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Ausgabe:

April/2004

Spalte:

454–456

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Steinhäuser, Martin, u. Wolfgang Ratzmann [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Didaktische Modelle Praktischer Theologie.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2002. 560 S. m. Abb. 8. Kart. Euro 24,00. ISBN 3-374-02003-8.

Rezensent:

Gottfried Adam

Im einleitenden Teil skizzieren die Herausgeber einerseits das Gesamtfeld der Praktischen Theologie hinsichtlich ihrer divergierenden Ansätze und gehen andererseits auf das didaktische Gefüge praktisch-theologischer Bildungsprozesse ein. Im Hauptteil werden neun didaktische Modelle vorgestellt, in denen es um die gemeindlichen Handlungsfelder geht.

Für die Bearbeitung der einzelnen Themen haben die Herausgeber je einen Vertreter bzw. eine Vertreterin der Hochschulbildung und eine Vertreterin bzw. Vertreter der berufsbezogenen Aus- und Fortbildung eingeladen, wobei die Maßgabe darin bestand, dass die didaktischen Perspektiven gemeinsam zu erarbeiten seien. Auf diese Weise war es möglich, sowohl fachwissenschaftliche als auch didaktische Überlegungen in das Gespräch über die unterschiedlichen Phasen der theologischen und religionspädagogischen Aus- und Fortbildung einzubeziehen.

Jedes Kapitel beginnt damit, dass die Verfasser und Verfasserinnen über die Geschichte ihrer Zusammenarbeit berichten. Die Rede von "didaktischen Modellen" wollen die Herausgeber nicht im Sinne von Vorbildlichkeit des Dargelegten, sondern im Sinne von "anregungshaltigen Beispielen" verstanden wissen.

"Für das Pfarramt lernen" ist das erste Modell überschrieben. S. Klemm und D. Stollberg entwickeln eine Didaktik der Pastoraltheologie. Verfasst ist der Beitrag in Form eines Briefwechsels. Dabei geht es um Motivationsförderung in Vikariat und Pfarrdienst, um individuelles und selbstbestimmtes Lernen, um die Genderproblematik, pastorale Identität und Leiten in der Kirche. - Der Frage "Gemeinde lernen" gehen H. Steinkamp und J. Halbe nach. Ausgehend von Berichten über einführende Lehrveranstaltungen zum Gemeindethema führen die Überlegungen zu verschiedenen Gestalten von Gemeinde, wie sie sich real als ein Ensemble aus Hospiz, Seniorenresidenz, Krankenhaus und Ortsgemeinde zeigt. Auf Aspekte der Inhaltsanalyse folgen Überlegungen zur ökumenischen Bildung von Gemeinden und zu den Aufgaben des Pastoralkollegs. - H.-W. Pitz und M. Schibilsky gehen auf "Die Lebensgeschichte in den Kasualien" ein und entwerfen eine biographisch orientierte Amtshandlungspraxis. Besonders interessant sind die Ausführungen zu den Stufen der Biographiearbeit.

Der Bereich "Seelsorge lernen" wird von C. Burbach und U. Schweingel auf der Basis einer fast zwanzigjährigen Zusammenarbeit in der Fort- und Weiterbildung bearbeitet. Im Einzelnen geht es dabei um die Entdeckung der seelsorglichen Gemeinde und Poimenik als Lernprozess. Dabei werden u. a. Fragen der Inhalte, Haltungen, Wahrnehmungen, Gender-Gerechtigkeit und Methoden behandelt.

