Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2004

Spalte:

389–393

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wengst, Klaus

Titel/Untertitel:

Das Johannesevangelium. 2. Teilband: Kapitel 11-21.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 2001. 350 S. gr.8 = Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, 4. Kart. Euro 30,60. ISBN 3-17-016981-5.

Rezensent:

Ruben Zimmermann

Nach Auschwitz müsse sich auch der christliche Umgang mit der Schrift grundlegend verändern, so wird es schon seit Jahren in den unterschiedlichen Erklärungen der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema Christen und Juden (so z. B. die Studie III aus dem Jahr 2000) gefordert: Einerseits sei der "Verzicht auf eine judenfeindliche Auslegung Jesu und der urkirchlichen Verkündigung" geboten, andererseits könnten "Christen neu entdeck[en], welchen Gewinn für Auslegung und Bibelwissenschaft es bedeutet, die jüdische Schriftauslegung in Talmud und Midrasch kennen zu lernen". War die Umsetzung dieses hermeneutischen Programms bislang auf einzelne Autoren begrenzt, so weiß sich nun eine ganze Kommentarreihe, der "Theologische Kommentar zum Neuen Testament" (ThKNT, Kohlhammer), diesem Anliegen verpflichtet, indem die jeweiligen Ausleger und Auslegerinnen der Verwurzelung der neutestamentlichen Schriften im Judentum besondere Aufmerksamkeit schenken und in der Art und Weise der Auslegung eine Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses ermöglichen wollen. Eine Bewährungsprobe eigener Art muss dieser exegetische Ansatz in der Auslegung des Johannesevangeliums bestehen, wird das vierte Evangelium doch nicht selten als das judenfeindlichste Evangelium bezeichnet, das - so Micha Brumlik - sogar "protorassistische" Züge trägt - so etwa im Blick auf Joh 8,44; vgl. M. Brumlik, Johannes: das judenfeindlichste Evangelium, Kirche und Israel 4 (1989), 102-113. Für Klaus Wengst, selbst Mitherausgeber des ThKNT, war dies jedoch eine ad personam gestellte Herausforderung, denn W. ist nicht nur ausgewiesener Kenner des johanneischen Schrifttums, sondern zugleich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaften Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag sowie des Studienkreises Kirche und Israel in Rheinland und Westfalen.

Nur ca. ein Jahr nach dem Erscheinen des ersten Bands, der bereits in zweiter Aufl. 2003 vorliegt, konnte der Bochumer Neutestamentler die Kommentierung des Joh mit dem zweiten Band abschließen. Im zweiten Band werden die Kapitel Joh 11-21 ausgelegt, wobei die Aufteilung aus pragmatischen Gründen erfolgte, denn die inhaltlich-literarische Zweiteilung sieht W. mit vielen anderen Exegeten zwischen Kap. 1-12 und 13-20 gegeben. Die Form des Kommentars folgt ohne Abweichung der in Bd. 1 vorgelegten Linie (vgl. dazu ThLZ 126 [2001], 1046-1050): Einer eigenen Übersetzung des jeweiligen Abschnitts folgt die knappe Erörterung ausgewählter perikopenspezifischer Grundfragen (z. B. zu Struktur, Vorlagen). Schwerpunkt der Exegese bildet dann eine versweise "Einzelauslegung", die teilweise durch die exkursartige Erörterung von textspezifischen Fragen bzw. Themen (so z. B. 220 f. zu Pontius Pilatus; 251 f. zum titulus crucis) unterbrochen wird. In diesen auch formal durch Petit-Druck abgehobenen Abschnitten werden ferner jüdisch-rabbinische Parallelen sowie wirkungsgeschichtliche Zeugnisse zu den genannten Themen oder Motiven quasi als Intertexte eingespielt. Die Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur wird eng auf ausgewählte Arbeiten und Thesen beschränkt. Auf thematisch-theologische Exkurse wird verzichtet.

