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Ausgabe:

Juni/1998

Spalte:

547–562

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Streiff

Titel/Untertitel:

Der Markt und die anderen Werte
Theologisches Denken im wirtschaftsethischen Diskurs

I.

Unter Wirtschaftsethik versteht man den Versuch, eine Brücke zu schlagen zwischen den in einer Gesellschaft wirksamen moralischen Wertungen und den sich in ihr vollziehenden wirtschaftlichen Abläufen. Für Bauart und Erscheinungsbild dieser Brücke ist entscheidend, wie das Verhältnis von Ethik und Ökonomie vorgestellt wird. In der gegenwärtigen wirtschaftsethischen Debatte sind drei verschiedene, miteinander konkurrierende Vorstellungen dieses Verhältnisses wirksam: Grundlegend ist ein "ökonomik-inhärenter" von einem "integrativen" Ansatz zu unterscheiden. Zu einem dritten Ansatz gehören unter anderen die meisten wirtschaftsethischen Beiträge von theologischer resp. kirchlicher Seite; dieser kann als "Ansatz gegenseitiger Angewiesenheit" von Ethik und Ökonomie bezeichnet werden.

Aufkommen und Intensität der wirtschaftsethischen Debatte sind darin begründet, daß immer breitere Bevölkerungskreise in den USA und in Europa - vor allem in Deutschland - auf die sozialen und ökologischen Folgekosten des modernen Wirtschaftens aufmerksam geworden sind. "Die lebenspraktische Vernünftigkeit dessen, was als ökonomisch rational ausgewiesen ist und handlungswirksam wird, wird von immer mehr Bürgern als fragwürdig betrachtet, da sie die buchstäblich in Kauf zu nehmende Zerstörung lebenspraktischer Werte durch den Prozeß der ökonomischen Wertschöpfung für nicht mehr ohne weiteres vertretbar halten".1 Es besteht heute ein gesellschaftlicher Druck, Wege nachhaltiger Produktion und moralisch, insbesondere ökologisch und sozial, verträglicher Wirtschaft zu finden ("Wirtschaftsethik") und zu beschreiten ("Unternehmensethik").

Wirtschaftsethische Fragestellungen sind bis in die 80er Jahre vor allem von theologischer Seite bearbeitet worden. Das hat sich geändert. Im deutschsprachigen Raum - im angelsächsischen um einiges früher - ist die Anzahl von Publikationen wirtschaftsethischen Inhalts nach 1985 explosionsartig gestiegen. Vertreterinnen und Vertreter aus Philosophie, Ökonomie und Sozialwissenschaften sind an dieser Debatte beteiligt. Theologische oder christliche Ethik hat sich in den letzten Jahren nicht auf ihre traditionellen wirtschaftsethischen Themen beschränkt, sondern hat die modernen, von andern Wissenschaften vorgegebenen Themen aufgegriffen und ihre spezifische Fragestellung eingebracht.

Ob der Boom der Wirtschaftsethik seinen Gipfel schon erreicht hat, sich noch in der Wachstumsphase oder bereits in der Phase der Stagnation oder gar der Rückbildung befindet, ist zur Zeit nicht absehbar. Fest steht, daß ein Ertrag des wirtschafts-ethischen Diskurses auszumachen ist (II). Wir fragen im folgenden insbesondere danach, wie der ethische Anspruch in den drei Hauptströmungen wirtschaftsethischer Theorie ökonomisch relevant wird (III). Einige Bemerkungen zur wirtschafts-ethischen Debatte aus theologischer Sicht sollen diesen Überblick beschließen (IV).



II.

Wirtschaftsethik ist ein ebenso spannendes wie schwieriges Unterfangen. Widerstand gegen wirtschaftsethische Bemühungen kommt sowohl von lebensweltlicher als auch von wissenschaftlicher Seite. Akteure im Wirtschaftsgeschehen, die auf dem Markt bestehen müssen, mit Krisensymptomen zu kämpfen und sich im Wettbewerb zu bewähren haben, bemerken nicht selten: "Wir haben wahrlich andere Sorgen" (J. Meran: Markt und Moral, 269). Menschen, die mit der Prosa einer ökonomisch geprägten Lebenswelt existieren, können mit der angeblichen Poesie von Wirtschaftsethik wenig anfangen: "ethisches Gesäusel", "Handlungsanleitung für Deppen", "Sozialgeschwätz" sind beredte Stichworte von skeptischer Warte.

Auf wissenschaftlicher Seite ist es das Denken der Systemtheorie, das den Brückenschlag zwischen Wirtschaft und Ethik nicht bloß für ein schwieriges, sondern bisweilen für ein unmögliches und von vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen hält. Denn die Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft in autonome Teilsysteme verhindert eine gegenseitige Beeinflussung der in den Systemen geltenden "Codes". - Seien es Anfragen von lebensweltlicher oder theoretischer Seite, die Wirtschaftsethik hat sie wohl zu bedenken, will sie nicht die Komplexität der modernen Gesellschaft unterlaufen und sich damit selbst ins Abseits manövrieren.

Der wirtschaftsethische Diskurs hat in den letzten Jahren eben diese Anfragen zu verarbeiten gesucht und hat daraus zwei hauptsächliche Errungenschaften zu verzeichnen. Wirtschaftsethische Probleme können nur dann einer Lösung näher gebracht werden, wenn sie genau genug beschrieben werden. Eine genaue Beschreibung kommt nicht aus ohne möglichst universelle Theorie von gesellschaftlicher Öffentlichkeit. Unabdingbar für die Verortung wirtschaftsethischer Probleme ist außerdem die klare Erfassung des real existierenden Zusammenspiels der gesellschaftlichen Institutionen. Die Wirtschaftsethik kann "nur unter Rückgriff auf diesen doppelten Referenzrahmen ... den Ort, an dem die problematische Entscheidung (Wahl) zu treffen ist, innerhalb eines bestimmten, ausdifferenzierten Systems in der Wirtschaft ... bestimmen und wiederum den Ort dieses Systems im übergreifenden Zusammenhang des gesamten einschlägigen gesellschaftlichen Subsystems und dadurch vermittelt wiederum im systematischen Wirkungszusammenhang aller funktionsspezifischen Subsysteme der gesamtgesellschaftlichen Öffentlichkeit".2

Zum methodologischen Ertrag der wirtschaftsethischen Debatte der letzten Jahre gehört die Einbettung des Diskurses in moderne gesellschaftstheoretische Konzepte. Die im folgenden skizzierten Ansätze sind aus einer wissenschaftstheoretischen Grundlagenarbeit hervorgegangen. Unverkennbar ist etwa die Bezugnahme des ökonomik-inhärenten Ansatzes auf die Systemtheorie, die Verankerung von Ausprägungen des integrativen Ansatzes in der Diskursethik oder der Zusammenhang des Ansatzes gegenseitiger Angewiesenheit mit Theorien lebenspraktischer Fundierung.

In engem Zusammenhang mit dieser theoretischen Einbettung steht die zweite Errungenschaft, die fortschreitende Institutionalisierung von Wirtschaftsethik. Es sind auch in Europa während der letzten Jahre Lehrstühle an Hochschulen und Universitäten geschaffen worden, Netzwerke und Tagungsreihen haben sich gebildet. Wirtschaftsethik hat sich als wissenschaftliche Teildisziplin etablieren können. Angesichts dieser Errungenschaften und in Kenntnis des erreichten wirtschaftsethischen Argumentationsniveaus stellt sich der Eindruck ein, daß sich Urteile wie "Sozialgeschwätz" oder "ethisches Gesäusel" die Sache entschieden zu einfach machen.

Zum Ertrag des wirtschaftsethischen Diskurses darf neben methodologischer Klärung und der Institutionalisierung gewiß noch anderes gezählt werden. Erwähnenswert scheint an dieser Stelle etwa der Austausch zwischen Europa und USA in wirtschaftsethischen Fragen (wünschenswert wäre eine intensivere Rezeption europäischer Konzepte in den USA), der Beitrag des Diskurses zu Fragen der angewandten Ethik3 oder die vorläufige Dokumentation von Institutionen und Publikationen (Bibliographie).4



III.