Bernhard und Iris Brusold sowie Friedrich Schweitzer zeigen im Artikel "Religion wahrnehmen - Identität finden - Unterricht gestalten", wie die Religionsdidaktik in Studium und Referendariat in Tübingen bzw. Reutlingen konkret gelehrt wird. Am Ende wird formuliert: "Was zu wünschen bleibt ..." - Im folgenden Beitrag von Th. Klie und M. Meyer-Blanck "Gemeinde als Lernort wahrnehmen" geht es um die Bildung gemeindepädagogischer Kompetenzen. Die Vermittlung analytisch-gemeindepädagogischer Kompetenzen im akademischen Studium wird thematisiert und am Beispiel des Konfirmandenunterrichts konkretisiert. Dabei kommt Gemeindepädagogik in einer sektoralen und perspektivischen Sichtweise in den Blick. Die Überlegungen werden konkretisiert an einer gemeindepädagogischen Woche im Rahmen der Vikariatsausbildung. Sie wird strukturiert in vier große Lerneinheiten: wie z. B. der Kindergarten, die Strukturmomente didaktischen Handelns, der Konfirmandenunterricht und das Methoden-Training. Am Ende wird noch auf Kirchenpädagogik als gemeindepädagogisches Fortbildungsangebot eingegangen.

Den Fragen der liturgischen Bildung und Ausbildung gehen K.-H. Bieritz und M. Wohlgemuth in ihrem Artikel "Spielräume erschließen und gestalten" nach. Unter den Stichworten wahrnehmen, verstehen und gestalten wird über die universitären Ansätze und Erfahrungen berichtet und ein Grundkurs Gottesdienst entwickelt, das Beispiel eines liturgischen Seminars zum Thema Weihnachten geboten und über weitere Projekte berichtet. Ein "Curriculum Gottesdienst" bündelt den Ertrag. Die Ausbildung im Vikariat wird reflektiert hinsichtlich der Gottesdienstgestaltung, Kasualien, der liturgischen Präsenz, des Zusammenhanges von Gottesdienst und Hymnologie sowie der Gestaltung von Gemeindegottesdiensten in anderer Form. - Die homiletische Aus-, Fort- und Weiterbildung wird von R. Zerfaß mit der Darstellung seines Würzburger Curriculums des Predigenlernens eröffnet. M. von Kriegstein und H. E. Thomé zeigen an den Curricula des Studienganges Evangelische Theologie in Frankfurt/Main und der hessen-nassauischen Vikariatsausbildung eine phasenübergreifende Lernlinie mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in der jeweiligen Phase.

Unter "Diakonie wahrnehmen und denken lernen" werden von R. Zitt, H. Pompey und J. Walter hochschuldidaktische Perspektiven der Diakonie- und Caritaswissenschaft entwickelt. Dieser aufschlussreiche Beitrag zeigt, wie in der Frage des Diakonielernens einiges in Bewegung gekommen ist. Es wird über die Zugänge zur Beschäftigung mit Diakonie an Hochschule und Fachhochschule in Deutschland und der Schweiz berichtet. Dabei finden der Heidelberger (Diakoniewissenschaft) und der Freiburger (Caritaswissenschaft) Diplom-Aufbaustudiengang besondere Beachtung.

Die Beiträge dieser Veröffentlichung bewegen sich samt und sonders auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau. Die herangezogene Literatur ist auf dem neuesten Stand. Die Autorinnen und Autoren lassen deutlich erkennen, was die Praktische Theologie als Ganzes gewinnt, wenn sie die didaktische Frage wirklich ernst nimmt. Gegenwärtig wird an den deutlich erkennbaren Fortschritten in Sachen Liturgiedidaktik und Diakoniedidaktik ersichtlich, in welchem Maße die didaktische Fragestellung eine Bereicherung darstellen kann.

Es ist zu hoffen, dass diese Veröffentlichung das Interesse der Fachvertreter der Praktischen Theologie finden wird. Darüber hinaus ist zu wünschen, dass auch die Vertreter anderer theologischer Disziplinen den Band zur Kenntnis nehmen, denn die didaktische Frage ist eine solche, die sich nun einmal für alle Disziplinen stellt. Angesichts der im gegenwärtigen Reformprozess der Universitäten wachsenden Gewichtung der Lehre ist dies sogar dringlich.

Das Buch ist dem Leipziger Praktischen Theologen Jürgen Ziemer zum 65. Geburtstag gewidmet - fürwahr ein gelungenes Geburtstagsgeschenk.