An exegetischen Details bzw. Entscheidungen können nur einige Aspekte beispielhaft genannt werden: Die Lazarus-Erzählung Joh 11 diene im Fortgang des Evangeliums "als Vehikel zur eigenen Passion Jesu, die am Kreuz endet" (16). Joh 12 erfüllt nach W. eine Scharnierfunktion, denn es bildet den Abschluss des öffentlichen Wirkens Jesu und leitet mit der bewussten Zeitangabe die letzte Woche seines Lebens ein (45). Entsprechend seiner historischen Verortung des Evangeliums im Horizont des pharisäisch-rabbinischen Judentums sieht W. in den Griechen, die nach Joh 12,20 f. Jesus sehen wollen, keinen Hinweis auf einen heidenchristlichen Adressatenkreis des Evangeliums. Allerdings anerkennt er, dass in Joh 11,52 (wie bereits in 10,16) mit dem Motiv der Sammlung der Zerstreuten die endzeitlichen Gotteskinder über Israels Grenzen hinaus bestimmt werden. W. geht von zwei Abschiedsreden aus (1. Rede: 13,31- 14,31; 2. Rede: 15,1-16,33), wobei er literarische Spannungen mit der historischen Begründung erklären möchte, dass der Evangelist "unterschiedliche Fassungen geschrieben hat und bei der schließlichen Gestaltung seines Evangeliums auf keine verzichten wollte" (136).

Den johanneischen Passionsbericht Joh 18-19 analysiert W. einerseits hinsichtlich seiner historischen Plausibilität (z. B. zur Kapitalgerichtsbarkeit, 221 f.), andererseits hinsichtlich seiner narrativen Gestaltung (z. B. die Sequenzenfolge im Pilatusprozess, 216 ff.). Im Blick auf die für den johanneischen Passionsbericht intensiv diskutierten möglichen Bezüge zu den Passionserzählungen der Synoptiker will sich W. eines traditionsgeschichtlichen Urteils bewusst enthalten (z. B. "wieder lässt sich das Verhältnis zueinander nicht eindeutig klären", 53). Statt sich einer Hypothese anzuschließen, wählt er ein "pragmatisches Vorgehen, das am jeweiligen Ort die Parallelen in den Blick nimmt und dabei das besondere Profil der johanneischen Darstellung zu erkennen versucht" (196). Die vier johanneischen Ostererzählungen (Joh 20,1-29) stehen nach W. "in einem engen Zusammenhang miteinander" (273), der durch das gemeinsame Thema "Zeugnis und Glaube" konstituiert und durch Zeitangaben strukturiert wird. W. sieht ausgehend von der historisch gelesenen Notiz in Joh 21,24f. Kap. 21 als Nachtragskapitel, das sich als Einheit auf die von einem Verfasser erstellten Kap. 1-20 bezieht. Vor allem baue "der Verfasser ein anderes Bild von Simon Petrus" (316) auf, das die Petrus nivellierende Einordnung der Kap. 1-20 in die Gemeinschaft der Jünger korrigiere: Petrus wahre die Einheit, das Netz zerreißt nicht, trotz der Vielfalt der 153 Fische. Ein Kapitel zur Über- und Unterschrift des Evangeliums sowie ein Stellenregister zu Bd. 1 und 2 runden den Kommentar ab.

Durch die Auslegung von W. ergeben sich lohnende Einblicke in den jüdischen Hintergrund des Joh auf ganz unterschiedlichen Ebenen. So trägt W. zahlreiche Detailbeobachtungen zusammen: Man erfährt z. B. zu Joh 11, dass Lazarus die gräzisierte Form des gängigen hebräischen Namens Lazar (aus Elasar) war, oder dass die "Litra" von Nardensalböl, mit der Maria Jesus salbt (Joh 12,3), als Fremdwort im rabbinischen Schrifttum begegnet. Die johanneische Anrede "meine Kinder" (Joh 13,33, ferner 1Joh) wird als typisch rabbinische Anrede des Lehrers an seine Schüler wahrgenommen (111); nach bSukk 30b-31a ist belegt, dass der hebräische Bittruf "Hoschana" zum "Jubelruf" geworden war (54); ferner erinnere der "Hemdrock ohne Naht" (Joh 19,23) an das Gewand des jüdischen Hohepriesters (255 f.).

