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Ausgabe:

April/2004

Spalte:

438 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Knippenberg, Tjeu van

Titel/Untertitel:

Towards Religious Identity. An Exercise in Spiritual Guidance.

Verlag:

Assen: Royal Van Gorcum 2002. VIII, 201 S. m. Abb. gr.8 = Studies in Theology and Religion, 4. Geb. Euro 48,50. ISBN 90-232-3815-X.

Rezensent:

Horst Georg Pöhlmann

Der niederländische Theologe bringt einen bemerkenswerten Beitrag zur Spiritualität. Er meint: Die "spirituelle Dimension der Existenz" war schon immer Bestandteil des Lebens der Menschen, wie die Religionen zeigen, in denen sie geweckt und bewusst gemacht wird. "Religion" will ja nichts anderes als Spiritualität vermitteln, indem sie die Menschen konfrontiert mit der "Frage, was heilig (holy) ist und was letzten Endes von Bedeutung (ultimately important) ist". Die Kirche ist nicht "der einzige Kanal der Vermittlung einer Transzendenzbeziehung", auch andere Religionen vermitteln sie, wie u. a. die fernöstliche Spiritualität zeigt. Der Vf. beschränkt sich aber in diesem Buch auf die christliche Spiritualität, deren Sinn, Wesen und Praxis er untersucht (1).

Ziel der "spirituellen Führung" ist nach dem Vf. die "religiöse Identität" (3), die "Quellen", um dieses Ziel zu erreichen, sind neben der "spirituellen Anleitung" die "Sakramente". Die Sakramente werden vor allem als "Heilmittel" verstanden. Sie haben, was wir oft vergessen haben, eine heilende Funktion (7), wie die "Beichte" und die "Krankensalbung", aber auch andere Sakramente wie "Taufe", "Firmung" und "Eucharistie" (8). Der Vf. richtet sein Hauptaugenmerk auf das Sakrament der Beichte, von dem, gerade auch in seiner psychotherapeutischen Funktion, eine reinigende und heilende Wirkung ausgeht (10 ff.).

Grund und Ursache der christlichen spirituellen Führung ist nach Meinung des Vf.s die in Jesus Christus erschlossene "Gottesbeziehung", was immer sie bewirken mag von der "Heilung" bis zur "Selbstreifung", "kosmischen Einheit", "Nächstenliebe" und dem "richtigen Management der Welt". Es geht immer um die Frage "Wie gehe ich um mit meinem eigenen Fragment, das mein Leben ist, und mit seinen Grenzen?" (23) "Zwei Systeme" spielen auf jeden Fall eine Rolle in jeder spirituellen Führung, "eine Philosophie oder Theologie", die Antwort gibt auf die Frage "Wo gehöre ich hin und was ist meine Bestimmung ... ?", und "ein System von Werten", das die Frage beantwortet: "Was soll ich tun und was will ich tun?" (117) Der Vf. weist hier auf den Dekalog hin, den er sehr originell auslegt (127 ff.). Die Zehn Gebote sind für ihn die bleibenden Grundwerte unserer Gesellschaft, ohne die sie sich selbst zerstört. Durch sie erneuert Gott seinen "Urbund" (original covenant), durch den er eine Beziehung herstellte zwischen Gott und der Schöpfung, zwischen Gott und dem Menschen und zwischen dem Menschen und der Schöpfung (127).

Verdienstvoll an dem Buch ist m. E. vor allem zweierlei: Der Vf. erinnert daran, dass es auch außerhalb der Kirche Spiritualität gibt und die Kirche keinen Monopolanspruch auf den Heiligen Geist hat. Es gehört zu den vergessenen Wahrheiten der Theologie, dass der Geist Gottes nach der Bibel nicht nur die Kirche, sondern die ganze Schöpfung erfüllt (1Mose 1,2; 2,7; Psalm 104,25-30; Weisheit 1,7).

Der Vf. reklamiert wie kaum ein Autor der Gegenwart das Heilsmedium der Beichte, das im Katholizismus einen Bedeutungsverlust ohnegleichen erlitten hat und das aus dem Protestantismus fast vollkommen verschwunden ist. Nach Luther und den lutherischen Bekenntnisschriften ist die Buße und Beichte ein Sakrament (Ap XIII 4) und der Ort, wo sich die Rechtfertigung des Sünders realisiert.