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Ausgabe:

Juni/2004

Spalte:

595 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Elsas, Christoph

Titel/Untertitel:

Religionsgeschichte Europas. Religiöses Leben von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart.

Verlag:

Darmstadt: Primus/Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. 239 S. 8. Kart. Euro 16,50. ISBN 3-89678-425-0.

Rezensent:

Daria Pezzoli-Olgiati

Das Buch bietet einen Überblick über die Religionsgeschichte Europas von der vorgeschichtlichen bis zur heutigen Zeit. Diese große Zeitspanne wird durch fünf geographisch und zeitlich geordnete Stationen rekonstruiert: "Hinweise auf religiöses Verhalten im vorgeschichtlichen Europa", "Alteuropäische religiöse Traditionen und Traditionen finnougrischer und indoeuropäischer Zuwanderer", "Integration von orientalischen Weisheiten und Kultgemeinschaften in den hellenistisch-römischen Weltreichen", "Auseinandersetzung zwischen zentralistischen Monotheismen" und "Von der Renaissance und Konfessionalisierung zu Aufklärung und Säkularstaat".

Bei den Ausführungen zu den vorgeschichtlichen religiösen Formen dominieren Fragezeichen und Vermutungen. Dennoch bildet dieses erste Kapitel einen interessanten Einstieg in die folgende historische Zeit. Im nächsten Kapitel werden die Traditionen von Finnen, Lappen und Ungarn, polytheistische Formen in der Ägais, etruskische und römische Religionssysteme und schließlich Helden- und Fruchtbarkeitskulte bei Skythen, Trakern, Althispaniern, Kelten, Germanen, Balten und Slawen behandelt. Die folgende Station beleuchtet verschiedene Entwicklungen in der hellenistisch-römischen Zeit: Herrscherkult, griechische philosophische Strömungen, die Auseinandersetzung mit dem jüdischen Monotheismus, astrologisches und magisches Wissen sowie Mysterien und hermetische Traditionen. Es folgt ein umfangreiches, den monotheistischen Systemen gewidmetes Kapitel: Christliche und jüdische Religionsformen werden von der Spätantike bis zur Renaissance verfolgt und in ihrer Auseinandersetzung mit dem Islam dargestellt. Im Schlusskapitel wird ein Bogen von der Renaissance zur Aufklärung und zur Säkularisation gespannt; die Aufmerksamkeit ist auf die Begegnung zwischen unterschiedlichen Traditionen im europäischen Raum gerichtet, wobei neben den dominanten Strömungen beispielsweise auch religiöse Riten von Roma und Sinti thematisiert werden.

In der Einleitung und im letzten Abschnitt des Schlusskapitels gibt der Autor über den Ausgangspunkt und das Ziel seines Werkes Auskunft. Programmatisch erscheint der allererste Satz: "Eine dialogisch konzipierte Religionswissenschaft kann zur Reflexion über europäische Identität beitragen, indem sie aufgrund persönlicher Begegnung und vertiefender Forschungen das Gespräch über den Kreis der eigenen Sozialisation in Kultur und Religion hinaus anregt" (11).

Die vertiefte Kenntnis der eigenen Religionsgeschichte soll im Kontext des Dialogs zwischen verschiedenen religiösen Traditionen dazu bewegen, Konvergenzmöglichkeiten für die Menschenrechte, die mit dem Begriff der Goldenen Regel zusammengefasst werden, zu überprüfen und zu realisieren: "Die Motivation zur Goldenen Regel aus Vermeiden eigener Schädigung erweist sich angesichts dessen, dass immer größere Menschengruppen aufeinander angewiesen sind, als notwendiges und deshalb mit gesellschaftlicher Autorität durchzusetzendes ethisches Kriterium. Doch weil nur zu vermeiden nicht ausreicht, sind darüber hinaus in aller Welt die Menschen als Vernunftwesen für Dialoge über ihre Wertsysteme auf der Grundlage ihrer jeweiligen Kultur und Religion zu motivieren" (218). Auf diesem Hintergrund könnte man das vorliegende Werk als eine Darstellung der europäischen Religionsgeschichte mit einem normativen Interesse umschreiben.

Methodisch gründet dieses Kompendium einerseits auf einem geographischen Verständnis von Europa, so dass die Einflüsse aus anderen, nicht europäischen Traditionen nur am Rande erwähnt werden; andererseits lässt sich die verwendete Terminologie in eine phänomenologische Auffassung von Religion einordnen. Kritisch zu vermerken ist der komplizierte Aufbau des Werkes, der bereits graphisch auffällt: Auf eine Kapitelnummerierung wurde verzichtet, was die Lektüre eines Werks, das Information von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart auflistet, recht erschwert. Darüber hinaus ist an manchen Stellen die Balance zwischen der Bemühung, den Umfang eines Kompendiums nicht zu überschreiten, und der notwendigen Genauigkeit der religionsgeschichtlichen Daten nicht gewahrt.

Die Religionsgeschichte Europas wird zunehmend als eigenständiges Fach im Rahmen religionswissenschaftlicher Studiengänge angeboten. Dabei fällt auf, dass die nötigen Kompendien und Lehrmittel noch fehlen. Das Verdienst des Buches liegt vor allem darin, einen Vorschlag im Rahmen dieser Lücke gewagt zu haben.