Die Verwurzelung im Judentum wird ferner bei der Verwendung bestimmter traditioneller Motive und Texttypen deutlich. So weist W. z. B. darauf hin, dass das Gebet Jesu (Joh 17) in einer langen biblischen Tradition stehe, nach der auch David, Abraham oder Mose in entscheidenden Übergangsphasen Gebetsmonologe sprechen (173). Innerhalb des jüdischen Horizonts müssen nach W. aber auch christologische Urteile vorsichtiger gefällt werden: So dürfe z. B. Joh 14,6 nicht als Ausdruck eines christlichen Exklusivitätsanspruchs gelesen werden, nach dem die Juden an Jesus glauben müssten. Einerseits verweist W. hier auf die Einsicht Rosenzweigs, dass das Volk Israel ja nicht mehr zum Vater kommen müsse, weil es schon bei ihm ist. Andererseits dürfe "Jesus nicht isoliert, sondern als Repräsentant seines Volkes wahrgenommen werden" (121). Hier liegt für W. zugleich eine grundsätzliche Einschätzung seiner Christologie. So kann er z. B. auch im Blick auf den wahren Weinstock (Joh 15) konstatieren, dass hier "auf Jesus konzentriert [wird], was von Israel im Ganzen gilt" (139, vgl. 194). Es gehe hier also keineswegs um eine Abwertung oder Substitution Israels, vielmehr begegnen in Jesus die mit Israel verbundenen Erwartungen und Verheißungen in verdichteter Weise. Entsprechend sei es unangemessen, das Liebesgebot Jesu (Joh 15,10-12) gegen die vielen Gebote auszuspielen, vielmehr "benennt [es] die Dimension und Intention, in der die Gebote zu halten sind" (144). Die vielfach vorschnell auf die Schau des präexistenten Christus durch Jesaja bezogene Aussage in Joh 12,41 betrachtet W. unter Einbeziehung des Kontextes von Jes 6 differenziert als Überblendtechnik: Denn wie Jesaja "die Herrlichkeit der Gottesgegenwart (sch'chinah) sah", so erblicke der Evangelist in Jesus "Gott in seiner Gegenwart (sch'chinah)" und spreche deshalb "zugleich auch über ihn, nämlich Jesus" (77). Entsprechend kann auch die Präexistenzaussage von Joh 17,5 relativiert werden, denn "die jüdische Tradition kennt einige Dinge, die es schon vor Erschaffung der Welt gab" (179). W. bemüht sich, nicht nur solche dogmatischen Überzeichnungen sondern auch antijudaistische Auslegungstraditionen zurückzuweisen: So betrachtet er z. B. die bis in neueste Kommentare hinein anzutreffende antijüdische Bewertung des Achtens auf Reinheitsvorschriften (zu 18,28) bzw. die antithetische Gegenüberstellung des gewöhnlichen Pesachlammes und des (wahren) Pesachlammes Jesus als implizites Relikt einer antijüdischen Auslegungstradition. "Warum sollte" - so fragt W. - "ein Jude oder eine Jüdin des ersten Jahrhunderts, die an Jesus als den Messias glaubten, auf den Gedanken kommen, die Feier von Pessach (...) sei überholt" (219).

