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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

596–598

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Jukko, Risto

Titel/Untertitel:

Trinitarian Theology in Christian-Muslim Encounters. Theological Foundations of the Work of the French Roman Catholic Church's Secretariat for Relations with Islam.

Verlag:

Helsinki: Luther-Agricola-Society 2001. 281 S. 8 = Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft, 50. ISBN 951-9047-59-X.

Rezensent:

Olaf Schumann

Die vom 2. Vatikanischen Konzil ausgehenden Bemühungen, das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen und ihren Anhängern neu zu bestimmen, haben zur Gründung verschiedener Studienzentren und kirchlicher Sekretariate geführt, die sich nicht nur allgemein mit den Auswirkungen der von Rom ausgehenden theologischen und praktischen Initiativen beschäftigen, sondern auch den Auftrag haben, deren Bedeutung für einen - national oder regional konzentrierten - interreligiösen Dialog zu evaluieren. Eines dieser Zentren ist das 1975 in Paris gegründete, vor allem von Weißen Vätern geleitete Sécretariat pour les Relations avec l'Islam (S. R. I.), dessen theologische Grundsätze, wie sie vor allem in seinen Publikationen deutlich werden, der finnische lutherische Theologe Risto Jukko zum Thema einer eingehenden Untersuchung gemacht hat.

Auf dem Hintergrund der Geschichte, die der Islam während und vor allem nach dem Ende der Kolonialzeit in Frankreich spielte einerseits und neueren Ansätzen für eine theologische Annäherung an andere Religionen ("Theologie der Religionen") andererseits bemüht sich der Vf., das eigene Profil des S. R. I. herauszuarbeiten. In fünf Themenkreisen stellt er sich dieser Aufgabe: Zunächst behandelt er römisch-katholische Fundamentaltheologie und Dogmatik als theologische Basis einer Annäherung an andere Glaubenstraditionen; danach, besonders auf den Dialog mit dem Islam bezogen, den Glauben an den Schöpfergott und das Verständnis vom Menschen als gesellschaftsorientiertem Wesen; Offenbarung und Heilsangebote (salvations); die Kirche und das Königreich Gottes; zur Stärkung des Königreiches Gottes: der christlich-muslimische Dialog.

