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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

610–613

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Pummer, Reinhard

Titel/Untertitel:

Early Christian Authors on Samaritans and Samaritanism. Texts, Translations and Commentary.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2002. XIV, 518 S. gr.8 = Texts and Studies in Ancient Judaism, 92. Lw. Euro 129,00. ISBN 3-16-147831-2.

Rezensent:

Martina Böhm

Nachdem sich die Samaritanerforschung in den zurückliegenden Jahrzehnten ein um das andere ihrer Arbeitsfelder methodisch und inhaltlich erschlossen und für weitere Studien urbar gemacht hat, ist mit dem Quellenband von R. Pummer in chronologischer Hinsicht eine wichtige Grundlage für den Anschluss an die bereits vorliegenden Untersuchungen zur alttestamentlichen, intertestamentarischen und neutestamentlichen Zeit gelegt worden. Eine die Originalversionen bietende, kritisch edierte, kommentierte und mit englischen Übersetzungen versehene Zusammenstellung der weithin verstreuten und teils nur schwer zugänglichen Äußerungen christlicher Autoren zu den Samaritanern zwischen dem 2. und 14. Jh. n. Chr. hat bisher gefehlt - und mit ihr eine fundierte und praktikable Arbeitsgrundlage für die Erschließung der Geschichte und Religion dieses markanten Sonderzweigs von Israel vom 2. Jh. n. Chr. bis zur muslimischen Eroberung Palästinas.

Obwohl einige der von P. erfassten christlichen Autoren später gelebt und geschrieben haben, beziehen sich ihre (zumeist in Chroniken und Annalen enthaltenen) Informationen doch auf die Zeit vor 638 n. Chr. zurück, so dass die Auswahl der Texte fünf Jahrhunderte früher samaritanischer Geschichte aus christlicher Perspektive spiegelt. Diese Epoche, in der die Samaritaner von jüdischer Seite vor allem unter dem Aspekt der Abgrenzung betrachtet und von den Christen verfolgt worden sind, stellt eine entscheidende Phase in der seit dem 2. Jh. v. Chr. graduell vollzogenen religiösen Eigenentwicklung dieser Religionsgemeinschaft dar. Da die samaritanischen Selbstzeugnisse bis zum 10./11. Jh. n. Chr. weitgehend vernichtet worden sind, ist man für die Erforschung dieses Zeitabschnitts vor allem auf Fremdzeugnisse und hier in besonderer Weise auf die patristischen Quellen verwiesen. Als häufig einzige Relikte können sie nicht nur Licht in historisches Dunkel bringen, sondern als unmittelbare Zeitzeugen das Geschichts- und Selbstbild der späteren samaritanischen Quellen sachlich auch besser einordnen helfen. Um so mehr war bisher zu bedauern, dass das patristische Material in seiner Gesamtheit und in den jeweiligen Originalsprachen nur mit erheblichem Aufwand heranzuziehen gewesen ist. Mit diesem verdienstvollen Sammelband hat sich das Blatt nun gewendet und ist Religionswissenschaftlern, Historikern, Judaisten und Theologen ein wertvolles Quellenwerk in die Hand gegeben worden. So dürfte von dieser Edition nicht nur ein wichtiger Impuls, sondern ein regelrechter Arbeitsauftrag für die weitere Erforschung samaritanischer Geschichte und Religion und nicht zuletzt auch von Fragen der christlichen Wahrnahme und des christlichen Umgangs mit den Samaritanern ausgehen.

In einer zehnseitigen Einführung bietet P. dem Benutzer des Quellenbandes zunächst einen knappen forschungsgeschichtlichen Überblick zu einigen für die patristischen Texte relevanten methodischen Grundfragen der Samaritanologie. Hier kommen neben terminologischen Aspekten die viel diskutierten Zuordnungsprobleme der Lehren von Simon Magus, seinem Schüler Menander und von Dositheus zur Sprache. Da P. nur Texte einbezieht, die sich seiner Überzeugung nach auch unter kritischem Blickwinkel tatsächlich auf Samaritaner, nicht auf pagane oder jüdische Einwohner Samariens beziehen, reduzieren sich die aufgenommenen Texte frühchristlicher Literatur einerseits gegenüber der 1994 von J. Zangenberg präsentierten, in Samareia enthaltenen Sammlung patristischer Texte in deutscher Übersetzung; andererseits kann der von P. vorgelegte Quellenband mit seiner Konzentration auf frühchristliche Verfasser stärker als Samareia auf den Aspekt der Vollständigkeit setzen. Für unberücksichtigte Texte wie die römisch-byzantinischen Gesetzestexte verweist P. auf bereits vorhandene, adäquate Quellenausgaben.

