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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

620 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gerstenberger, Erhard S.

Titel/Untertitel:

Psalms, Part 2, and Lamentations.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2001. XII, 543 S. gr.8 = The Forms of the Old Testament Literature, 15. Kart. US$ 45,00. ISBN 0-8028-0488-8.

Rezensent:

Bernd Janowski

Nachdem E. S. Gerstenberger 1988 den ersten Teil seines die Kommentierung von Ps 1-60 enthaltenden Psalmenkommentars veröffentlicht hat (Psalms, Part 1 with an Introduction to Cultic Poetry [FOTL XIV], s. dazu ThLZ 120 [1995], 638- 641), folgt jetzt der zweite Teil, der nicht nur die Psalmen 61- 150 (3-461), sondern auch die Klagelieder (465-505) behandelt. Wie schon der Vorgängerband ist auch dieser Kommentar gemäß den Prinzipien der Reihe FOTL konsequent formgeschichtlich orientiert, was zusätzlich in dem sehr hilfreichen "Glossary" (506-543) zu den "Genres" und "Formulas" der Psalmen, denen jeweils eine deutsche Übersetzung sowie weiterführende Literaturhinweise beigegeben sind, zum Ausdruck kommt. Dieses Glossar, das gegenüber demjenigen in Teil I des Kommentars (dort 243-260) erheblich erweitert ist, darf als die gegenwärtig übersichtlichste Darstellung zur Formgeschichte der Psalmen bezeichnet werden (vgl. zur Sache auch ders., Art. Psalmen, NBL 3 [2001], 209-213).

Was die Kommentierung der Einzeltexte angeht, so setzt G. sein in Teil I praktiziertes Auslegungsmuster fort: Auf eine "structure" genannte, z. T. ausführliche Aufbauanalyse, die den jeweiligen Text in kleine Formelemente zerlegt und diese sukzessive kommentiert, folgen drei unterschiedlich lange, in der Regel aber knappe Abschnitte über die Gattung ("genre"), den Sitz im Leben ("setting") und die Intention ("intention") des Textes. Den Schluss bildet jeweils eine ausführliche Bibliographie. Dass G. etwa im Unterschied zum Psalmenkommentar von F.-L. Hossfeld/E. Zenger die Psalmen ausschließlich als Einzeltext und nicht auch (!) als Bestandteile des Gesamtpsalters auslegt, hängt mit seiner vielfach geäußerten Auffassung zusammen, dass der Psalter kein Buch, sondern eine Sammlung von Gebeten und (Gemeinde-)Liedern aus unterschiedlichen Lebenssituationen ist (s. dazu das Author's Preface, XV-XVI, und zur Sache B. Janowski, BZ 47 [2003], 43-65). Damit aber kommt weder die Frage nach dem Ort eines Einzeltextes im übergreifenden Zusammenhang einer Teilsammlung (z. B. Ps 73-83) oder eines Psalmbuchs (z. B. des dritten Psalmbuchs Ps 73-89) noch die Frage nach der semantischen, motivlichen, poetologischen und theologischen Korrelation zwischen einem bestimmten Psalm und seinem/n Nachbarpsalm/en usw. in den Blick. Der Reichtum der Psalmen, der darin besteht, dass sie Einzeltexte und zugleich Bestandteile des Gesamtpsalters sind und als solche auch ausgelegt sein wollen, kommt so leider nicht in den Blick.

Ein großer Nachteil dieses Kommentars ist aus der Sicht des Rez. auch das Fehlen einer Übersetzung der ausgelegten Psalmen (und infolgedessen auch einer Diskussion der textkritischen Probleme!), die ja immer ein Prüfstein für die Exegese ist. Die zentralen Fragen des Tempusgebrauchs, der Wortfolge und der Syntax rücken auf diese Weise an den Rand. Und dennoch: In seiner Konzentration auf die formgeschichtlichen Aspekte der Psalmen stellt dieser Kommentar eine imponierende Gesamtleistung dar, die in der gegenwärtigen Kommentarlandschaft einen festen Platz einnehmen wird.