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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

605

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Smart, Ninian

Titel/Untertitel:

Weltgeschichte des Denkens. Die geistigen Traditionen der Menschheit.

Verlag:

Aus d. Engl. übers. v. N. de Palézieux. Darmstadt: Primus/Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. 535 S. gr.8. Lw. Euro 49,90. ISBN 3-89678-443-9.

Rezensent:

Theo Sundermeier

Ninian Smart gehörte (er starb 2001) zu den Universalgelehrten unserer Generation. Seine Werke - man denke an seinen Atlas der Religionen - zeigen ein profundes Wissen im Blick auf Geistes-, Philosophie-, und Religionsgeschichte, das scheinbar keine Grenzen kennt. Auch das hier anzuzeigende Buch, sein letztes, in dem er die Summe seines Forscherlebens zusammenfasst, wagt es, die geistigen Traditionen der ganzen Menschheit in ihren wesentlichen Ausprägungen darzustellen.

Der indische "Kontinent" wird in seiner vielschichtigen Entwicklung seit Buddhas Auftreten ebenso dargestellt (32 ff.) wie die Philosophien des Islam (224-256, 414 ff.). Die chinesischen Weltanschauungen sind dem Vf. gleichermaßen vertraut (98- 145) wie die koreanischen (146-155). Es ist bemerkenswert, dass er die Ansätze afrikanischer Philosophie und Theologie ebenso ernst nimmt wie die lateinamerikanischen (399-413) und jüdischen (257-274) Theologien. Auch in der abendländischen Philosophie ist er zu Hause und gibt den britischen Denkern keinen Vorzug vor den kontinentalen, sondern beschreibt alle mit der gleichen Eleganz englischer Schreibkultur, auf die man aus deutscher Wissenschaftstradition nur mit Neid blicken kann. Auch die komplexesten Probleme fremdreligiöser Herkunft - wie die des Buddha, die der japanischen Religionsgeschichte oder die der islamischen Mystik - werden souverän behandelt, so dass die Leselust stets neu angeregt wird.

Der Vf. erliegt nicht der Versuchung, das Spektrum der geistigen Traditionen in eine historische Perspektive zu pressen, vielmehr überlässt er den diversen Traditionen ihr jeweils eigenes Gewicht und ihre besondere Ausprägung. Es ist die Stärke seines Ansatzes, dass er zwar Querverbindungen gelegentlich herstellt, insgesamt aber werden die jeweiligen Traditionen so dargestellt, dass sie die anderen in ihrem Anspruch und ihrer Bedeutung begrenzen. So gelingt ein pluralistisch-universaler Ansatz, der den Einflüssen der verschiedenen religiösen und philosophischen Strömungen soviel Raum gibt, wie ihnen zukommt, ja zukommen muss, damit wir dem reduktionistischen Druck der Globalisierung standhalten können und der Geist sich weiter frei entfalten kann. Der Vf. schaut nicht pessimistisch zurück und meint nicht, dass in den vergangenen Traditionen das Heil zu suchen sei, aber er ist auch nicht der Meinung, dass die Entfaltung des Geistes schon zu ihrem Ende gekommen sei. Ein Buch ist entstanden, das Mut macht, sich auf die Fähigkeiten des Geistes weiterhin einzulassen, ein Buch zum Stöbern, zum Nachschlagen, kurz, ein Buch das inspiriert.