1. Im Gebäude der Wissenschaften sind Ethik und Ökonomie seit alters nahe verwandte Disziplinen der praktischen Philosophie. Diese Nähe zu bewahren und zwischen Ethik und Ökonomik keinen Gegensatz zu konstruieren, ist leitendes Interesse von Karl Homann für das "Design" seiner wirtschaftsethischen Theoriebildung. H. versteht Ethik und Ökonomik als zwei Diskurse ein und derselben Problematik menschlicher Interaktionen, "als zwei Diskurse also, die jeweils verschieden ansetzen, die jedoch im Prinzip, d. h. vom Gegenstandsbereich her, als deckungsgleich angenommen werden müssen".5

Das Forschungsprogramm H.s, umfaßt weit mehr als den klassischen Gegenstandsbereich der Ökonomie resp. der Wirtschaftswissenschaft,mehr als Produktion und Tausch im Marktgeschehen. Ökonomik betrachtet mit der ihr eigenen Methode - insbesondere mit dem Modell des "homo oeconomicus", des nutzenmaximierenden, ausschließlich am Eigeninteresse orientierten Menschen als einem universalen Erklärungsmodell -, zahlreiche andere Gegenstandsbereiche. Ergebnis des Programms ist daher eine Ökonomik der Verfassung, des Rechts, der Institutionen (z. B. auch der Familie und der Ehe) bis hin zu einer Ökonomik der Moral. Ökonomik als universale Methode der Erschließung sämtlicher Lebensbereiche ist im Zusammenhang der Wirtschaftsethik zu begreifen als Fortsetzung der Ethik mit andern Mitteln. Ethik wird hier ökonomik-inhärent wirksam, sie wird in die ökonomische Sprache übersetzt.

Der Gewinn dieses Programms, so H., ist u. a. darin zu finden, daß die Ökonomik der Ethik hilft, "die normativen Intentionen weit über die Reichweite solidarischer Gefühle und weit über die unmittelbaren Kontrollmöglichkeiten des einzelnen hinaus auf anonyme Großgesellschaften, tendenziell auf die Weltgesellschaft, auszudehnen ..." (a. a. O., 18). Die Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft, insbesondere der Wirtschaft, in autonome Systeme und Subsysteme hat dazu geführt, daß der Ordnungs- und Institutionenethik vermehrt größere Bedeutung zugemessen werden muß als der Individual- oder Tugendethik. Denn die Moral des Individuums oder der Gruppe kann auf der Systemebene resp. in den Großgesellschaften nicht mehr wirksam werden. Deshalb gilt: "Der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung".6

Wirtschaftsethik befaßt sich nach H. primär mit den Spielregeln des Marktgeschehens, mit der Rahmenordnung. Sie analysiert diese Regeln, deckt Lücken im Regelwerk auf und erarbeitet Vorschläge zur Erweiterung und Änderung des Regelwerks. Darüber, wie diese Spielregeln gestaltet werden, entscheidet nicht eine Deduktion aus Prinzipien oder eine bestimmte Weltsicht; die Spielregeln entsprechen vielmehr einem (ethischen) Minimalkonsens, der sich als gesellschaftlich durchsetzbar erweist. Die Spielzüge der einzelnen Unternehmer am Markt folgen dann in erster Linie diesen Spielregeln und nicht mehr dem moralischen Sollen, der Gesinnung des Einzelnen.

Eine Unternehmensethik ist nicht der Punkt, auf den bei H. alles hintendiert; Zielpunkt ist vielmehr eine wirtschaftsethische Theorie, die der Struktur der modernen Gesellschaft entspricht. Die Motivation des Einzelnen, seine Werte und Präferenzen findet man in der Analyse der Ökonomik kaum mehr. Alle Aufmerksamkeit richtet sich vielmehr auf die Restriktionen. "Wenn man Verhalten geändert sehen möchte, muß man ... die Restriktionen ändern. Sollen muß in eine Heuristik für ein positives Forschungsprogramm transformiert werden, sonst bleibt es ,abstrakt’, sonst hat Normativität keine Chance auf Realisierung" (a. a. O, 25).

In seiner Wirtschaftsethik, die im wesentlichen eine Transformation ethischer Überlegungen in die Ökonomik ist, nimmt H. Anregungen der amerikanischen constitutional economics (Ökonomik als Forschungsprogramm, Unterscheidung von Spielregeln und Spielzügen) auf und verbindet sie einerseits mit dem systemtheoretischen Ansatz und andererseits mit der Geschichte deutscher Ordnungspolitik. Die ethische Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft zu rechtfertigen und ihre Rahmenordnung dort zu verbessern, wo sie lückenhaft ist, gehört mit zum Programm.

Ausdrücklich grenzt sich H. philosophiehistorisch von einer Kant’schen Ethik des Imperativs ab und schließt sich identitätsphilosophischen Voraussetzungen Hegels an, die sich bei H. gerade darin wirksam zeigen, daß moralisches und der Effizienz verpflichtetes Denken nicht als Gegensatz begriffen, sondern aus ihrer ursprünglichen Einheit verstanden werden. Ergebnis - wie weit dieses noch hegelianischem Denken entspricht, bleibt eine offene Frage - ist eine "schlanke" Theorie, die insbesondere dadurch viele zu überzeugen vermag, daß sie auf das Herantragen ethischer Ansprüche an die Wirtschaft von außen, auf jeden Appell und alles Moralisieren verzichtet.

Die Kritik an H. und seinen Mitarbeitern sowie an ähnlichen Konzepten wirtschaftsethischer Theorie kommt keineswegs nur von seiten der durch Kant geprägten Ethik, sondern auch von wirtschafts-, von sozialwissenschaftlicher und theologischer Seite. Die Vielzahl von Ansatzpunkten konzentriert sich im Vorwurf des "ökonomischen Reduktionismus", in der Kritik, die Ethik werde hier von der Ökonomik dominiert, resp. von ihr
aufgesogen oder instrumentalisiert (dieser Einwand wird auch gegen die amerikanischen business ethics und constitutional economics erhoben). Von den vielen Kritikpunkten sollen hier zwei erwähnt werden, die für unsere Leitfrage relevant sind.

Angesichts der Komplexität der sich heute zunehmend globalisierenden Wirtschaft wird kaum jemand die große Bedeutung, die H. der Institutionenethik resp. der Rahmenordnung zumißt, bestreiten wollen. Jedoch wird die systematische Verabschiedung der Individual- oder Tugendethik problematisiert. Verhalten des Menschen, so H., kann nur über eine Änderung der Restriktionen bewirkt und gesteuert werden. "Aber wer steuert diese Restriktionsänderungen, wenn nicht einzelne mit Bewußtsein ihrer moralischen Verantwortung und entsprechenden Präferenzen für die betreffenden Änderungen?" (M. Kettner, Markt und Moral, 249). Jedes System, das Moralität und Normativität berücksichtigt, muß "geeicht" sein, verwurzelt sein und getragen werden von den Individuen, die im System agieren. Ohne Zusammenhang von gelebter und systematisierter Moralität droht dem System der Untergang durch Verselbständigung. Eine Vermittlung von Institutionen- und Individualethik scheint von daher unabdingbar, und die Frage drängt sich auf, ob der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft wirklich nur die Rahmenordnung ist.

Eine zweite Anfrage an die ökonomik-inhärente Begründung von Wirtschaftsethik steht im Zusammenhang mit dem stark theoretisch-methodologischen Vorgehen dieses Ansatzes. Das grundsätzliche Festhalten an der ursprünglichen Einheit von Ethik und Ökonomik scheint zwar auf den ersten Blick methodisch bestechend, wird jedoch von der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht gedeckt.