Der Band vereint im Folgenden 198 chronologisch angeordnete Texte von 47 christlichen Autoren, die ursprünglich in Griechisch oder Latein (bzw. im Fall von Eutychius in Arabisch) geschrieben haben, deren Werke teilweise jedoch nur noch in syrischer, armenischer, georgischer, koptischer oder äthiopischer Übersetzung erhalten sind. P. bietet alle diese Texte in der jeweilig ältesten oder besterhaltenen Version und mit dem Apparat der jüngsten kritischen Edition. Er hat sie mit den Standardübersetzungen und - wo nicht vorhanden - teils selbst angefertigten englischen (und in einigen Fällen zusätzlich mit deutschen) Übersetzungen versehen. Jedem Autor hat P. eine Einleitung vorangestellt, in der er zunächst über dessen Zeit, Herkunft und Hauptwerke informiert, um hier im Anschluss das entsprechende Quellenmaterial mit Rücksicht auf seinen Kontext und unter der Frage seiner Bedeutung für samaritanische Studien ebenso wie einschlägige Forschungspositionen zu analysieren und zu diskutieren. Je nach Bekanntheit eines Autors, Umfang und Problematik seiner literarischen Hinterlassenschaft fallen diese Einleitungen unterschiedlich lang und detailliert aus. Der Benutzer wird hier schnell auch in die entscheidenden Feinheiten der Forschungssituation eingeführt und nicht zuletzt in die Auseinandersetzung mit den samaritanischen Selbstzeugnissen hineingezogen.

Durch die verschiedenen literarischen Genres hindurch entsteht insgesamt ein kaleidoskopisches, durch die Augen christlicher Verfasser gesehenes Bild der Geschichte und Religion der Samaritaner zwischen dem 2. und dem 7. Jh. n. Chr. P. unterscheidet grundsätzlich drei Kategorien von Quellen: solche, die historische Informationen enthalten, solche, die kaum mehr als Exegesen biblischer Passagen oder Wiederaufnahmen von Bemerkungen aus patristischen Vorgängerwerken darstellen, und drittens Quellen, die von einer Identifizierung von Samaritanern mit christlichen Häretikern ausgehen. Im Einzelnen werden in diesem Spektrum die verschiedensten Themen behandelt, unter denen Fragen des Ursprungs der Samaritaner, deren Gleichsetzung mit Götzendienern, Fragen nach der Bedeutung ihres Namens, dem Samaritanischen Pentateuch und der Heiligkeit des Garizims ebenso wie Fragen der samaritanischen Schrift oder bestimmter Theologumena wie die Ablehnung der Auferstehungsvorstellung und die messianische Figur des Taheb von besonderer Bedeutung sind. Darüber hinaus beschäftigen sich die patristischen Autoren mit samaritanischen Sekten, Siedlungen, Revolten, mit Konversionen, Synagogen, mit der Behandlung von Nichtsamaritanern durch Samaritaner und der strikten Gesetzesobservanz dieser Religionsgemeinschaft. Zu all diesen Themen bietet P. im Übrigen in seiner Einführung über vier Seiten handbuchartige Begleiterklärungen. Diese Stichworte sind ganz auf ihren Bedeutungshorizont im Rahmen der patristischen Quellen konzentriert. Dass sich hinter den meisten von ihnen im größeren Rahmen der Geschichte der Samaritaner seit postexilischer Zeit ganze Forschungsfelder erstrecken und nicht zuletzt umfängliche Literaturlisten dehnen, wird dem bisher noch nicht mit der Samaritanerforschung in Berührung gekommenen Benutzer an dieser Stelle allerdings nicht unbedingt deutlich, so dass sich diese Einführung eher an die Spezialisten wendet, die sich hier einen ersten Überblick über die inhaltlichen Tendenzen und den Informationswert der Quellen in bestimmten Fragen verschaffen können. In ähnlicher Weise sind m. E. die exzellenten Einleitungskapitel zu jedem einzelnen der 47 christlichen Autoren vor allem auf in die Materie eingearbeitete Benutzer angelegt, die hier ohne Umwege an die relevanten Fragen herangeführt werden. Dennoch können die Nichtspezialisten für das Forschungsfeld auf jeden Fall interessiert und zu intensiverer Beschäftigung mit einem noch weniger bearbeiteten, nun aber zumindest quellenmäßig erschlossenen Acker angeregt werden. Umfangreiche Verweise auf Sekundärliteratur in den einzelnen Autoreneinleitungen sowie ein vorzüglicher Registerteil bieten hier zusätzliche Hilfestellung.

Die mit Samaritanerfragen Vertrauten haben auf ein solches Werk lange gewartet und dürften mit dieser Edition des für weitere Studien unverzichtbaren Basismaterials hoch zufrieden sein. Und für diejenigen, die sich in die Materie erst noch einarbeiten, ist durch diesen Quellenband zumindest der Zugang zur Sache vom steinigen Pfad zum bequemeren Weg geebnet worden.