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Ausgabe:

Juni/1998

Spalte:

561–653

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Ganzer, Klaus

Titel/Untertitel:

Kirche auf dem Weg durch die Zeit. Institutionelles Werden und theologisches Ringen. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge. Festschrift, hrsg. von H. Smolinsky u. J. Meier.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1997. VIII, 740 S. gr.8 = Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, Suppl. 4. Geb. DM 150,-. ISBN 3-402-03800-5.

Rezensent:

Hubert Wolf

Zwei Monographien - die Dissertation über "Die Entwicklung des auswärtigen Kardinalats im hohen Mittelalter" (1963) und die Habilitationsschrift über "Papsttum und Bistumsbesetzung in der Zeit von Gregor IX. bis Bonifaz VIII." (1968) -, ca. 40 wissenschaftliche Aufsätze und gut drei Dutzend Lexikonartikel- vorwiegend für die im Erscheinen begriffene 3. Aufl. des "Lexikon für Theologie und Kirche" - diese Bestandsaufnahme ist im Falle des Werkes von Klaus Ganzer, seit 1972 Ordinarius für mittlere und neuere Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Würzburg und während langer Jahre Sprecher der "Arbeitsgemeinschaft katholischer Kirchenhistoriker Deutschlands", nur die halbe Wahrheit. Denn das Herzstück seines uvres, die große Edition der Konzils-Traktate im Rahmen des "Concilium Tridentinum" der Görres-Gesellschaft, fehlt noch in der Bibliographie seiner "Festschrift" zum 65. Geburtstag (717-721), die mit 22 hier erneut abgedruckten Beiträgen aus seiner Feder über die Hälfte seines nichtmonographischen Werkes präsentiert und für G.s kirchenhistorisches Forschen so wirklich repräsentativ ist.

Trotz seines offenen Blicks "für die Felder der mittleren und neueren Kirchengeschichte", von dem die Herausgeber im Vorwort (VII) sprechen, verwundert es angesichts der editorischen Konzentration auf das Tridentinum nicht, daß dieses Konzil einen Großteil seines darstellenden Werkes wie auch des vorliegenden Bandes einnimmt. Mustergültige Untersuchungen über Aspekte der katholischen Reformbewegungen im 16. Jh., über das Tridentinum als Angelpunkt einer Kirchenreform, seine Ekklesiologie und die Frage seiner Ökumenizität, über die Diskussionen um Annaten und Priesterseminare oder den päpstlichen Primat (zwischen "Gallikanern" und "Römern") auf dieser Synode, über die Rolle der Prokuratoren und die Teilnahme von Benediktineräbten in Trient sowie die Bedeutung des Tridentinums für die Volksfrömmigkeit und die katholische Konfessionalisierung weisen G. als einen der besten Kenner dieses für die Kirchengeschichte äußerst wichtigen Konzils aus. Beiträge über wichtige Persönlichkeiten im Umkreis des Tridentinums, etwa Franziskus von Córdoba OFM als Berater Kaiser Ferdinands I. oder Bernhard Clesius und die protestantische Reformation, sowie zur Umsetzung der Konzilsdekrete im Pontifikat Clemens VIII. (1592-1605) oder ein scharfsinniger Vergleich der Geschäftsordnungen von Tridentinum, Vatikanum I und II runden G.s eindeutigen Forschungsschwerpunkt ab (15 der 22 hier abgedruckten Aufsätze).

Von den sieben übrigen Beiträgen beschäftigen sich drei mit der Geschichte der Würzburger Katholisch-Theologischen Fakultät im 19. und 20. Jh. - G.s Hommage an den Ort seines akademischen Wirkens. Neben Albert Ehrhard und Herman Schell in ihrer durchaus kontroversen, wenn auch freundschaftlichen Diskussion um Schells "Katholizismus als Prinzip des Fortschritts" kommt vor allem Sebastian Merkles Beitrag für ein neues katholisches Lutherbild in den Blick. Der ökumenische Durchbruch ist vor allem sein Verdienst, nicht so sehr das seines Schülers Lortz. Zwei der restlichen Aufsätze nehmen die großen Themen von Dissertation (Kardinalskollegium) und Habilitations-Schrift (Bischofswahlen durch die Domkapitel im 12./13. Jh.) wieder auf. Die anderen beiden beschäftigen sich mit dem Kirchenverständnis Gregors VII. (Antrittsvorlesung Trier 1968) und der monastischen Theologie des Johannes Trithemius.

Mit der vorliegenden Aufsatzsammlung hat man - freilich mit der eingangs gemachten wichtigen Einschränkung - fast den ganzen G. in der Hand, was die Rezeption seiner wichtigen Aufsätze vor allem zum Tridentinum sicher erleichtert. Vielleicht sind solche Festschriften sinnvoller als Sammelsurien ohne roten Faden und Bezug zum zu Ehrenden, die teilweise unter diesem Titel erscheinen. Angesichts der fortschreitenden innertheologischen Marginalisierung der Kirchengeschichte, die sich nicht zuletzt an der Tatsache festmachen läßt, daß immer dann, wenn es um Streichung theologischer Lehrstühle geht, der Kirchenhistoriker als einer der ersten Verzichtbaren genannt wird, gewinnt diese Summe von G.s Schaffen an Bedeutung. Denn wer seine hier gesammelten Aufsätze liest, spürt Seite um Seite die theologische Brisanz des Faches und seinen Nutzen für das Leben.