"In Anbetracht ungelöster sozialer Konflikte wie der zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte bleiben ... Zweifel an der inneren Konsistenz dieses Ansatzes wie an seiner ethischen Gültigkeit. Denn sowenig die spontane Intuition des Wertgefühls (wie etwa des Mitleids mit den Armen) als Kriterium für die soziale Verträglichkeit von Institutionen zu genügen vermag, sosehr ist dieses doch ein Indiz für Unstimmigkeiten, die mit dem Hinweis auf den ,kontra-intuitiven Charakter’ wirtschaftlicher Institutionen nicht einfach zu beheben sind. Daß "Wettbewerb solidarischer als Teilen" oder "statt Gefühl Fachkompetenz gefordert" sei, mag zwar für die Theoriebildung als solche zutreffen. Eine Grundlage für die Menschenwürdigkeit der Theorie selber ist damit aber noch nicht gewährleistet. Besonders danach- und nicht bloß nach der Methode der Theoriebildung - hat Ethik gerade auch als Wirtschaftsethik zu fragen".7

Was Ethik selber sei, steht mit dieser Anfrage zur Debatte. Ethik wird in der Ökonomik verstanden als Regel-Funktionalität, als ein System von formalen Regeln, in dem erst in der gesellschaftlichen Diskussion konkrete Inhalte festgestellt werden, die zudem ständig zu überprüfen und allenfalls zu ändern sind. Für ein nicht nur formales, sondern auch inhaltliches Verständnis von Ethik ist eine Vorgabe des Unbedingten, ein "ethisches Residuum" (H. G. Nutzinger, Markt und Moral, 210), im Bereich christlicher Sozialethik insbesondere ein personales Element, die Würde des Menschen, für die Argumentation unverzichtbar. Die Auseinandersetzungen in der wirtschaftsethischen Debatte sind weitgehend dadurch bestimmt, wie Ethik selber verstanden wird.

2. Eine Integration von Ethik und Ökonomie versuchen, von ganz anderen Voraussetzungen ausgehend und mit verschiedenen Ergebnissen, sowohl Peter Ulrich als auch Peter Koslowski theoretisch zu begründen. Bei U. ist der Rationalitätsbegriff in
sofern der Kristallisationspunkt der Integration, als die Frage, wie wir vernünftig handeln sollen, die gemeinsame Grundfrage aller praktischen Philosophie, also auch der Ethik und der Ökonomie ist. Zu vermitteln sind nach U. einerseits die wirtschaftstechnische Rationalität der reinen Ökonomik bzw. neoklassischer Provenienz mit der Rationalität der ethisch-praktischen Vernunft andererseits. Ein umfassender Begriff ökonomischer Vernunft entsteht erst aus dieser Vermittlung bzw. Integration.

In der wirtschaftstechnischen Rationalität liegt insofern eine verkürzte ökonomische Vernunft vor, als diese Rationalität sich auf die strategischen Aspekte der effizienten Allokation knapper Ressourcen beschränkt, ohne auf ihre metaphysischen und ethischen Voraussetzungen (Wertfreiheit) zu reflektieren, und ohne nach dem Zweck des Wirtschaftens zu fragen. "Der methodische Trick, mit dem sich die reine Ökonomik des Problems der Bestimmung vernünftiger Zwecke des Wirtschaftens entledigt zu haben glaubt, ist der sogenannte methodische Individualismus, demgemäß die faktisch gegebenen Bedürfnisse und Präferenzordnungen der Wirtschaftssubjekte als wissenschaftlich nicht hinterfragbare letzte Instanz betrachtet werden. Man sieht hier sogleich, daß es dem Homo oeconomicus, diesem auffallend klugen, aber etwas einseitig begabten Burschen, an jeglicher Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion mangelt" (P. Ulrich, Markt und Moral, 76).

In seinem auf die Grundlagen ökonomischer Rationalität reflektierenden Ansatz geht es U. zentral darum, einen Begriff ökonomischer Vernunft zu gewinnen, der in sich selber ethischen Ansprüchen genügt. Das Herantragen dieser Ansprüche an die ökonomische Rationalität von außen wäre eine bloß "korrektive" Vermittlung. Eine solche korrektive Vermittlung will U. ebenso vermeiden wie eine "reduktive" Vermittlung, die er im wirtschaftsethischen Konzept Homanns vorliegen sieht. Demgegenüber sucht U. einen dritten Weg der Vermittlung von Ethik und Ökonomie zur systematischen Begründung seiner wirtschaftsethischen Theorie: Diese Vermittlung ist insofern integrativ zu nennen, als die Voraussetzungen ethisch vernünftigen Wirtschaftens "konstitutiv" sind für den Begriff ökonomischer Vernunft. Das Ergebnis der Suche nach einem umfassenden Begriff ökonomischer Vernunft ist die regulative Idee sozialökonomischer Rationalität:

"Als sozialökonomisch rational kann jede Handlung oder jede Institution gelten, die freie und mündige Bürger in der vernunftgeleiteten politisch-ökonomischen Verständigung unter allen Betroffenen als wertschaffend [Wertschöpfung] bestimmt haben (könnten)" (P. Ulrich, Markt und Moral, 84).

Auf knappstem Raum enthält diese Definition vier Hinweise auf Punkte, die die wirtschaftsethische Theorie U.s weiter charakterisieren. Erstens weist das Wort "Verständigung" insofern auf die - auf die Grundentscheidungen Kants bezogene - Diskursethik hin, als es der herrschaftsfreie Diskurs in der offenen Gesellschaft ist, der über die Rationalität ökonomischen Handelns befindet. Das in Klammern gesetzte "könnten" deutet zweitens den regulativen Charakter an, der der Idee sozialökonomischer Rationalität eigen ist. Die Spannung zwischen dem idealen Horizont und den realen Handlungsbedingungen soll nicht unter den Tisch gewischt werden. Jedoch will die Idee sozialökonomischer Rationalität als Regulativ in die Richtung eines vernünftigen und zweckmäßigen Wirtschaftens lenken.

Der Definition sozialökonomischer Rationalität gemäß ist vernünftiges Wirtschaften sowohl auf Institutionen als auch auf freie Individuen angewiesen. Dies muß drittens so verstanden werden, daß im wirtschaftsethischen Konzept U.s eine Vermittlung von Institutionen- und Individualethik vorausgesetzt ist. Neben systematisierter Moral, Institution resp. Rahmenordnung behält die Tugendethik der freien und mündigen Bürger ihre unabdingbare Bedeutung sowohl in der wirtschaftsethischen Entscheidungsfindung als auch für die Gestaltung der Institutionen. U. zeigt hierin eine große Nähe zum republikanischen Ethos (der der res publica zugewandte Staatsbürger). Der systematische Ort der Moral kann demnach nicht nur in der Rahmenordnung, sondern muß "letztlich in der unbegrenzten Öffentlichkeit aller Wirtschaftsbürger" (P. Ulrich, Markt und Moral, 104) angesiedelt werden. Von hier aus wird einsichtig, daß U. sich nicht nur um wirtschaftsethische Theoriebildung bemüht, sondern auch unternehmensethische Probleme in den Blick nimmt.

Es ist unter anderem die scharfe - und von der Ökonomie große Bereitschaft zu Selbstreflexion fordernde - Ökonomismuskritik, die U. die Vorwürfe starker Idealisierung und der Weltfremdheit einträgt. Scheinbar verhält es sich so, daß das wirtschaftsethische Konzept U.s für den Praktiker oder für die unmittelbare Anwendbarkeit zunächst nicht viel austrägt. Die Grundlagenkritik U.s wird aber in theoretischer Hinsicht und im Blick auf die ökonomische Ideengeschichte zur Kenntnis genommen werden müssen. Außerdem enthalten die Ergebnisse seiner empirisch-unternehmensethischen Untersuchungen Hinweise darauf, daß die Idee sozialökonomischer Rationalität im Denken und Handeln von Unternehmern und Managern durchaus präsent ist.

Weder in der Idealisierung, noch in Weltfremdheit oder in einer unstatthaften Vorordnung der Ethik vor der Ökonomie (so Homanns Kritik an U.) sehen wir die zentrale Schwierigkeit. Vielmehr scheint diese in den Begriffen "Transformation" oder "Integration"8 zu liegen. Läßt sich die ökonomische Rationalität tatsächlich transformieren? Oder verhält es sich vielleicht zwischen Ethik und Ökonomie ähnlich wie zwischen dem neuen Wein und den alten Schläuchen: es droht beides verloren zu gehen, wenn das eine im andern Platz finden soll?

