist am Werk gesehen. Mit dessen Heilswerk an der Auferstehung und der Auferstehungswirklichkeit beginnt deswegen das 3. Kapitel "Der Heilige Geist und die trinitarische Neuschöpfung". Wie das 2. christologische Kapitel vom Bild der majestas Domini geprägt wird, so wird dieses 3.Kapitel vom Symbol der geöffneten Seite des Gekreuzigten nach Joh 19,34 dominiert (I). Das Werk des Heiligen Geistes wird umfassend als "Neuschöpfung" wiedergegeben (II), die sich vor allem in den Sakramenten (Taufe und Eucharistie) und den Sieben Gaben des Geistes äußert. Die Eschatologie schließlich vollendet das Werk der drei göttlichen Personen von der Schöpfung an.

Der 3. Teil "Ergebnis" blickt auf den 1. Teil "Hinführung" zurück, um nach dem Durchgang durch Ruperts Trinitätstheologie die dort angeführten Grundlagen zu konkretisieren bzw. in der Forschung aufgeworfene Fragen am Ende der gewonnenen Erkenntnisse zu beantworten: das Verhältnis von Liturgie und Geschichte wird neu thematisiert; die Rede vom "Deutschen Symbolismus", der oft mit Ruperts Schriftauslegung in Verbindung gebracht wird, relativiert; das Verhältnis zur dialektischen Theologie der Zeit präzisiert; die Geschichtstheologie Ruperts auf Irenäus zurück verfolgt und der Unterschied zu Joachim von Fiore betont; das Verhältnis der monastischen Theologie zur sogenannten mystischen Theologie erörtert; das Gesamtergebnis formuliert.

Insgesamt ist die vorliegende Studie eine wichtige wie reichhaltige Untersuchung zur Trinitätstheologie des Rupert von Deutz. Immer wieder wurde der Ausfall von Forschungen zu dieser wohl repräsentativsten Darstellung der Trinität in heilsgeschichtlicher Perspektive des frühen Mittelalters beklagt. Das mag mit dem voluminösen und nicht leicht zu entziffernden Werk Trin zusammenhängen. Dem Vf. ist es gelungen, dieses Desiderat für den deutschsprachigen Raum einzulösen. Ruperts Beitrag kann so als große Alternative zur immer mehr dominierenden spekulativen Trinitätstheologie des Mittelalters besser gewürdigt werden.