Bisweilen gewinnt die hermeneutische Intention von W. allerdings auch den Primat gegenüber dem Text: So versucht er die "klageführenden Juden" bewusst als Sondergruppe auszuweisen, obwohl in Joh 18,31.38; 19,7. 12.14 nur von den Juden die Rede ist. Dies führt dazu, dass er das Î in Joh 18,35 (Pilatus: "Dein Volk und die Hohepriester haben dich mir übergeben") epexegetisch mit "und zwar" übersetzen muss, was für Joh mit W. singulär wäre. Vom Interesse einer Bewusstseinsbildung ist auch die Wiedergabe z. B. von kyrie mit Adonaj im Zitat aus Jes 53,1 getragen, um kenntlich zu machen, dass es die Entsprechung zum Gottesnamen der hebräischen Bibel bildet (74). Damit weicht W. allerdings vom johanneischen Text ab (der ja LXX zitiert), ganz ähnlich wie bei der Übersetzung des griechisch transkribierten Namens "Marjam" mit "Mirjam" (vgl. 13, Anm. 4). Eine solche Parteinahme wird aber auch in theologischen Fragen sichtbar: So wird etwa die apokalyptische Schärfe gegenüber Ungläubigen relativierend entschärft (vgl. etwa Joh 15,6 durch die Begrenzung auf die Bildebene, dazu 142). Ferner stellt sich die Frage, ob man etwa für das Joh die Passion als "Gang in die Ohnmacht [des] Todes" (20) bezeichnen kann, während Jesus doch eigentlich - wie W. selbst betont (195) - immer als der souverän Handelnde dargestellt wird (vgl. etwa das Gebet Jesu oder das Pilatusgespräch). Oder ist es berechtigt, Joh 14,6 als Hinweis auf den mitleidenden Gott zu lesen, der seine Wahrheit "in der Solidarität mit den Leidenden und Bedrängten" erweist?

Obwohl die Beobachtungen von W. vielfach nicht neu sind, präsentiert er den jüdischen Horizont des vierten Evangeliums doch in so großer Konsequenz, dass schon hier der Wert seiner Auslegung unstrittig ist. Rückfragen stellen sich jedoch bezüglich der m. E. verengten Sicht des antiken Judentums. Wenn der jüdische Hintergrund des Joh in diesem Kommentar zur Geltung gebracht werden soll, ist es dann berechtigt, das Judentum so einseitig auf das pharisäisch-rabbinische Judentum nach der Tempelzerstörung zu begrenzen?

Die inzwischen breit und differenziert herausgearbeitete Bedeutung des Alten Testaments für das Johannesevangelium wird zwar anerkannt, hätte m. E. aber differenzierter ausgewertet werden können. Dabei hätte W. allerdings auch der Einsicht nicht ausweichen können, dass das Jesuszeugnis im Joh nicht nur unter voller Anerkennung und Hinzuziehung des Alten Testaments legitimiert werden soll, sondern dass auch umgekehrt das Alte Testament durch Christus erfüllt, auf neue Weise legitimiert oder sogar verändert wird (vgl. Joh 12,38 wie auch 5,39; 8,56). Oder was bedeutet es etwa für den angenommenen Adressatenkreis, dass - wie W. selbst zugesteht (z. B. 74 f.) - Joh überwiegend die Septuaguinta, d. h. den griechischen Text, und nicht die hebräische Bibel zitiert?

Ferner spielen die Schriften des zwischentestamentlichen Judentums für W. kaum eine Rolle, was etwa an der Bedeutung des Schrifttums von Qumran gezeigt werden kann: Im zweiten Bd. des Kommentars finden sich nur zwei Verweise auf die Gemeinderegel (293 zu Joh 20,22), nur neun weitere Mal wird das Schrifttum von Qumran als Vergleichsmaterial im ersten Bd. angeführt. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Qumran-Funde maßgeblich zur Neubestimmung des religionsgeschichtlichen Kontextes des Joh beigetragen haben und gerade auch hinsichtlich der dualistischen Denkfiguren von Licht - Finsternis bzw. Lüge - Wahrheit die Verankerung des Joh im zeitgenössischen Judentum angezeigt haben. Die sprachliche Nähe zwischen den jüdischen Qumran-Texten und dem Joh lässt sich bis in wörtliche Parallelen hinein nachweisen; so ist die Bezeichnung "Söhne des Lichts" (Joh 12,36) mehrfach in Qumran-Texten belegt (bene 'or: 1QS I,9; II,16; III,13.24.25; 1QM I,1.3.9; 4Q 174 1-2 I,8 f. u. a.), ebenso wie der "Wandel in der Finsternis" (Joh 12,35, vgl. 1QS III,31; IV,11). Obgleich eine- wie teilweise in der Forschung postulierte- direkte literarische oder personale Beeinflussung des Joh durch Qumran eher unwahrscheinlich ist, wird in den Qumrantexten doch ein Bereich des hebräisch-sprachigen Judentums im 1. Jh. greifbar, der die Verwurzelung des Joh in der jüdischen Tradition auf eigene Weise deutlich macht. Davon erfährt man jedoch nichts in W.s Kommentar, ebenso wenig von einer für Joh durchaus relevanten jüdischen Tempel- oder Pesachtheologie, wie sie etwa auch in Jub greifbar wird.