Nicht zuletzt aus der Sicht christlicher Sozialethik ist es als Verdienst von U. einzustufen, den moral point of view als "unbedingten ... Anspruch aller Menschen auf die Wahrung ihrer humanen Subjektqualität und ihrer personalen Grundrechte" (P. Ulrich, Markt und Moral, 85) in die wirtschaftsethische Debatte eingebracht zu haben. Der massive Widerstand von wirtschaftlicher Seite gegen die wirtschaftsethische Theorie von U. gründet möglicherweise nicht nur in der unwillkommenen Ökonomismuskritik, sondern v. a. in der Befürchtung, ökonomische Rationalität sei in diesem Konzept als Systemrationalität nicht mehr durchführbar und werde verwässert.

Der Widerstreit von Ethik und Ökonomik kann wohl nur in einem theoretischen Ideal durch einen einzigen Rationalitätsbegriff aufgehoben werden. Die Intentionen sozialökonomischer Rationalität können in ökonomischer Theoriebildung kaum operationalisiert werden, in der politischen Vereinbarung über den gesellschaftlichen Fortschritt jedoch sehr wohl. Nur fragt sich gerade hier, ob es sich dabei noch um einen spezifischen Rationalitätsbegriff handelt oder nicht vielmehr um zwei oder mehrere sich widerstreitende und den Ausgleich suchende Rationalitätsformen.

Der Ort der Integration scheint demnach nicht so sehr die Rationalität zu sein, als vielmehr die politische Öffentlichkeit. In Realität wird der Widerstreit von ethischen und ökonomischen Intentionen im einzelnen Wirtschaftsakteur oder in den politischen Diskursen und Auseinandersetzungen ausgetragen. Eben davon scheint auch U. selber zu sprechen, wenn er den systematischen Ort der Moral in der Öffentlichkeit aller Wirtschaftsbürger ansiedelt; oder wenn er das differenzierteste unternehmerische Denkmuster, das des Neuen Unternehmers, als "vielschichtiges Bewußtsein", als gleichzeitiges Denken auf verschiedenen Ebenen oder als innovatives Suchen nach "unkonventionellen Synthesen von Ethik und Erfolg" beschreibt.9

Die Integration verschiedener Rationalitäten steht im Zentrum der wirtschaftsethischen Theorie von Peter Koslowski. Sein Ansatz weist Affinitäten sowohl zu Homann (vor allem ursprünglich nahe Verwandtschaft von Ökonomie, Politik und Ethik) als auch zu Ulrich auf (z. B. Ökonomismuskritik, Rationalitätsbegriff), hat aber ein unverwechselbares kulturtheoretisches Gepräge.

"Meine These ist ..., daß das Zeitalter des homo oeconomicus und der modernen Ausdifferenzierung der Wirtschaft aus der Gesamtkultur zu Ende geht und wir auf einen postmodernen Typus der Wirtschaft zugehen, der Wirtschaft selbst als Kultur begreift. Die ökonomische Rationalität wird in der Wirtschaft der Postmoderne wieder als ein und nur ein Bestandteil der umfassenden, integralen Rationalität verstanden werden. Diese Entwicklung zur Wirtschaftskultur und Wirtschaftsethik entspricht einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung von der Industrie- und Wirtschaftsgesellschaft zur Kulturgesellschaft".10

Angriffsflächen für die Kritik der Idealisierung resp. der Romantisierung bietet diese These mehrere. Der Begriff der Postmoderne selber birgt schon einigen Zündstoff. Außerdem weisen viele Entwicklungslinien der gegenwärtigen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft eher in Richtung globalisierte Kommunikations- als in Richtung Kulturgesellschaft. Die Intentionen von K.s These jedoch greifen beobachtbare Tendenzen auf, deren Gewicht vielleicht noch nicht absehbar ist. Dazu gehören sicherlich die heute wirksame Tendenz zum ganzheitlichen Menschenbild oder die Tendenz der Reintegration von Handlungsaspekten, die im Verlauf der Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft verloren gegangen oder verdrängt worden sind.

Die ökonomische Rationalität der Moderne hat sich in diesem Ausdifferenzierungsprozeß abgekoppelt von der ästhetischen Rationalitätsform und vom ökologischen Rationalitätsaspekt. Das unbestreitbar wichtige Kriterium der Effizienz hat sich über die Werte der Aufmerksamkeit für das Schöne (wobei das Schöne nicht auf die subjektive Wahrnehmung eingeschränkt bleiben soll, sondern als Sparsamkeit, planerische Durchgestaltetheit und Zweckmäßigkeit expliziert werden muß) einerseits und der Natur- und Umweltverträglichkeit andererseits hinweggesetzt.

"Die Kulturgesellschaft und Wirtschaftskultur der Postmoderne müssen die ökonomische Rationalität zu einer Durchdringung von ökonomischer, ästhetischer und ökologischer Rationalität erweitern. Diese Vereinigung von mehreren Aspekten menschlicher Rationalität zu einer integralen Vernunft ist die Aufgabe einer zeitgemäßen Theorie der Wirtschaftsethik und Wirtschaftskultur, einer Ethischen Ökonomie" (a. a. O., 79).

Bemerkenswert scheint uns hier die Vorstellung der Integration. Aussagekräftiger als die Stichworte "Erweiterung" oder

"Vereinigung" ist in dieser Hinsicht der (postmoderne) Begriff "Durchdringung". Die drei verschiedenen Aspekte oder Formen von Rationalität, die das für die postmoderne Kultur zentrale ganzheitliche Menschenbild explizieren, müssen sich gegenseitig durchdringen, um eine neue Wirtschaftskultur zu gewinnen. K. selber weist darauf hin, daß die Durchdringung im Raum notwendig mit Verdrängung verschränkt ist. Demgegenüber kann es bei der Durchdringung der verschiedenen Rationalitäten gerade nicht um Verdrängung gehen, sondern es muß sich um eine Verwandlung qualitativer Art, um die Synthese von Qualitäten, um ein kombinatorisches Denken handeln.

Wenn solche Verwandlung oder Synthese nicht stattfindet, treten Verfallsformen der Rationalität auf: Ökonomismus als Verfall der ökonomischen, Ästhetizismus als Verfall der ästhetischen und Ökologismus als Verfall der ökologischen Rationalität. Diese Verabsolutierungen gilt es zu vermeiden. Durchdringung, die weiterführt, also echte Integration, ist im Ausgleich der verschiedenen Rationalitätsformen ständig zu suchen und zu finden, sowohl im einzelnen Akteur als auch auf der Ebene der Rahmenordnungen und der Institutionen.

Durchdringung von Wissenschaft, Religion und Kunst war einst das Programm der Romantik gegen die sich ausdifferenzierende Moderne. Die Aufgabe der Postmoderne sieht K. darin, die Verabsolutierung der ökonomischen Rationalität aufzuheben, eine die Moderne überwindende neue Synthese der verschiedenen Rationalitätsformen zu finden und so den Weg zur Kulturgesellschaft freizulegen. Dies ist eine Entwicklung, für die es - trotz zahlreicher gegenläufiger Tendenzen - bereits einige Anzeichen gibt. Ob K.s Diagnose der gesellschaftlichen Entwicklung zutrifft, ob die Moderne den Weg zur Kulturgesellschaft, zu einer postmodernen Durchdringung der Rationalitäten und zu einer neuen Wirtschaftskultur findet, wird die zukünftige Geschichtsschreibung festzustellen haben.

3. Eine gegenüber den theoretischen Durchführungen grundsätzlich verschiedene Architektonik des wirtschaftsethischen Brückenbaus ist in jenen Ansätzen zu finden, die Ethik und Ökonomie als gegenseitig aufeinander angewiesene Größen verstehen. Auf ökonomischer Seite entstammen diese Ansätze meist aus der praktischen Beratungstätigkeit für unternehmerisch Tätige und gehen infolgedessen von unternehmensethischen Problemlagen aus. Herausragendes Beispiel dafür ist das unternehmensethische Konzept von Horst Steinmann und Albert Löhr.