Im Vergleich zu anderen christlichen Entwürfen einer "Theologie der Religionen" vertritt das S. R. I. eine klare "theozentrische" Linie, womit es einerseits der aus anderen Religionen erhobenen Forderung nahe kommt, "Gott" selbst und nicht "Spezialaspekte" wie die Christologie oder Ekklesiologie als Orientierungspunkt einer auf Dialog hin ausgerichteten Theologie zu bestimmen. Andererseits lässt das S. R. I. jedoch auch keinen Zweifel daran, dass christliche Theologie "Gott" nur als den sich trinitarisch Offenbarenden aussagen kann. Die innertrinitarische Spannung insbesondere zwischen "dem Sohn", der durch die Inkarnation sich einer örtlichen und zeitlichen Begrenzung vorübergehend unterwarf, und dem Geist, der sich solcher Begrenzung nicht unterzog, führt immer wieder zu umfangreichen und vielschichtigen Überlegungen darüber, in welcher Weise der Geist dann auch außerhalb der Christus bekennenden Kirche, aber ohne expliziten Bezug auf diese bzw. auf Christus heilswirksam tätig sein kann. Zwar gilt, dass "Christology and Pneumatology cannot be severed; they both belong to the same economy of Salvation" (58), aber konkret ist damit das Verhältnis zwischen Dialog und Mission angesprochen, wobei es selbstverständlicher Konsens ist, dass auch im Dialog das Element des Glaubenszeugnisses zentral verankert ist. Das gilt übrigens für Christen wie für Nichtchristen, andernfalls wäre der Dialog unglaubwürdig. Aber: "the relationship between dialogue and mission remains problematic", stellt der Vf. fest (72). Immerhin erhält das Problem ausführliche Aufmerksamkeit und wird nicht unter den Tisch gekehrt. In Anlehnung an Karl Rahners Vorstellung von den "anonymen Christen" wird ein Heilswirken des Heiligen Geistes auch außerhalb der Kirche anerkannt, und damit ist zumindest die alte feindselige Obsession gegen die "Heiden" überwunden, denen nun eine durch den Geist bewirkte persönliche Heilsmöglichkeit durchaus zuerkannt wird. Diese Vorstellung dient damit zur Klärung der eigenen theologischen Ausgangsbasis für einen Dialog und die Haltung, in der man anderen gegenübertritt. Der Vf. hätte jedoch auch auf Grund inzwischen gemachter Erfahrungen im Dialog darauf verweisen können, dass dieses Konzept in der direkten Begegnung wenig Anklang findet, weil die Dialogpartner Wert darauf legen, mit ihrer Selbstbezeichnung angesprochen und von anderen entsprechend ihrem Sinne respektiert zu werden. Der Sinn eines Satzes wie: "In a Muslim, one is to see first a believer (in one God), and then, after that, a Muslim" (89) dürfte für einen Muslim selbst ziemlich enigmatisch sein. Er dient also bestenfalls der eigenen (christlichen) Positionsbestimmung, die dem Dialog vorausgeht. Ähnliches gilt für die auch gern von konservativen protestantischen Theologen betriebene "Vereinnahmung" der Muslime in die Konzeption einer teleologisch oder heilsgeschichtlich verstandenen Zubewegung ihrer Gemeinschaft auf die Vollendung des "Gottesreiches". Der neutestamentlichen "Königsherrschaft Gottes" bzw. der civitas Dei Augustins steht im Islam die - wenn auch derzeit von islamistischen Apologeten und ihren christlichen Intimfeinden geflissentlich übersehen - bereits von Muhammad getroffene Unterscheidung zwischen der gottesdienstlichen ummat Allâh (Volk Gottes, das, wie Gott nur einer ist, auch nur eins sein sollte) und der als Gesellschaft konzipierten madînat an-nabî, der "Stadt" (wörtlich: Ort der Religion, dîn) des Propheten, die hier exemplarisch errichtet wird und wohl einer jeweiligen Neuinterpretation ihrer Grundlagen hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen, nicht aber einer eschatologischen Vollendung bedarf, gegenüber. Da sich das religiöse Selbstverständnis einer Glaubensgemeinschaft nachhaltig auf die Themen und Zielvorstellungen eines gesellschaftlichen Dialoges auswirkt, um den es dem S. R. I. vornehmlich geht, bedarf es deshalb einer besonders differenzierten Behandlung, auf die der Vf. hätte hinweisen sollen. Formulierungen des trinitarischen Gottesverständnisses bedürfen ebenfalls besonderer Behutsamkeit. Neologismen wie die Beschreibung der Trinität als "God the Father, God the Son and God the (Holy) Spirit" (241)- das wäre in arabischer Übersetzung dreimal Allâh! - sollten keinen Eingang in die christlich-theologische Selbstdarstellung, schon gar nicht gegenüber Muslimen, finden, denn sie blockieren jeglichen Zugang zum christlichen Gottesverständnis und rücken es zudem in die Nähe der hinduistischen Trimurti (Brahma, Shiwa, Vishnu), die muslimischen Gelehrten inzwischen auch bekannt ist. Die johanneische Dialektik im Prolog: theos mal mit, mal ohne Artikel, eröffnet andere Verständnismöglichkeiten.

Das Werk bietet einen vorzüglichen kritischen Überblick über die breite Palette der theologischen Probleme, der sich das S. R. I. gegenübersieht. Es ist m. E. in deren Inventarisierung und Evaluierung so vorbildhaft und weit fortgeschritten, dass nun eine intensivere direkte Begegnung mit Muslimen stattfinden sollte, um die Tragfähigkeit der gefundenen Konzeptionen zu überprüfen und insbesondere Fehlinterpretationen hinsichtlich der "anderen" Seite auszumerzen, die den eigentlichen Dialog um die anstehenden aktuellen gesellschaftlichen und, angesichts einer zunehmenden Apokalyptisierung der Weltpolitik, nicht weniger wichtigen globalen Probleme behindern könnten. Dem lutherischen Vf. sei für seine hilfreiche, in sich schon dialogische Darstellung und Analyse gedankt.