Ähnlich ist es mit dem Bezug auf Schriften des griechisch-sprachigen Judentums, die nur selten und meist als historische Informationsquelle angeführt werden (so z. B. zum Prozess, 220-222). Dass gerade über diesen Zweig dann auch Gedankengut der griechisch-hellenistischen Tradition in das Joh gelangt ist, lässt W. völlig außer Acht. So wäre es z. B. zum Verständnis von Joh 15,13 weiterführend, wenn man auf den Einfluss hellenistischer Freundschaftsethik verweisen würde (allein im Neuen Wettstein zum Joh sind zu Joh 15,13 nicht weniger als 24 Verweisstellen aus der griechischen Literatur angeführt - vgl. U. Schnelle [Hrsg.], Neuer Wettstein. Texte zum NT aus Griechentum und Hellenismus [Bd. I/2: Texte zum Joh], Berlin-New York 2001, 715-725).

Würde das keineswegs homogene Judentum im 1. Jh. differenzierter wahrgenommen werden, könnte der jüdische Charakter des Joh m. E. noch präziser herausgearbeitet werden, als es bisweilen durch die rabbinischen Analogtexte möglich ist. Schließlich stellen sich auch Rückfragen hinsichtlich der Auswahl und Verwendung der rabbinischen Intertexte: Gewiss kann es auch hier nicht darum gehen, Vollständigkeit erzielen zu wollen oder jede Entscheidung zu begründen. Aber der kritische Leser bzw. die kritische Leserin würde sich doch eine größere Mitteilungsbereitschaft zu den vollzogenen Weichenstellungen wünschen, denn aus dem Kommentar selbst sind diese nicht immer zu erheben. So werden die rabbinischen Intertexte teilweise nicht wirklich ausgewertet: Was besagt etwa die Information, dass Narde zu den Bestandteilen des Räucherwerks für den Tempel gehört (47), für die johanneische Tempelchristologie? Angesichts des adressierten weiteren Leserkreises hätte auch eine kurze Einführung in die rabbinische Denkweise und Exegese für die sachgemäße Einordnung der rabbinischen Intertexte von großer Hilfe sein können.

W. hat einen in sich kohärenten, stark am Text orientierten Kommentar zum Joh vorgelegt, der seine vorrangige Intention, das vierte Evangelium "im Kontext des Judentums" darzustellen, zweifellos einlöst. Durch seinen flüssigen Stil, hilfreiche Textwiederholungen und Paraphrasen im Kommentarteil und den Verzicht auf einen großen Anmerkungsapparat wird der Kommentar auch einem breiteren Leserkreis wertvolle Einblicke in das vierte Evangelium eröffnen. Dies gilt umso mehr, als nun auch gegenüber dem ersten Band häufiger die "Leser- und Hörerschaft" explizit in den Blick genommen wird (14.40.45.135 f. 264 u. v. a.), was der literarisch-rezeptionsästhetischen Gestalt des Evangeliums Rechnung trägt. Bezüglich der benannten Defizite darf an Joh 21,25 als johanneisches Prinzip erinnert werden, das dann auch für die Fortschreibung in Kommentaren gelten möge: Es gebe gewiss noch vieles Andere, was zum Joh gesagt werden könnte. Doch dies wäre sicher nicht in einen zweibändigen Kommentar zu fassen gewesen. Im Blick auf die eingangs genannten Erklärungen kann man hoffen, dass der durch den Kommentar erfolgte Impuls, "bei der Lektüre und Auslegung des Johannesevangeliums in der Kirche, ohne das Trennende verleugnen zu wollen, das mit dem Judentum Verbindende zu erkennen und herauszustellen" (333), reichlich Wirkung zeigt.