In Konfliktsituationen des unternehmerischen Handelns stellt sich ganz konkret die Frage nach der Möglichkeit von Wirtschafts- resp. Unternehmensethik. In der betriebswirtschaftlichen Optik bestätigt sich jene Wettbewerbstheorie, die zwischen den Spielregeln der institutionellen Rahmenordnung und den Spielzügen des einzelnen Unternehmers unterscheidet. Im durch Regeln und Spielzüge gekennzeichneten unternehmerischen Handeln ist "Platz für die eigensinnige Rolle der ökono mischen Akteure, die in der Art und Weise, wie sie die Spielregeln interpretieren, handhaben und modifizieren, eine je spezifische Kultur des Wettbewerbs ausbilden und weiterentwickeln. Die Reproduktion des Systems durch die Lebenspraxis wird daher nicht mehr nach dem Muster des bloßen Vollzugs einer vorgedachten Ordnung verstanden, wo die Akteure letztlich unerheblich sind, sondern als dynamischer Prozeß der wechselseitigen Beeinflussung der Akteure durch Strukturen und der Strukturen durch Akteure" (H. Steinmann/A. Löhr, Markt und Moral, 147).

Möglichkeit und Notwendigkeit der Unternehmensethik sehen S./L. gerade da, wo in Konfliktsituationen des Wettbewerbsgeschehens die Schnittpunkte von Institutionen- und Individualethik, von Rahmenordnung und Tugendethik der Thematisierung bedürfen. Ausgangspunkt ist die für moderne, komplexe Demokratien charakteristische dezentrale Markt- und Wettbewerbswirtschaft, in der das unternehmerische Gewinnprinzip als sprachfreier Steuerungs- und Koordinationsmechanismus bereits legitimiert ist. Der Markt jedoch hat nicht nur positive Wirkungen der Effizienz, sondern auch blinde Flecken.11 Der Markt zeitigt Nebenwirkungen und Konflikte, die er selber nicht lösen kann, und die daher auf der Ebene des Unternehmens beziehungsweise im politischen Verständigungsprozeß gelöst werden müssen:

"Unternehmensstrategien müssen effizient und konsensfähig sein. Dies macht den Kerngedanken einer betriebswirtschaftlichen Unternehmensethik im Sinne des wohlverstandenen Republikanismus aus. Sie soll einen Beitrag zur gesellschaftlichen Friedensstiftung leisten, um das Konfliktpotential der Marktwirtschaft zu begrenzen und damit (zusätzliche) Erfolgsvoraussetzungen für ihre Funktionsfähigkeit und Legitimation zu schaffen" (S./L., Markt und Moral, 152).

Ethik und Ökonomie, Markt und Moral, sind im Hinblick auf den gesellschaftlichen Frieden als zwei sich gegenseitig ergänzende Größen zu verstehen. Anders als bei Homann ist der Ort von Wirtschafts- und Unternehmensethik nicht nur die Rahmenordnung, sondern primär das unternehmerische Denken und Handeln selbst. Hier ist der Ort ethischer Urteilsfindung und Platz für den "Eigensinn" der Unternehmerin und des Unternehmers, d. h. für die ethische Grundorientierung der unternehmerisch Handelnden, die sich auch in der Rahmenordnung und im gesellschaftlichen Grundkonsens widerspiegelt. Der Frage, wie diese ethische Orientierung zu gewinnen, zu begründen und auszugestalten ist, kommt dabei großes Gewicht zu.

Ähnlich wie Ulrich gehen S./L. von einem republikanischen Konzept aus, "bei dem das private Wirtschaften immer auch der öffentlichen Sache des Friedens verpflichtet bleiben soll (res publica). Der soziale Friede als höchster Ausdruck des öffentlichen Interesses ist demnach unser ethischer Referenzpunkt, um den sich alles dreht. Er ist in den modernen, post-traditionalen Gesellschaften gefährdet, und um seine Erhaltung und beständige Herstellung müssen wir uns auch im Zuge der Unternehmensführung bemühen".12 Anders als bei Homann und Ulrich handelt es sich im unternehmensethischen Konzept von S./L. nicht so sehr um einen theoretisch-philosophisch begründeten ethischen Ansatzpunkt, sondern um einen erfahrungsgestützten Ansatz inmitten des Lebens selbst.

Dieses Konzept ist jedoch deswegen nicht weniger fundiert, sondern bezieht sich auf den methodischen Konstruktivismus der Erlanger Schule (Lorenzen, Kambartel, Mittelstraß). Der oberste Zweck des Friedens verdankt sich nicht einer Deduktion aus vorgeordneten Prinzipien, sondern der Erfahrung von Konfliktsituationen, in denen sich die friedliche Argumentation und Konfliktlösungssuche als vorzugswürdig erweist. Ethik wird dabei nicht als festgefügter Normenkatalog verstanden, sondern vielmehr als Verfahrenslehre für dialogische Prozesse, in denen moralische Orientierungen gesucht und situationsgerecht verfolgt werden müssen.

Auf ein ebenso interessantes wie kritisches Element der republikanischen Unternehmensethik von S./L. sei hier noch hingewiesen. Es ist das Element der unternehmerischen Selbstverpflichtung, das es in einer rahmenordnungsorientierten Wirtschaftsethik nicht geben kann und nicht geben darf, und worauf sich deshalb die Hauptkritik etwa von Homann an S./L. richtet. Die Selbstverpflichtung gehört zum Spielraum, der den Unternehmern im Wettbewerbsgeschehen offen steht. Sie kann dem einzelnen Unternehmer in Verpflichtung auf bestimmte moralische Normen oder Ethikcodes einen Legitimationsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen; sie kann aber auch eine Beschränkung des Gewinnprinzips bedeuten.

In den letzten Jahren ist in einigen wirtschaftlichen Konflikten deutlich geworden, daß das einzelne Unternehmen sich immer weniger nur auf die gesetzliche Rahmenordnung beziehen kann, sondern seine Unternehmensstrategie selber vor der politischen Öffentlichkeit verantworten muß. Die Beispiele "Brent Spar" für das Unternehmen Shell oder "Raubgold" für die Schweizer Banken machen deutlich, daß es sich für das Unternehmen lohnen kann, die eigene wirtschaftliche Tätigkeit selber moralisch zu beurteilen und ein umwelt- oder sozialverträgliches Vorgehen zu wählen, bevor die ethische Beurteilung von außen erfolgt. Vor allem in den USA, aber immer mehr auch in Europa verpflichten sich deshalb einzelne Unternehmer auf Ethikcodes, da der Druck der politischen Öffentlichkeit auf Maßstäbe der political correctness im Zunehmen begriffen ist.13 Das Unternehmen kann auf diesem Weg selbstverständlich keine Ethik durchsetzen, aber es kann eine spezifische Unternehmenskultur prägen, die auf die Ebene der Rahmenordnung durchdringen und überdies der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit Akzeptanz, Legitimation und nicht zuletzt auch Gewinn einbringen kann.

Im Bereich der christlichen Wirtschaftsethik sind in den letzten Jahren die beiden Bände "Wirtschaftsethik"14 des Sozialethikers Arthur Rich zum Standardwerk geworden. Einzelne Erkenntnisse und Argumentationsweisen, insbesondere die Unterscheidung von "sachgemäß" und "menschengerecht" haben weit über den Raum von evangelischer Theologie und Kirche hinaus eine breite Wirkung gehabt. Eine ernstzunehmende Wirtschaftsethik muß "im Spannungsfeld zwischen einer vorschnellen Akzeptanz bestehender Strukturen und Funktionsnotwendigkeiten einerseits und einer utopisch-moralisierenden Aufstellung idealer Postulate andererseits angesiedelt sein. Genau aus diesem Grunde sind die Maßstäbe des Menschengerechten und des Sachgemäßen wechselseitig aufeinander bezogen und zu beziehen" (Hans G. Nutzinger, Markt und Moral, 182).

