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Ausgabe:

April/2004

Spalte:

370–372

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Blenkinsopp, Joseph

Titel/Untertitel:

Isaiah 56-66. A New Translation with Introduction and Commentary.

Verlag:

New York-London-Toronto-Sydney-Auckland: Doubleday 2003. XVI, 348 S. gr.8 = The Anchor Bible, 19B. Lw. US$ 45,00. ISBN 0-385-50174-9.

Rezensent:

Peter Höffken

Der die Kommentierung des Jesaja-Buches durch Blenkinsopp abschließende Band zu "Tritojesaja" erschien in der erwarteten Schnelligkeit. Die ersten beiden Teilbände wurden in ThLZ 127 [2002], 275-77; 128 [2003], 379-381 besprochen. An den Grundsätzen der Kommentargestaltung in der Anchor Bible hat sich natürlich nichts geändert: Eine Gesamtübersetzung von Jes 56-66 geht voran (1-24); ihr folgen die einleitenden Beobachtungen (25-91) sowie eine ausführliche Bibliographie (93-126, gegliedert in Kommentare, 95 ff., Monographien und Aufsätze, 98 ff., und endlich Literatur zum hebräischen Text und zu den alten Übersetzungen, 121 ff.). Dem schließt sich die Kommentierung des Textes (127-317), gegliedert in 25 Abschnitte, an. Beschlossen wird der Band durch einen ausführlichen Sachindex (319-330) und ein Stellenregister (331-348).

Das von B. entwickelte Bild der tritojesajanischen Texte entspricht grundsätzlich dem, das in der neueren Forschung erreicht wurde: Die Texte stammen nicht von einem gemeinsamen Autor. Es gibt einen Kern des Buches, den man einer prophetischen Gestalt Tritojesaja zuschreiben kann, in Kap. 60-62. Diese Gestalt versteht sich in den durch Deuterojesaja gelegten Linien als dessen Fortsetzer unter palästinischen Bedingungen, die zeitlich ungefähr zwischen 515 und 450 liegen. Dies betrifft die Texte insgesamt, so dass Tritojesaja am zeitlichen Anfang zu platzieren ist. Dabei legt B. großes Gewicht auf die von Deuterojesaja herkommende Linie des Redens im "Ich-Stil", die im Kontext einer pluralischen prophetischen Gruppe zu sehen ist, die sich als Fortsetzer der Botschaft und Rolle des mit der Gestalt des leidenden Gottesknechts in Jes 53 identischen Deuterojesaja verstehen kann, zu dessen "Same"/Nachkommenschaft (53,10) die Einzelgestalt wie die damit verbundene prophetische Gruppe sich rechnet. Dazu zählt B. auch die Redeweise über "meine Knechte" in 65 f., was angesichts einer kräftig betonten Beeinflussung der tritojesajanischen Texte durch die deuteronomistische Bewegung ("meine Knechte, die Propheten") plausibel erscheinen kann. Diese prophetische Gruppe steht in Konflikt mit der priesterlichen Gruppe, die am neuen Tempel den königszeitlichen Synkretismus fortzusetzen gewillt ist. Die "sektiererischen" Implikationen für die Adressatengruppe der Botschaft(en) werden kräftig betont, sofern diese Gruppe mit den in Esra 9 f. bekannten charedim (Jes 66,5) identifiziert wird, was frühere Aufsätze des Autors aufnimmt. Diese Gruppe erscheint als eine tora-treue Bewegung, prophetisch gesteuert oder gelenkt (63-66).

Damit rechnet B., literarisch gedacht, vor allem mit einem Zusammenhang von 56-66 mit 40 ff., erheblich weniger mit 1-39, wie man beispielsweise seinen Bemerkungen zu 56,1 oder 65,25 entnehmen kann. Auch die Inclusio von Jes 66 und 1 wird deutlich reduzierter wahrgenommen (vgl. 62 f.), als das derzeit üblich ist. Der Fortsetzungscharakter zu 40-55 wird intensiv betont, wobei freilich an eine eigenständige "Buch"konzeption 56-66 gedacht ist. Bei dieser sieht B. zwei Komponenten wirksam: einerseits eine Schalenbildung (Symmetriebildung) um den Kern in 60-62 herum; zum anderen eine Blockbildung mit einem Gedankenfortschritt in 56-59; 60-62; 63-66. So wird das Phänomen der Symmetriebildung seinen statischen Implikationen entnommen.

Durch die Frühdatierung des Buches in die Esra-Nehemiazeit um 450 steht B. in einer Ausrichtung der Forschung, die die Spätdatierungen im Gefolge von O. H. Steck sehr skeptisch gegenübersteht. Diese Skepsis betrifft auch die Anwendung der redaktionskritischen Methode. B. plädiert stattdessen grundsätzlich für eine kompositionsbezogene Analyse.

Mit der Annahme der ursprünglichen literarischen Selbständigkeit von 56- 66 gegenüber 40-55 (bei beiden "Büchern" seien die ursprünglichen Überschriften bei Anfügung an Protojesaja beseitigt worden) steht B. quer zu jener Richtung, die die literarische Anbindung der Kap. 56-66 an 40 ff. (und 1 ff.), sei's von Anbeginn, sei's von einem relativ frühen Punkt der Literaturwerdung an, betont. Ob sich diese Option halten lässt, muss die weitere Arbeit an den Problemen von 56-66 zeigen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass mir die Argumentation in die Richtung einer selbständigen Literaturwerdung von 56-66 gegenüber 40-55 nicht recht einleuchtet.

Manche der Argumentationen von B. scheinen nur zu funktionieren, wenn man 56-66 mit 40-55 in einem "textual and exegetical continuum" sieht, wie B. selber formuliert (30). Entsprechend hat man die Möglichkeit, 61,1-7 unter der Überschrift "The Prophetic Disciple's Mission" (218) zu behandeln, eigentlich nur, wenn man dieses Kontinuum literarisch (und nicht allein als Lehrer-Schüler-Verhältnis) versteht. Gleiches gilt wohl auch für die Umwandlung des singularischen "Knechts" in die pluralische Größe "Knechte Jahwes" vor allem in 65 f. u. a. - Die Auffassung, bei 40 und 56 seien wohl ursprüngliche Buchüberschriften getilgt worden (131), erscheint im Lichte der Praxis im Zwölfprophetenbuch äußerst unwahrscheinlich.

Hier sei abschließend formuliert, dass B. einen wichtigen Kommentar auf historisch-kritischer Grundlage geschrieben hat, der die geschichtliche Dimension mit ihrer Verankerung in der Zeit des Zweiten Tempels besonders betonen will. Diesem Zweck dient dann auch die zusammenfassende Erörterung der perserzeitlichen Aspekte 42-54. Die Fülle von Informationen, die der Kommentar bereitstellt (unter anderem durch die vor den einzelnen Abschnitten zusammengestellte Literatur!), ist zu betonen. Somit stellt er ein wichtiges Arbeitsmittel dar, das seinen Platz im Gespräch über das gesamte Jesaja-Buch behalten wird.