Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2004

Spalte:

379–381

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Back, Frances

Titel/Untertitel:

Verwandlung durch Offenbarung bei Paulus. Eine religionsgeschichtlich-exegetische Untersuchung zu 2 Kor 2,14-4,6.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2002. XII, 250 S. gr.8 = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 153. Kart. Euro 49,00. ISBN 3-16-147880-0.

Rezensent:

Thomas Schmeller

Die Arbeit, die auf eine Dissertation bei Hermann Lichtenberger zurückgeht, bemüht sich um eine religionsgeschichtliche Erklärung von 2Kor 3,18: Die Christen werden, so heißt es dort, von Glanz zu Glanz in das Christusbild verwandelt. Die Beschränkung auf einen einzigen Vers erscheint nur auf den ersten Blick als eine etwas schmale Textbasis für eine Dissertation. Sehr bald erkennt man beim Lesen, wie gekonnt B. von diesem Vers aus weite Kreise zieht und wie fruchtbar ihre Vorgehensweise ist.

Die Einleitung (1-23) referiert den Forschungsstand zum Verwandlungsmotiv und nennt Kriterien für eine sachgerechte Textauswahl aus der religiösen Umwelt des Neuen Testaments. Wichtige Erklärungsansätze in der Forschungsgeschichte sind: Verbindung mit der synoptischen Verklärungsgeschichte Mk 9,2-8 (Holtzmann, Feine); Herleitung aus den Mysterien (Reitzenstein); Rückführung auf die jüdisch-hellenistischen Gegner des Paulus (Georgi); Nähe zu jüdisch-apokalyptischen Texten (Furnish, Fitzmyer); Ableitung aus der Verwandlung des Mose in Ex 34 (Thrall).

Keinen der bisher in der Forschung favorisierten Bereiche scheidet B. von vornherein aus. Für einen Vergleich mit 2Kor 3, 18 kommen jedoch gerade "solche Texte in Betracht, die eine göttlich gewirkte Verwandlung von Menschen in Glanz (oder etwas Vergleichbares, z. B. engelhafte Schönheit) beschreiben, die zu ihren Lebzeiten und auf dieser Erde geschieht" (21).

Die Texte aus der Umwelt werden in einem ersten Hauptteil untersucht (24-76). Grundsätzlich kann man nach B. zwei Gruppen unterscheiden: 1. solche, für die Verwandlung ein Zeichen von Charisma innerhalb der irdischen Welt ist (LibAnt 12,1; 19,16; Philo, VitMos II,69 f.; Virt 212-219; JosAs 18,9; Apuleius, Met XI,23 f.; 4Makk 9,22; TestHiob 48-52), und 2. solche, die in der Verwandlung die Voraussetzung für die Aufnahme von Menschen in die himmlische Welt sehen (AscJes 7,25; SlHen 22,8-10; SyrBar 49-51).

Zu 1.: Im LibAnt und bei Philo ist von mehreren (!) Verwandlungen des Mose (bei Philo auch Abrahams) die Rede, die sich jeweils aus einem Offenbarungsempfang ergeben und seine (bzw. ihre) Autorität als Offenbarungsmittler unterstreichen. Ähnliches gilt in JosAs von Aseneth, die allerdings durch ihren Übertritt zum Judentum auf Dauer verwandelt wird, d. h. in Kontakt mit der himmlischen Welt kommt und für die Heiden zur "Mittlerin des jüdischen Gottesglaubens überhaupt" (44) wird. Die Verwandlung des Lucius bei Apuleius wird durch einen Gewandwechsel symbolisiert, den B. als Angleichung an den Sonnengott mit rein individueller Bedeutung (also ohne Konsequenzen für eine Gruppe) interpretiert. Im TestHiob werden die drei Töchter Hiobs durch Anlegen himmlischer Gürtel zu engelsähnlichen Wesen. Ihre Verwandlung ist allerdings sinnlich nicht wahrnehmbar, sondern auf die Herzen beschränkt und als solche die Voraussetzung, nicht die Konsequenz des Offenbarungsempfangs. Und schließlich wird der älteste der sieben Brüder, die in 4Makk das Martyrium erleiden, auf dem Höhepunkt der Qualen zur Unvergänglichkeit verwandelt, so dass ihm die Foltern nichts mehr anhaben können. Zu 2., den apokalyptischen Texten: In AscJes wird Jesaja während einer visionären Reise vorübergehend verwandelt und kann so den Himmel betreten, wo er eine Botschaft erhält, die er anschließend auf Erden verkündet. Dauerhaft verwandelt wird dagegen Henoch im SlHen: Er wird durch Gewandwechsel und Salbung "in den Himmel eingebürgert und zum Empfang göttlicher Offenbarung befähigt" (65). SyrBar rechnet mit einer endzeitlichen Verwandlung aller Menschen, der noch lebenden wie der zuvor durch Auferweckung in das irdische Sein zurückgekehrten, der Gerechten wie der Frevler. Nur die Gerechten werden als Lohn für ihr Leben zu himmlischem Glanz verwandelt und können deshalb in der himmlischen Welt leben. Die paränetische Ausrichtung ist hier deutlich.

