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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

609 f

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Kalimi, Isaac

Titel/Untertitel:

Early Jewish Exegesis and Theological Controversy. Studies in Scriptures in the Shadow of Internal and External Controversies.

Verlag:

Assen: Royal Van Gorcum 2002. XVI, 209 S. m. 8 Abb. gr.8 = Jewish and Christian Heritage Series, 2. Geb. Euro 59,00. ISBN 90-232-3713-7.

Rezensent:

Martin Rese

K.s Buch enthält in drei Abschnitten sieben bereits früher auf Englisch und/oder Deutsch veröffentlichte und nun zum Teil überarbeitete Aufsätze. Ein knapper "Prologue" (1-6) stellt den Inhalt dieser Aufsatzsammlung vor, und ein kurzer "Epilogue" (160-163) blickt auf deren Ergebnisse und Ziele.

Im ersten Abschnitt ("I. The Aqedah and the Temple: A Disputed Heritage", 7-58) geht es um das Zueinander von Bindung Isaaks und Tempelberg in Jerusalem in den biblischen und nachbiblischen Schriften. Nach Gen 22,2 findet die Bindung Isaaks im "Land Morija" auf einem der Berge dort statt, nach 2Chron 3,1 erbaut Salomo den Tempel auf dem "Berg Morija" in Jerusalem. Aus Gen 22,14b entnimmt K., der Tempelberg in Jerusalem sei schon zur Zeit des ersten Tempels als Ort der Bindung Isaaks angesehen worden, aus 2Chron 3,1, den Namen "Berg Morija" jedoch habe der Tempelberg erst in der Zeit des zweiten Tempels erhalten. Für den Chronisten habe zwischen Tempelberg und Bindung Isaaks "eine eindeutige Beziehung" (14) bestanden, und er betone sie wahrscheinlich, um die besondere "Heiligkeit" (32) von Serubabels Tempel hervorzuheben. Zwar werde die Bindung Isaaks in den Chronikbüchern nirgends erzählt, doch der Chronist könne in 2Chron 3,1 auf sie verweisen, weil sie "seinen Lesern bekannt" gewesen sei (27, Anm. 52), was übrigens eine merkwürdige Verwendung des argumentum e silentio ist. Einzig die Samaritaner hätten die Bindung Isaaks auf dem Berg Garizim lokalisiert. In der nachbiblischen Literatur ist die Verknüpfung von Tempelberg in Jerusalem und Bindung Isaaks üblich, wie K. mit vielen Beispielen belegt (33-58, u. a. Josephus, ant. I, 224.226); sie stammt für ihn, wie oben bereits notiert, aus der Zeit des ersten Tempels - es ist zu fragen, ob Gen 22,14b diese Hypothese tatsächlich deckt.

Im zweiten Abschnitt ("II. Biblical Texts in Polemical Contexts", 59-103) will K. "die vermutlichen historisch-politischen und sozio-religiösen Kontexte" (3) von Ausführungen in den Midraschim aufdecken. Sowohl die Aussage, einige der großen Gestalten der Geschichte Israels (z. B. Moses, Jakob, Josef) seien beschnitten geboren worden, als auch die Verurteilung von Josefs Denunziation seiner Brüder durch die Rabbinen gehen nach Meinung K.s auf die Zeit von der Mitte des 1. Jh. n. Chr. bis zur Mitte des 2. Jh. n. Chr. zurück. Hinter der Aussage, einige seien beschnitten geboren worden, stehe der Streit mit dem paulinischen Christentum über die Beschneidung und Hadrians Verbot der Beschneidung. Dass die Rabbinen Josefs Denunziation so streng verurteilten, sei "verständlich im Lichte ihrer Auseinandersetzung mit (Juden-)Christen" (4) sowie ihrer "Verurteilung von Denunzianten, die mit den Römern zusammenarbeiteten" (161) - so überzeugend wie K.s Hinweis auf Hadrians Beschneidungsverbot klingt, so diskussionswürdig scheint mir die Rolle, die K. der vermuteten Auseinandersetzung der Rabbinen mit dem paulinischen Christentum sowie mit den Christen überhaupt einräumt. Hier könnte es sich auch um innerjüdische Diskussionen handeln, wie K. selbst es für den Umgang mit der Erzählung über Josef und Potifars Frau in den Midraschim annimmt

Der dritte und letzte Abschnitt ("III. Biblical Theology, Judaism and Christianity", 105-159) gilt "der Beziehung zwischen der Geschichte der Religion Israels und der Theologie der hebräischen Bibel/des Alten Testaments" (5). Beide Disziplinen schlössen sich nicht aus und hätten je ihr Verdienst, sie dürften aber nicht miteinander vermengt werden. "Unglücklicherweise ... [würden] einige christliche Theologen antijüdische und antisemitische Gesichtspunkte in ihr Studium der Bibel eintragen; diese Tendenzen sollten in zukünftigen Arbeiten vermieden werden" (5). "Jüdische und christliche Gelehrte ... [könnten] nicht nur bei der Untersuchung der Geschichte der alten Religion Israels zusammenarbeiten, sondern auch beim Umgang mit der Verschiedenheit sich widersprechender Theologien, die sich in der Hebräischen Bibel finden" (162) - hier ist nur anzumerken, dass der diese Gedanken vertretende Aufsatz K.s nicht nur 1997 auf Englisch erschien, sondern auch bereits 1995 auf Deutsch ("Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments? Das jüdische Interesse an der Biblischen Theologie", JBTh 10 [1995], 55-64).

Insgesamt lässt sich sagen, dass aus K.s gesammelten Studien viel zu lernen ist, und zwar, wie K. selbst betont und erhofft, "über frühe jüdische Exegese und über theologische Kontroversen, sei es zwischen jüdischen Gruppierungen (intern) und/oder zwischen dem Judentum und anderen Religionen, besonders dem Christentum (extern)" (1). Dass m. E. manche der Thesen der Diskussion bedürfen, habe ich in den Zwischenbemerkungen angedeutet.