Alle wirtschaftsethischen Beiträge von theologischer, sozialethischer und kirchlicher Seite sind dem Ansatz der gegenseitigen Angewiesenheit von Ökonomie und (theologischer) Ethik verpflichtet. Dies gilt insbesondere von der reichen Tradition der katholischen Moraltheologie und Soziallehre. Traditionell richtete sich die Aufmerksamkeit der theologischen Wirtschaftsethik vor allem auf Fragen im Rahmen von Gerechtigkeit und Menschenbild, von Eigentum und Zins, von Gemeinwohl und Frieden. Ohne diese Themen zurückzustellen, hat sich die christliche Sozialethik des 20. Jahrhunderts auch den jeweils aktuellen Fragestellungen zugewandt, wobei sich die Grundkonzeptionen katholischer und protestantischer Wirtschaftsethik einander angenähert haben und heute als "zunehmend konfessionsübergreifend konsensfähig" (Franz Furger, a.a. O., 15, Anm. 7) gelten. - Einzelne Positionen können hier nicht ausgeführt werden. Eine mit ökumenischem Auge gesehene Zusammenschau vermittelt den Eindruck, daß die christliche Sozialethik sich sowohl Grundsatzfragen (z. B. Eilert Herms, Methodische und wissenschaftstheoretische Grundlegung christlicher Sozialethik; Ulrich Duchrow, Weltwirtschaft und Kapitalismuskritik; Hans G. Ulrich, Wirtschaftsontologie; Hans Küng, Weltethos für die Weltwirtschaft; Hans Ruh, Ökologie, Zukunft der Arbeitswelt) als auch aktuellen Einzelfragen (u. a. Themen der Arbeit und Arbeitswelt15, Umwelt, Wachstum und Fortschritt, Europa, Schuldenkrise, fairer Handel) zuwendet.

Beachtung verdienen neben den sozialethischen Lehrstühlen an Universitäten auch die kirchlichen Institute und Arbeitsstellen von Hilfswerken und Stiftungen. Die dort unternommene Forschung findet immer wieder Eingang in Sammelbände wirtschaftsethischen Inhalts. Besonders wertvoll sind jeweils die Beiträge aus dem Oswald von Nell-Breuning Institut in Frankfurt a. M. (Friedhelm Hengsbach) oder aus dem Institut für Sozialethik in Bern (Hans Balz Peter). Wesentliche Vorarbeit wird u. a. hier geleistet für Stellungnahmen der Kirchen. Das gemeinsame Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland16
ist das jüngste und prominenteste Beispiel eines kirchlichen Beitrags zur öffentlichen Diskussion.

Das große und überwiegend positive Echo auf dieses in einem breit angelegten Konsultationsprozeß entstandene und ökumenisch verantwortete Sozialwort zeigt, daß die politische und wirtschaftliche Öffentlichkeit bereit ist, dem Anliegen der Kirche Gehör zu schenken. Unmißverständlich wird hier klar, daß die theologische Ethik des Christentums kein System von formalen Regeln ist, sondern aufgrund von christlichen Werten (Kapitel 3, a. a. O., 39-50: biblisches Menschenbild, Gottes- und Nächstenliebe, Option für die Benachteiligten, Gerechtigkeit, Solidarität und Subsidiarität, Nachhaltigkeit) versucht, dem Auftrag der Kirche zur Mitgestaltung der Welt nachzukommen.

Durchführung der Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung (Kap. 2, 25-38) sowie die Vorschläge konkreter Handlungsleitlinien (Kap. 5, 68-95) weisen hohe Sachkenntnis wirtschaftlicher und sozialpolitischer Verhältnisse und Behutsamkeit im Umgang mit Alternativmodellen ökonomischer und sozialer Organisation auf. Dem wirtschaftlichen Handeln der Kirche selber ist das Schlußkapitel gewidmet (96-103). Eine Hinführung, die jedoch das ganze Wort nicht ersetzen will, bietet eine Zusammenfassung in zehn Thesen (7-17). Ziel des gemeinsamen Wortes ist der Grundkonsens einer zukunftsfähigen Gesellschaft (Kap. 4, 51-67), der von allen Beteiligten hohe und kritische Reformbereitschaft verlangt. Deutlich wird der Grundsatz, daß auch die moderne, offene Gesellschaft sich auf die aus der biblischen Botschaft und dem christlichen Glauben entwickelten ethischen Perspektiven einlassen kann, da sie "nicht wirklichkeitsferne Postulate, sondern Ausdruck einer langfristig denkenden Vernunft" (51) sind. Gegen vermeintliche Sachzwänge oder kurzfristige Interessen jedoch stellt das Wort die unveräußerlichen Grundwerte der christlichen Tradition in aller Deutlichkeit heraus:

"Die Kirchen treten dafür ein, daß Solidarität und Gerechtigkeit als entscheidende Maßstäbe einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschafts- und Sozialpolitik allgemeine Geltung erhalten. Sie sehen es als ihre Aufgabe an, in der gegenwärtigen Situation auf Perspektiven des christlichen Glaubens für ein humanes Gemeinwesen, auf das christliche Verständnis vom Menschen und auf unveräußerliche Grundwerte hinzuweisen. Solidarität und Gerechtigkeit sind notwendiger denn je. ... Dem Egoismus auf der individuellen Ebene entspricht die Neigung der gesellschaftlichen Gruppen, ihr partikulares Interesse dem Gemeinwohl rigoros vorzuordnen. Manche würden der regulativen Idee der Gerechtigkeit gern den Abschied geben. Sie glauben fälschlich, ein Ausgleich der Interessen stelle sich in der freien Marktwirtschaft von selbst ein. Für die Kirchen und Christen stellt dieser Befund eine große Herausforderung dar. Denn Solidarität und Gerechtigkeit gehören zum Herzstück jeder biblischen und christlichen Ethik" (7).



IV.

Aussagekräftig ist die bildhafte Beschreibung "Brückenbau" für das Unternehmen Wirtschaftsethik insofern, als eine Verbindung zwischen zwei weitgehend getrennten Sachgebieten gesucht, eine Verbindung zwischen zwei Ufern gebaut wird. Unsere Wissenschaftskultur, die noch tief in den Voraussetzungen des 19. Jahrhunderts verwurzelt und durch Selbstverständlichkeiten wie Eigengesetzlichkeit und Wertfreiheit der Disziplinen geprägt ist, erweitert sich in Richtung Inter- resp. Transdisziplinarität, in Richtung praktische Philosophie und angewandte Ethik. Es waren und sind vor allem moralische, ökologische und soziale Dilemmata, die einen gesellschaftlichen Bewußtseinswandel in Gang gesetzt haben, der auch auf die Organisation der Wissenschaften durchdringt. Von der Kultivierung getrennter System-Welten, von der Autonomie oder der gegenseitigen Abschottung der sich selbst regulierenden Subsysteme muß Abschied genommen werden, zumindest wenn es um den Aufbau von Teildisziplinen wie Wirtschaftsethik geht.

Ein Feld, das einst fast ausschließlich von der Theologie beackert wurde, ist in den letzten Jahren zu einem Interessengebiet auch anderer Wissenschaftszweige geworden. Auf die sich daraus ergebenden Herausforderungen hat die Theologie mit allem anderen als dem Rückzug in den Schmollwinkel reagiert. Theologie, Sozialethik und Kirche haben die interdisziplinären Herausforderungen angenommen; sie haben aus ihrer zunehmend marginalen gesellschaftlichen Rolle heraus klare und anerkannte Positionen zur gesellschaftlichen Orientierung beitragen können und werden dies auch in Zukunft tun.

