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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

621 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Levitt Kohn, Risa

Titel/Untertitel:

A New Heart and a New Soul. Ezekiel, the Exile and the Torah.

Verlag:

London-New York: Sheffield Academic Press 2002. XII, 148 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 358. Lw. £ 45,00. ISBN 0-8264-6057-7.

Rezensent:

Thomas Krüger

Risa Levitt Kohn untersucht in dieser Studie anhand eines sprachlichen und konzeptionellen Vergleichs die Beziehungen zwischen dem Ezechielbuch und der Priesterschrift einerseits sowie dem Deuteronomium und dem Deuteronomistischen Geschichtswerk andererseits. Auf dieser Grundlage soll zum einen die Stellung Ezechiels in der Entwicklung von Geschichte, Theologie und Literatur des alten Israel näher bestimmt werden, zum anderen soll das Ergebnis für das Verständnis der Komposition des Pentateuch ausgewertet werden (4). Nach einem Referat des Forschungsstandes wendet sich L. K. zunächst dem Vergleich Ezechiels mit der Priesterschrift zu. Hier werden in einem ersten Schritt sprachliche Übereinstimmungen registriert; sodann wird der Befund im Sinne einer Rezeption der Priesterschrift durch Ezechiel erklärt. Entsprechend wird in einem weiteren Kapitel mit Ezechiel und dem Deuteronomium sowie dem Deuteronomistischen Geschichtswerk verfahren. Im Anschluss daran wird vorgeführt, wie Ezechiel - insbesondere in Kap. 20 - priesterschriftliche und deuteronomisch-deuteronomistische Elemente aufnimmt und kombiniert. Zuletzt werden die Ergebnisse zusammengefasst: Ezechiel verstand sich selbst als "neuer Mose". Er griff die verschiedenen "mosaischen" Traditionen des Pentateuch auf, weil er davon überzeugt war, dass jede von ihnen etwas Wahres über Gott und über Israel enthielt. Ezechiel favorisierte zwar die Priesterschrift, unternahm es aber trotzdem, eine eigene, neue Theologie zu entwickeln, die weder völlig unabhängig von ihren Quellen war noch sich auf eine Kombination derselben beschränkte. Damit entspricht das Werk Ezechiels in mancherlei Hinsicht der priester(schrift)lich orientierten Komposition des Pentateuch (117).

Der Weg, der zu diesem Ergebnis führt, ist allerdings nicht sehr überzeugend. So erscheinen nicht wenige der herangezogenen sprachlichen Parallelen in Anbetracht der geringen Zahl der Belege kaum signifikant. Vielfach ist die Richtung einer allfälligen Abhängigkeit keineswegs eindeutig (so dass L. K. gelegentlich zu dem "Argument" Zuflucht nehmen muss, es sei "logischer" zu erwarten, dass ein Prophet die Tora zitiere als umgekehrt: 77). Trotz sprachlicher Berührungen erweist sich das Ezechielbuch in der Mehrzahl der Fälle als konzeptionell eigenständig. Vor allem aber geht es kaum an, die Priesterschrift (einschließlich des sog. Heiligkeitsgesetzes), das Deuteronomium samt dem Deuteronomistischen Geschichtswerk und das Ezechielbuch als drei in sich literarisch einheitliche Textkorpora miteinander zu vergleichen, wie es L. K. tut - trotz gelegentlicher Differenzierungen zwischen Dtr1 und Dtr2 bzw. zwischen P, H und der (angeblich priesterlichen) Pentateuchredaktion R, die aber in den Schlussfolgerungen keine Rolle mehr spielen. Für Fragen der Literaturgeschichte verweist L. K. immer wieder auf F. M. Cross (Canaanite Myth and Hebrew Epic, 1973) und R. E. Friedman (Who Wrote the Bible?, 1987), die wohl kaum den gegenwärtigen Stand der Forschung repräsentieren.

So weist die vorliegende Arbeit vor allem auf eine Reihe von interessanten Beobachtungen hin, die einer methodisch reflektierteren und historisch differenzierteren Erklärung harren.