In ihrer Auswertung hebt B. hervor, dass sich mit den Texten der ersten Gruppe erklären lässt, warum Paulus in 2Kor 3,18 das Verwandlungsmotiv von Mose, auf den es in Ex 34 ja beschränkt ist, auch auf sich und alle Christen überträgt. Die apokalyptischen Texte sind zwar für die 2Kor-Stelle weniger relevant, erhellen aber das Verwandlungsmotiv in 1Kor, Röm und Phil.

Der 2. Teil (77-159) behandelt detailliert den paulinischen Verwandlungsgedanken in 2Kor 2,14-4,6. Paulus versucht in diesen Kapiteln (wie auch in 10-13) seine Gegner als falsche und sich selbst als wahren, von Gott beauftragten Apostel herauszustellen. Diesem Ziel dient auch der Rückgriff auf Ex 34,29-35: "Paulus vergleicht sich mit der Person und dem Amt des in vergänglichen Glanz verwandelten Mose, um damit eine Aussage über sich selbst als Apostel und Empfänger göttlicher Botschaft zu machen." (88)

Dabei hält B. es für unwahrscheinlich, dass der Rückgriff auf Mose als solcher durch die Gegner veranlasst ist. Es geht Paulus vielmehr um die Qualifikation seines eigenen Dienstes. Schon auf dem vergänglichen (d. h. bis zum Kommen Christi befristeten) Dienst des Mose lag Glanz, also göttliche Autorisation, um wie viel mehr auf dem unvergänglichen Dienst des Paulus. Alle anderen Themen des Abschnitts, insbesondere die Unterscheidung von Buchstaben und Geist, ordnen sich nach B. diesem Anliegen unter, so dass die Aussagen über Mose und das Gesetz keineswegs abwertend gemeint seien. Der Dienst des Mose ist allerdings beendet, was Israel infolge seiner Verstockung - im Bild: durch die Hülle auf dem Gesicht des Mose - nicht erkennen kann.

Verwandelt wird aber nun nicht nur Paulus selbst, sondern verwandelt werden alle Christen. Alle sind durch den Geistbesitz dazu befähigt, "den Glanz des Herrn wie in einem Spiegel zu schauen" (3,18), wodurch sie ihrerseits für andere Christus sichtbar machen. Die "Spiegelschau" bei Paulus (vgl. 1Kor 13,12) und im religionsgeschichtlichen Kontext wird von B. eingehend untersucht und auf "geistgewirkten, visionären prophetischen Offenbarungsempfang" (142) gedeutet. Diese Schau bewirkt nicht die Verwandlung der Christen, sondern die Verwandlung ist (wie bei Mose) Zeichen für die echte gottgewirkte Schau. Der Inhalt dieser Schau ist in 2Kor 3,18 Christus, der als der Auferstandene göttlichen Glanz trägt. Die verwandelten Christen repräsentieren Christus in der Welt.

Im letzten Teil (160-198) wird das Verhältnis von 2Kor 3,18 zu Stellen thematisiert, an denen Paulus von einer zukünftig-eschatologischen Verwandlung spricht (1Kor 15,49.51 f.; Phil 3,21; Röm 8,29 f.). Aus einer sorgfältigen Einzelexegese dieser Stellen ergibt sich für B., dass hier zwar ebenfalls von einer Verähnlichung der Christen mit Christus die Rede ist, ansonsten aber eine andere Verwandlungskonzeption vorliegt. Es geht hier um die Eingangsmöglichkeit der Christen in die himmlische Welt (analog zu den oben genannten apokalyptischen Texten), während in 2Kor die Sichtbarkeit Christi in der irdischen Welt das Thema ist.

B. hat ein sehr beachtliches Buch vorgelegt, das sich u. a. durch große Klarheit und sehr gute Lesbarkeit auszeichnet. Sie überblickt die Forschungslandschaft souverän und bietet an vielen Punkten neue Antworten auf alte Fragen. Kritisch anmerken möchte ich nur, dass mir die grundsätzliche Unterscheidung zwischen zwei Arten von Verwandlung sowohl bei Paulus wie in der Umwelt zu weit zu gehen scheint. Die Verwandlung stellt doch offensichtlich in allen Fällen eine Brücke zwischen der irdischen und der himmlischen Wirklichkeit her. Ob man dann wirklich so klar zwischen Verwandlung als Voraussetzung und als Folge von Offenbarungsempfang, als göttliche Autorisation auf Erden und als Eingangsmöglichkeit in den Himmel unterscheiden kann, wie B. das tut, scheint mir fraglich. Deshalb ist m. E. die Beziehung zwischen den angeführten Paulustexten, die bei B. kaum etwas miteinander zu tun haben, wohl doch etwas enger. Dieses Bedenken ändert aber nichts daran, dass B. Dank für eine in vielem mustergültige Arbeit verdient.