"Sich einlassen" mag als erste dieser Herausforderungen genannt werden. Im moralischen Engagement auch theologischer "Ethik-Fans könnten sich schlimme Folgen verbergen, nämlich eine Ablenkung von allen ernsthaften Versuchen, die moderne Gesellschaft und in ihr das Funktionssystem Wirtschaft zu begreifen".17 Moral kann und darf nicht davon dispensieren, die Sachfragen der Wirtschaft besser kennen und verstehen zu lernen. Nur das "Sich einlassen" auf Ökonomie und auf die wirtschaftsethische Debatte ermöglicht eine Teilhabe an der Suche nach einer realitätsnäheren Beschreibung der Wirtschaft. Der theoretische Ansatz von Eilert Herms hat in dieser Hinsicht insofern viel zu einem gelungenen Brückenbau beigetragen, als er die Verständigung zwischen Ökonomie und Theologie auf eine neue Basis stellt, was nicht nur wissenschaftstheoretisch, sondern auch gesellschaftspolitisch weitreichende Folgen haben kann. Von wirtschaftsontologischen Forschungen, wie sie Hans G. Ulrich betreibt, der sich mit der Frage beschäftigt, "wie das ,Rechnen’ mit Gott mit den Rechenschaftspflichten in der Ökonomie verbunden ist",18 wird in Zukunft wohl noch einiges zu erwarten sein. Die "Ökonomie Gottes" hat ja mit der Ökonomie des Menschen nicht einfach nichts zu tun, sondern bewahrt den auch für die Wirtschaft relevanten Gedanken, "daß es für den Menschen eine Wirklichkeit geben muß, in der sein Menschsein bewahrt ist" (a. a. O., 265). Das "Sich einlassen" der Theologie kann und soll aber nicht nur auf akademischer Ebene stattfinden, sondern muß auch auf allen andern institutionellen Stufen intensiviert werden, bis hin zur Basis der einzelnen Kirchgemeinden. Die Strittigkeit des Verhältnisses Theologie-Ökonomie, Kirche-Wirtschaft resp. menschengerecht und sachgemäß, die sich da überall anläßlich von Vortragsveranstaltungen und in Gesprächskreisen zeigt, darf nicht in unwiderruflichem Kommunikationsabbruch enden, sondern muß im Hinblick auf die gesellschaftliche Verständigung ausgehalten und weiterhin gestaltet werden.

Nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung zur ersten muß eine zweite Herausforderung beachtet werden: "Distanz bewahren". Der erwähnte gesellschaftliche Bewußtseinswandel wird von nicht wenigen Unternehmen zur Selbststilisierung mißbraucht und für den Aufbau einer Aura der Reinheit genutzt. Ethik liegt im Trend und verkauft sich gut. Deshalb verlängert das Marketing die Produktewerbung ins Moralbewußtsein der Menschen hinein. Täglich sind Plakate zu sehen, die die Botschaft ökologischer und sozialer Verantwortung mit dem Kauf eines bestimmten Produktes verbinden. Wo Moral dergestalt zur modischen Kostümierung wird; wo Moral unter keinen Umständen etwas kosten darf,19 sondern nur zur Gewinnsteigerung benutzt wird; wo Kommunikation zu Manipulation verkommt und die distanzlose Hingabe an den Konsum- und Medienspektakel gefordert wird, da ist nur schon im Namen des guten Geschmacks Distanz gefordert, ganz zu schweigen von Werten wie Gerechtigkeit oder Prinzipien wie Erhaltung der Lebensgrundlagen. Es ist ja wahr, daß die Ethik zunehmend Schwierigkeiten bekundet, die hochkomplexen Zusammenhänge der modernen Wirtschaft moralisch zu beurteilen, und daß es zunehmend unmöglich scheint, sich dem globalen Produkte-, Medien- und Werbekarussell zu entziehen. Für jeden moral point of view muß jedoch allein schon der auf diesem Karussell mitdrehende Opportunimus und Zynismus Anzeichen dafür sein, daß nicht so sehr der "Ruf nach Ethik", sondern der Ruf nach den "neuen Göttern des Marktes"20 in die Sackgasse führt - in die Sackgasse der "Märchenwelt".

Der theologischen Ethik wird es auch in Zukunft am besten gelingen, sich auf die Ökonomie einzulassen und gleichzeitig Distanz zu bewahren zu kehrseitigen Ausprägungen gesellschaftlicher Bewußtseinsveränderungen, wenn sie sich auf ihr "Proprium" besinnt und dieses immer wieder neu versucht, verstehbar zu machen. Theologische Ethik läßt sich weder reduzieren auf ein System formaler Regeln, noch auf eine Verfahrenslehre für dialogische Prozesse. Vielmehr verdankt sie sich vor allem den Erzählungen und Reflexionen des Alten und Neuen Testaments, deren Wahrnehmung dieser einen Welt durch moderne Entwicklungen und komplexe Strukturveränderungen nicht einfach obsolet geworden ist. Theologische Ethik wird nicht abzubringen sein von den Fragen nach dem Zweck des menschlichen Wirtschaftens, nach dem Bild des Menschen und seiner Ökonomie, nach der Lebensdienlichkeit und Gerechtigkeit von wirtschaftlichen Handlungen und Institutionen. Von diesem Kern und den darin enthaltenen "unveräußerlichen Grundwerten" her werden Christinnen und Christen Dialoge mitgestalten und Rahmenordnungen mitverantworten. Im Innersten des von ihr reflektierten "gesellschaftlichen Subsystems" wird der Theologie daran gelegen sein, daß dem Menschen immer wieder der Glaube ermöglicht wird, der sich auch in wirtschaftlichen Problemlagen als lebenspraktische Vernünftigkeit bewähren kann.

Fussnoten:

1 Ulrich, Peter: Integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik - ein Rahmenkonzept, 75-107, 82. In: Markt und Moral. Die Diskussion um die Unternehmensethik, hrsg. vom Forum für Philosophie Bad Homburg. Bern-Stuttgart-Wien: Haupt 1994. 402 S. gr.8 = St. Galler Beiträge zur Wirtschaftsehik, 13. Kart. DM 69,-. ISBN 3-258-05017-1. - Auf diesen Band, der einen ausgezeichneten Überblick über die meisten wirtschaftsethischen Positionen enthält, wird im folgenden verwiesen als "Markt und Moral".

2 Herms, Eilert: Das neue Paradigma. Wirtschaftsethik als Herausforderung für die Theologie und die Wirtschaftswissenschaft. In: Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft, hrsg. von Josef Wieland, Frankfurt a. M. 1993, 148-171, 158.

3 Zu Fragen der angewandten Ethik sei hier verwiesen auf Fischer, Johannes: Handlungsfelder einer angewandten Ethik. Eine theologische Orientierung, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1997.

4 Zur Dokumentation vgl. insbesondere Müller, Eckart: Wirtschafts- und Unternehmensethik im Spiegel ihrer Institutionen und Publikationen. In: Markt und Moral, 351-384. - Ein ausführlicher Literaturbericht aus theologischer Sicht liegt vor bei Stübinger, Ewald: Wirtschaftsethik und Unternehmensethik I (in: ZEE 40, 1996, Heft 2, 148-161) und Wirtschaftsethik II (in: ZEE 40, 1996, Heft 3, 226-244).

5 Homann, Karl: Ethik und Ökonomik. Zur Theoriestrategie der Wirtschaftsethik. In: Homann, Karl: Wirtschaftsethische Perspektiven I. Theorie, Ordnungsfragen, Internationale Institutionen, Schriften des Vereins für Sozialpolitik Band 228/I, Berlin 1994, 9-30, 16.

6 Homann, Karl: Wirtschaftsethik. Die Funktion der Moral in der modernen Wirtschaft, 32-53, 34 f. In: Wieland, Josef [Hrsg.]: Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1993. 174 S. kl.8 = Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 1053. Kart. DM 18,-. ISBN 3-518-28653-6. - Im Hinblick auf die Begründung von Spielregeln der Rahmenordnung bezieht sich H. auf die amerikanischen constitutional economics, z. B.: Brennan, Geoffrey/Buchanan, James M.: Die Begründung von Regeln. Konstitutionelle Politische Ökonomie, Tübingen 1993.

7 Furger, Franz: Sozialethik und Ökonomik. Gesichtspunkte der christlichen Sozialethik. Münster-Hamburg: LIT 1994. V, 121 S. 8 = Ethik und Wirtschaft im Dialog, 5. Kart. DM 34,80. ISBN 3-8258-2105-6.

8 Das inzwischen in dritter Auflage erschienene Standardwerk trägt den Titel Ulrich, Peter: Transformation der ökonomischen Vernunft. Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft. Bern-Stuttgart-Wien 1993 (3. Auflage). Eben erschienen ist das neuste Buch desselben Verfassers: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, Bern-Stuttgart-Wien 1997.

9 Ulrich, Peter, u. Thielemann, Ulrich: Wie denken Manager über Markt und Moral? Empirische Untersuchungen unternehmensethischer Denkmuster im Vergleich. In: Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft, hrsg. von Josef Wieland, Frankfurt a. M. 1993, 54-91, dort v. a. 70-89.

10 Koslowski, Peter: Der homo oeconomicus und die Wirtschaftsethik, in: ders. [Hrsg.]: Neuere Entwicklungen in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsphilosophie. Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo 1992, 73-92, 78. Das wirtschaftsethische Hauptwerk des Autors: ders.: Ethik des Kapitalismus, Tübingen 1991 (4. Aufl.). - Interessante Hinweise auf die Tendenzen einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zur Kulturgesellschaft finden sich bei dem Soziologen Beck, Ulrich [Hrsg.]: Kinder der Freiheit, Frankfurt a. M. 1997. Zwar spricht Beck (u. a.) nicht von Postmoderne und Kulturgesellschaft, seine Untersuchungen zur "Freiheitsgesellschaft" der "zweiten Moderne" aber kommen der Diagnose K.s sehr nahe.

11 Kritik an der Hypostasierung des Marktes oder an unreflektiert übernommenen metaphysischen Voraussetzungen des Redens vom Markt findet sich - mehr oder weniger extensiv - in fast allen wirtschaftsethischen Publikationen. Stellvertretend sei hingewiesen auf Graf von der Schulenburg, J.-Matthias: Das "Soziale" an der Sozialen Marktwirtschaft - eine Operationalisierung des Begriffs "Sozial" aus ökonomischer Sicht. In: Koslowski, Peter [Hrsg.]: Neuere Entwicklungen in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsphilosophie, Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo 1992, 119-141. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die folgenden Titel: Jacob, Willibald, Moneta, Jakob, u. Franz Segbers [Hrsg.]: Die Religion des Kapitalismus. Die gesellschaftlichen Auswirkungen des totalen Marktes. Luzern: Exodus 1996. 207 S. 8. Kart. DM 34,-. ISBN 3-905577-04-6; Müller, Florian, u. Michael Müller [Hrsg.]: Markt und Sinn. Dominiert der Markt unsere Werte? Campus: Frankfurt/M.-New York 1996.

12 Löhr, Albert: Die Marktwirtschaft braucht Unternehmensethik, 48-83, 52. In: Becker, Jörg, Bol, Georg, Christ, Thomas, u. Johannes Wallacher [Hrsg.]: Ethik in der Wirtschaft. Chancen verantwortlichen Handelns. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1996. XIII, 178 S. gr.8. Kart. DM 44,-. ISBN 3-17-014010-8. - Auch die unternehmensethische Literatur wird immer zahlreicher. Stellvertretend seien genannt: Aufderheide, Detlef: Unternehmer, Ethos und Ökonomik. Moral und unternehmerischer Gewinn aus der Sicht der Neuen Institutionenökonomik. Berlin: Duncker & Humblot 1995. 277 S. 8 = Volkswirtschaftliche Schriften, 450. DM 88,-. ISBN 3-428-08470-5. Wichtig ist das - insbesondere seiner globalen Ausrichtung wegen - ausgezeichnete Buch von Leisinger, Klaus M.: Unternehmensethik. Globale Verantwortung und modernes Management. München: Beck 1997. 250 S. 8 = Ethik im technischen Zeitalter. Lw. DM 45,-. ISBN 3-406-42289-6. Großer Beliebtheit bei Managern erfreuen sich Person und Werk von Rupert Lay (z. B.: Lay, Rupert: Über die Kultur des Unternehmens. Düsseldorf-Wien-New York-Moskau 1992).

13 Als Beispiel aus dem Bankenbereich sei auf das Standardwerk für die Ausbildung und Geschäftstätigkeit im Finanzwesen hingewiesen: Standards of Practice Handbook. The Code of Ethics and The Standards of Professional Conduct with Commentary and Interpretation, Published by Association for Investment Management and Research (AIMR), Charlottesville U.S.A. 1992 (sixth edition).

14 Rich, Arthur: Wirtschaftsethik, Band 1: Grundlagen in theologischer Perspektive. Gütersloh 41991, Band 2: Marktwirtschaft, Planwirtschaft, Weltwirtschaft aus sozialethischer Sicht. Gütersloh 1990. Vgl. die Rez. dazu in ThLZ 111, 1986, 471 u. 117, 1992, 60.

15 Aus der Fülle der Literatur zu diesem Themenkreis sei besonders hingewiesen auf: Knorn, Peter: Arbeit und Menschenwürde. Kontinuität und Wandel im Verständnis der menschlichen Arbeit in den kirchlichen Lehrschreiben von Rerum novarum bis Centesimus annus. Eine sozialwissenschaftliche und theologische Untersuchung. Leipzig: St. Benno 1996. XXV, 237 S. gr.8 = Erfurter theologische Studien, 73. Kart. DM 48,-. ISBN 3-7462-1197-2. - Rohloff, Manfred: Vom Herrschen zum Teilen. Ethische Konzeptionen einer Theologie der Arbeit. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1997. IX, 323 S. 8 = Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen, 11. Kart. DM 98,-. ISBN 3-7887-1633-9. Zu nennen sind weiterhin Vischer, Lukas: Arbeit in der Krise. Theologische Orientierungen. Neukirchen-Vluyn 1996, und Ruh, Hans: Anders, aber besser. Die Arbeit neu erfinden - für eine solidarische und überlebensfähige Welt. Frauenfeld 1995.

16 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Hannover-Bonn 1997. 112 S. 8 = Gemeinsame Texte, 9. Eine eingeleitete und kommentierte Ausgabe des Textes liegt vor bei: Heimbach-Steins, Marianne, u. Andreas Lienkamp: Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Eingel. u. kommentiert unter Mitarb. von G. Kruip, u. St. Lunte. München: Bernward bei Don Bosco 1997. 285 S. gr.8. ISBN 3-7698-1043-0. - Wer sich über die ökumenische Situation informieren will vgl. die Quellenedition Stierle, Wolfram, Werner, Dietrich, u. Martin Heider [Hrsg.]: Ethik für das Leben. 100 Jahre Ökumenische Wirtschafts- und Sozialethik. Quellenedition ökumenischer Erklärungen, Studientexte und Sektionsberichte des ÖRK von den Anfängen bis 1996. Rothenburg o. d. Tauber: Lange 1996. XXIII, 652 S. gr.8. ISBN 3-928617-16-8. - Ein ähnlicher von den Kirchen initiierter Konsultationsprozeß findet derzeit in der Schweiz statt. Vergleichbare kirchliche Texte liegen bereits in Österreich (1988) und Holland (1992) vor.

17 Luhmann, Niklas: Wirtschaftsethik - als Ethik? In: Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft, a. a. O., 134-147, 142.

18 Ulrich, Hans G.: Theologische Zugänge zur Wirtschaftsethik. In: Koslowski, Peter [Hrsg.]: Neuere Entwicklungen in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsphilosophie. Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo 1992, 253-277, 269.

19 Eine interessante wirtschaftsethische Teildiskussion beschäftigt sich mit der Frage, was Moral kosten darf. "Moral ist nicht dadurch Moral, daß sie teuer zu stehen kommt". Zu recht gibt es Widerstand "gegen diese irrige (und fälschlich Kant zugeschriebene) Auffassung, die Glücksversprechen und Moralität prinzipiell einander entgegensetzt". Aber man droht bisweilen "aus dem Blick zu verlieren, daß auch die Ineinssetzung nicht gilt. Moral, die unter keinen Umständen etwas kostet, ist keine". (M. Kettner, Markt und Moral, 253, Anm. 31).

20 Ein solch zynisches Bild der gesellschaftlichen Entwicklung hin zum totalen Markt der Kommunikations- und Marketingkultur zeichnen Bolz, Norbert und Bosshart, David: KULT Marketing. Die neuen Götter des Marktes, Düsseldorf 1995 (2. Auflage), 32: "Alle rufen nach Ethik - wir nicht. Aber es scheint uns doch sehr wichtig zu begreifen, warum allerorten Ethikkommissionen aus dem Boden schießen und Firmen zur Rettung der Erde oder doch zumindest des brasilianischen Regenwaldes aufrufen. Ethik liegt im Trend - aber nicht etwa, weil wir (neue) Werte hätten. Im Gegenteil, der Ruf nach Ethik ist ein Ruf im Walde, ein Ausdruck des Nihilismus... Es gibt den Trend zur Ethik, und Trends füllen das ethische Vakuum."